Manchmal, wenn ich grad gar nichts besseres zu tun habe, mache ich mit Bensha, der Hündin meiner Grossmutter, einen Spaziergang im Wald.
Eigentlich gehört Bensha mir, denn meine Grossmutter hat sie mir geschenkt, da sie selber gar keinen Hund mehr wollte.
Sie hatte während vielen Jahren einen Collie, der ihr beim zusammentreiben der Schafe und Ziegen half. Aber daran kann ich mich nicht erinnern, weil ich noch zu klein war.
Mit fast fünfzehn Jahren ist er dann gestorben und meine Grossmutter erklärte allen, dass dieser Hund so perfekt gewesen sei, dass sie unmöglich nochmals mit einem anderen von vorne beginnen könne. Und da sie auch keine Schafe mehr hatte und nur noch ein paar Ziegen, brauchte sie auch keinen Hütehund mehr.
Aber dann geschah zwei Tage nach meinem neunten Geburtstag etwas sehr Ungewöhnliches.
Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch stinkwütend! Ja so richtig wütend, weil mein Geburtstag in einem totalen Fiasko geendet hatte! Und daran waren nur meine Eltern schuld!
Meine Eltern wussten haargenau, was ich mir so sehnlichst zum Geburtstag wünschte. Ich hatte es ihnen immer und immer wieder erzählt oder sie bei unseren monatlichen Einkaufsgängen in der Stadt darauf aufmerksam gemacht.
Ich wollte das Spiel aller Spiele! Das Beste, was Ubisoft je auf den Markt gebracht hatte.
Alle meine Kumpels waren bereits im Besitz dieses Computerspiels und ich als einziger konnte noch nicht an den Gruppenspielen im Internet teilnehmen, weil ich keine entsprechende Software besass. Ich wollte nichts anderes, als dieses Spiel. Ich bettelte meine Eltern während Wochen an. Ich versprach ihnen, nach nichts anderem mehr zuverlangen. Ich erklärte mich sogar bereit, auf die kommenden Weihnachtsgeschenke zuverzichten.
Eigentlich war ich felsenfest davon überzeugt, dass meine Eltern das Spiel längst gekauft hatten und mir mein Erfolg sicher war, aber weit gefehlt!
Am liebsten wäre ich tot umgefallen, als ich an dem besagten Geburtstag das Verpackungspapier aufriss und mein Geschenk entdeckte. Ich konnte es einfach nicht glauben, das war der schlimmste Albtraum meines Lebens! Das konnte doch einfach nicht wahr sein!
Mir war zwar nicht entgangen, dass meine Eltern seit ein paar Monaten auf einem regelrechten ökologischen Kreuzzug waren, aber dass sie mir damit sogar meinen Geburtstag vermiesen würden, hätte ich nie und nimmer geglaubt!
In dem Geschenkkarton befanden sich ein neuer Fussball aus Bioleder von einer glücklichen Kuh, Torwartshandschuhe aus demselbigen Material und eine komplette Sportbekleidung für Fussballer aus ökologischer Bio-Baumwolle. Hätten meine Eltern mir das einfach so gekauft, wäre ich sicher darüber erfreut gewesen, aber als Geschenk zum Geburtstag? Seit wann musste ich mir notwendige Kleidung schenken lassen?
«Mama!!» sagte ich erschlagen, mehr brachte ich nicht über die Lippen.
«Hör zu Schatz,» begann meine Mutter, «dein Vater und ich haben nachgedacht. Nach all den Jahren, wo du immer alles gekriegt hast, was du dir gewünscht hast, finden wir es nun an der Zeit, etwas verantwortungsvoller mit diesem Thema umzugehen.»
Ich hatte keinen Schimmer wovon sie sprach.
«Weisst du, wir finden es an der Zeit, dass du anfängst, etwas über uns, unseren Lebensstil, unser Umfeld, die Natur, die anderen Menschen und überhaupt über den ganzen Planeten nachzudenken!»
War das ihr Ernst? Ich hatte immer noch keine Ahnung, was sie mir mitteilen wollte.
«Von heute an,» fuhr sie fort. «wirst du dir die Dinge, die man als Luxusartikel bezeichnen könnte, selber kaufen. Wenn du etwas sparsam mit deinem Taschengeld umgehst, kannst du dir deine Wünsche selber erfüllen und innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten deine Lieblingsspielzeuge vom Gesparten kaufen!»
Ich liess mich in den Sessel im Wohnzimmer fallen. Meine Welt begann sich eben vor meinen Augen in Luft aufzulösen. Es würde JAHRE dauern, bis ich mir das Geld für das Computerspiel zusammengespart hatte und dann, wenn es endlich soweit wäre, hätten meine Freunde bestimmt bereits ein neues Spiel am Laufen, ein noch besseres, noch ausgeklügelteres, ein noch schnelleres!
Zwei Tage später brachten mich meine Eltern zu meiner Grossmutter. Ich hatte mich nicht wirklich von meinem Geburtstagsschock erholt und offensichtlich wusste meine Grossmutter auch bereits Bescheid, denn sie strich mir über meinen Haarschopf und meinte versöhnlich:
«Na, na, wird wohl nicht so schlimm sein.»
Ich sagte nichts und ging auf mein Zimmer.
Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh. Es war noch fast finster draussen, aber irgendetwas hatte mich aus dem Schlaf gerissen, nur wusste ich nicht, was es war. Ein ganz bestimmtes Geräusch, ein kleiner, aber feiner Lärm, den ich nun bei genauerem Hinhören wahrzunehmen begann.
Es war ein regelmässiges Klopfen, als würde jemand mit dem Fuss in rythmischen Abständen auf die Holzfliesen der Veranda tappen. Das Geräusch kam ganz klar von draussen.
Mein Zimmer bei meiner Grossmutter war im Erdgeschoss und hatte eine Balkontüre, die direkt auf die Veranda des Hauses hinausführte.
Ich kletterte aus dem Bett und taumelte verschlafen zur Glastüre. Langsam zog ich den Vorhang zur Seite und blickte hinaus. Aber es war noch zu dunkel, um irgendetwas sehen zu können.
In diesem Moment hielt das Geräusch inne.
Ich hielt den Atem an und wartete. Und es kam mir vor, als wäre auf der anderen Seite der Balkontüre ebenfalls jemand oder etwas damit beschäftigt, genau dasselbe zu machen: Atem anhalten und warten.
Lustigerweise hatte ich überhaupt keine Angst, ganz im Gegenteil, ich war super neugierig, entriegelte die Türe und stiess sie auf.
Erstaunt blickte ich auf die Gestalt, die vor mir im fahlen, ersten Morgenlicht sass und mich freundlich anblickte. Im selben Moment konnte ich wieder den kleinen, feinen Lärm wahrnehmen, nur jetzt etwas lauter, da ich die Türe offen hatte. Es war der Schwanz eines Hundes, der in freudiger Erwartung wedelnd auf die Holzbretter der Veranda schlug.
Ein Hund! Was machte er hier? Wem gehörte er?
«Hallo du...», sagte ich vorsichtig.
Das Wedeln wurde stärker, aber der Hund blieb sitzen.
Ich schloss die Türe und rannte durch meine Zimmer in den Korridor hinaus. Ich stieg die Treppe ins erste Stockwerk und schrie nach meiner Grossmutter.
«Oma, Oma! Komm schnell!»
Meine Grossmutter kam schlaftrunken aus ihrem Zimmer.
«Was ist denn los Victor?»
«Komm schnell Oma, wir haben einen Hund!»
Gemeinsam stiegen wir die Treppe hinunter und meine Grossmutter folgte mir in mein Zimmer und durch die Balkontüre.
Der Hund war immer noch da. Er hatte sich nicht vom Platz gerührt.
«Na sowas», sagte sie und blickte den Hund erstaunt an.
«Von wo kommst du denn?» Sie kniete sich zu dem Hund nieder und fuhr ihm mit der Hand sanft über sein Fell. Der Hund war entzückt und begann nun wie ein Wilder zu wedeln und sich im Kreis zu drehen.
«Er trägt ein Halsband», bemerkte ich.
«Ja du hast recht.» Meine Grossmutter ergriff den Hund beim Halsband und suchte nach einer Hundemarke. Aber da war nichts und das Halsband war so eng geschnallt, dass es fast unmöglich war, die Finger zwischen Leder und Fell zu zwängen. An einigen Stellen war das Fell über das Halsband gewachsen und versteckte es vollkommen.
Meine Grossmutter war erbost.
«Wer tut denn sowas!» sagte sie laut.
«Der arme Hund, ein Wunder, dass er überhaupt normal atmen kann!»
Sie suchte nach der Schnalle des Halsbandes und öffnete sie.
«Hol mir eine Schere!» befahl sie.
Ich rannte in die Küche und kam mit eine Schere zurück.
Vorsichtig begann sie, das verfilzte Fell loszuschneiden, bis das Halsband von alleine zu Boden fiel.
Der Hund blieb während der ganzen Prozedur ganz still und brav.
Ansonsten schien es ihm gut zu gehen. Er war gut genährt und hatte ein sauberes, glänzendes, langes Fell.
«Und was machen wir jetzt?» wollte ich von meiner Grossmutter wissen.
«Ich denke, unser Gast hat Hunger!» meinte sie lächelnd. Sie stand auf und verschwand in der Küche. Kurz darauf kam sie mit einer Schale randvoll mit Katzenfutter wieder zurück.
«So, das sollte gut genug sein für den Anfang, morgen werd ich ihm richtiges Hundefutter kaufen.»
Sie stellte die Schale vor den Hund und dieser begann ohne eine Sekunde zu zögern mit einem richtigen Heisshunger die Schale zu leeren.
Danach füllten wir die Schale mit Wasser und er löschte seinen Durst.
«Was denkst du, wem mag wohl dieser Hund gehören?» wollte ich wissen.
Meine Grossmutter schüttelte den Kopf.
«Ich habe keine Ahnung, ich kenne niemanden hier im Dorf, der einen solchen Hund hat. Aber wenn er aus unserer Region stammt und irgendwem davon gelaufen ist, werden wir es schnell herausfinden!»
Sie ging in das Haus und setzte sich an ihren Laptop.
«Wir werden eine Meldung auf facebook veröffentlichen. Unser Dorf hat eine öffentliche facebook-Seite. Das wird von ein paar hundert Menschen gelesen.»
Wir machten ein paar Photos von dem Hund, die wir in die Anzeige einbinden wollten.
Unterdessen war es draussen schon fast ganz hell geworden und die Sonne stieg glutrot über den höchsten Baumgipfeln am Waldrand und tauchte die Landschaft in ein goldenes Licht.
«Was für ein wunderbarer Spätsommertag!» dachte ich und bemerkte erst viel später, dass ich meinen Ärger über das Geburtstagsgeschenk vollkommen vergessen hatte.
Aber ich hatte auch gar keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Der Hund beschäftigte mich von Morgens bis in den späten Abend hinein. Der Hund war kein «er», sondern eine «sie», wie wir bald herausfanden. Eine nette Hundedame, oder besser gesagt ein nettes Hundemädchen, denn meine Grossmutter war davon überzeugt, dass sie noch sehr jung sein musste und höchstens ein Jahr alt war.
Ich nannte sie schon sehr schnell bei ihrem Namen. Bensha sollte sie heissen, der Name war mir so schnell in den Sinn gekommen, dass ich ihn kaum noch aus meinem Gedächtnis ausradieren konnte. Meine Grossmutter warnte mich, dem Hund einen Namen zu geben.
«Sie wird nicht bei uns bleiben!» meinte sie.
«Sie hat einen Besitzer und wir werden ihn finden!»
Aber ich war anderer Meinung. Vielleicht hatte jemand Bensha ausgesetzt! Vielleicht wollte man sich ihrer entledigen. Warum wohl trug sie keine Hundemarke? Irgendwer wollte nicht, dass man sie identifizieren konnte. Und warum sollte ein so netter und anhänglicher Hund einem davon laufen? Das verstand ich schon gar nicht, denn Bensha folgte mir oder meiner Grossmutter mit jedem Schritt und wollte auf keinen Fall alleine gelassen werden.
Zuerst hatte sie Angst, ins Haus zu kommen. Wir mussten sie praktisch hineintragen! Es schien gerade so, als hätte sie noch nie in ihrem Leben ein Haus betreten oder als hätte man sie bestraft oder davon gejagt, wenn sie sich einer Haustüre näherte.
Ich bürstete Bensha ausgiebig mit einer alten Haarbürste, die mir meine Grossmutter gegeben hatte und später am Nachmittag machte ich mit ihr einen Spaziergang im Wald. Sie entfernte sich nie weit von mir und lief ohne Leine mit, so, als hätte sie das ihr Leben lang gemacht!
Als wir zurückkamen, nahm meine Grossmutter sie an die Leine und sagte:
«Wir werden ausprobieren, ob sie unsere Hühner in Ruhe lässt.»
Meine Grossmutter hatte die Klappe des Hühnerhauses noch nicht geöffnet, weil sie Angst hatte, dass Bensha die Hühner jagen würde, wenn sie sie draussen herumspazieren sah.
Während ich ins Hühnerhaus ging, um den Hühnern aufzumachen, blieb meine Grossmutter mit Bensha an der Leine draussen und wartete, bis die ersten Hühner auf dem Hof erschienen. Aber wie schon bei unserem Waldspaziergang blieb auch jetzt Bensha ganz ruhig und tat so, als wäre sie sich das alles schon gewohnt.
Meine Grossmutter war sehr erstaunt und meinte nur:
«Ein interessanter Hund!»
Einen Tag später kamen meine Eltern, um mich abzuholen. Bensha war immer noch da und es hatte sich niemand auf die Anzeige gemeldet, obwohl sie von mehreren anderen Dorfbewohnern geteilt wurde.
Ich hatte zum ersten Mal so richtig keine Lust, nachhause zu gehen. Und als ich mich von meiner Grossmutter verabschiedete, spürte ich einen Kloss im Hals. Ich sah zu Bensha hinunter, die vor uns sass und uns mit ihren dunklen Augen eindringlich ansah.
«Ich werde dich auf dem Laufenden halten», sagte meine Grossmutter.
Die ganze Woche dachte ich ohne Unterbruch an Bensha. Vielleicht war sie schon nicht mehr da und meine Grossmutter wollte es mir nur nicht sagen. Vielleicht war sie schon wieder dort, wo man sie nicht ins Haus nahm und ein viel zu enges Halsband tragen liess!
Aber die Woche verging und noch eine und noch eine und noch eine und Bensha war immer noch bei meiner Grossmutter. Sie freute sich jedesmal riesig, wenn ich auf Besuch kam. Ich spielte mit ihr, warf ihr Tennisbälle und Holzsteckchen, rannte mit ihr durch den Wald und raufte mich mit ihr am Boden. Bensha war unersättlich, was spielen und sich streicheln anbelangte. Sie konnte von beidem nicht genug kriegen.
Es war ein Samstagnachmittag und meine Grossmutter und ich sassen am Küchentisch und assen eine Mahlzeit, als das Telefon klingelte.
Zu Anfang hörte ich nur mit halbem Ohr zu, aber von einem Moment zum anderen spürte ich eine bleierne Schwäche in meinen Knien und wieder den tiefen Kloss im Hals, als ich zu verstehen begann, worüber meine Grossmutter am Telefon sprach. Sie sprach über Bensha! Das war kein gutes Zeichen!
Nachdem meine Grossmutter das Telefongespräch beendet hatte, kam sie in die Küche zurück und blickte mich ernst an.
«Das war der Besitzer von Bensha», sagte sie mit ausdrucksloser Stimme.
«Er wird in zehn Minuten hier sein.»
«Nach all den Wochen??» japste ich. «Warum kümmert er sich erst jetzt darum? Warum weiss er, dass sie hier ist?»
«Es ist Jack Boivert, ein Farmer, der ungefähr zehn Kilometer von uns entfernt wohnt. Unsere Nachbarin hat ihm erzählt, dass wir einen Hund gefunden haben. Sie kauft bei ihm das Fleisch und hat bemerkt, dass er nur noch einen Hund hat, obwohl es sonst immer zwei waren.»
«Warum muss sie unbedingt bei ihm das Fleisch kaufen??» Ich spürte einen tiefen Schmerz in mir aufsteigen.
«Victor hör zu», sagte meine Grossmutter, «es ist besser, wir klären die Dinge jetzt und es ist besser, wenn sich unsere vielen Fragen in Bezug auf Bensha beantworten lassen.»
«Aber er wird sie mir wegnehmen!» heulte ich auf.
Meine Grossmutter legte mir ihre Hände auf beide Schultern, blickte mir tief in die Augen und sagte:
«Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen!» dann drehte sie sich um und ging nach draussen, um Bensha zu rufen, die auf dem Balkon in der Sonne schlief.
Wir behielten Bensha im Haus, bis der Mann mit seinem Pick-up vorfuhr.
«Er wird sie einfach wortlos mitnehmen, wenn er sie draussen sieht», sagte meine Grossmutter
«Ich kenne diese Art von Menschen! Aber nun ist er gezwungen, an die Türe zu kommen und mit uns zu sprechen.»
Ein älterer Mann mit Hut und Arbeitskleidung sprang aus dem Wagen und marschierte auf unsere Haustüre zu.
Meine Grossmutter öffnete und liess ihn hereintreten. Sie schüttelten sich die Hände und Bensha kam aus der Küche, um zu sehen, wer an der Türe war.
Sie zögerte ein paar Sekunden und mir entging nicht, wie haarscharf meine Grossmutter die folgende Szene nun beobachtete.
Der Mann sagte mit superfreundlicher Stimme:
«Heja! Da ist ja mein Hundi, na da ist ja meine Beste!» und er beugte sich zu Bensha nieder, um sie zu flattieren. Bensha war freundlich, wedelte mit dem Schwanz und zeigte deutlich, dass sie den Mann erkannte. Aber das wars dann auch schon. Kein Vergleich zu dem Freudentanz, den sie jedesmal aufführte, wenn ich meine Grossmutter besuchte.
Der Mann begann uns langatmig zuerzählen, wie es dazu kam, dass Bensha davongelaufen war. Er schien nach Ausreden und Erklärungen zu ringen und es kam mir grad so vor, als versuchte er sich mit seinen eigenen Argumenten zuüberzeugen.
«So, so», sagte meine Grossmutter sinierend.
«Weisst du Jack, es ist dein Hund und es ist mir schon klar, dass du sie wieder haben willst, aber denk darüber nach. Mein Enkelsohn hat mit dem Hund eine enge Beziehung aufgebaut. Sie ist nun schon so viele Wochen bei uns und sie fühlt sich zuhause und für uns ist sie wie ein eigener Hund ...»
Jack Boivert spielte nervös mit dem Hut in seinen Händen und meinte:
«Ich muss mit meiner Frau sprechen, sie wird es nicht mögen, wenn ich ohne Hund zurückkomme.» Er grapschte nach seinem Handy und wählte die Nummer. Vergebens wartete er auf eine Antwort.
Unterdessen stand Bensha auf und verschwand in der Küche. Ich sah gerade noch, wie meine Grossmutter süffisant grienste. Auch der Farmer hatte das mitgekriegt und fühlte sich gar nicht mehr wohl in seiner Haut. Wie kam es, dass SEIN Hund nach wochenlanger Abwesenheit sich offensichtlich keinen Deut um ihn scherte und unser Gespräch und seine Präsenz im Korridor vor der Haustüre äusserst langweilig fand.
Meine Grossmutter packte den Stier bei den Hörnern und wollte offensichtlich von Jacks Unsicherheit und der Situation profitieren. Ohne weiteres Tam-tam fragte sie:
«Wie viel willst du für den Hund?» Und Jack tappte arglos in die Falle und erwiederte wie aus der Pistole geschossen:
«Also 200 Dollar müssen es schon sein!»
Meine Grossmutter drehte sich wortlos um und verschwand im Haus. Keine dreissig Sekunden später tauchte sie wieder auf. Ich war mir nun sicher, dass sie sich schon vorab für diese Eventualität vorbereitet hatte.
In ihrer rechten Hand hielt sie eine kleine Rolle Banknoten. Sie öffnete sie und zählte direkt in die Hand des Farmers zweihundert Dollar ab.
«sind wir quitt?» fragte sie. Aber die Antwort erübrigte sich, da Jack das Geld ohne zögern angenommen hatte.
«Na dann ...» sagte Jack verlegen, setzte sich den Hut auf seinen Kopf und drehte sich kurz Richtung Korridor, wo Bensha verschwunden war. Aber von seinem ehemaligen Hund fehlte jede Spur.
Ich hielt den Atem an, bis der Mann das Haus verlassen und in seinen Pick-Up gestiegen war. Dann warf ich mich mit einem Freudenschrei in die Arme meiner Grossmutter.
«Oma, du bist die Beste!» schrie ich wie ein Wilder. Bensha kam angerannt und sprang übermütig an uns hoch, als hätte sie alles ganz genau verstanden. Meine Grossmutter lachte laut und sagte:
«Dem hab ichs aber gegeben, nicht wahr?»
«Im wahrsten Sinne des Wortes Oma!» bestätigte ich.
«200 Dollar für einen Mischlingshund ist einen Haufen Geld!»
«Genau!» sagte meine Grossmutter, «es ist das teuerste Geburtstagsgeschenk, das ich dir je gemacht habe!» sie lachte schallend.
«Das heisst, dass Bensha tatsächlich mir gehört?» fragte ich ungläubig.
«Ja Bensha gehört dir, aber ich glaube wir sind uns einig, dass es ihr hier auf der Farm besser geht, als bei dir zuhause in der Stadt.» Sie zwinkerte mir zu und drückte mich fest in ihren Armen.
«Ja Oma, einvestanden und weisst du was, das ist nicht nur das teuerste Geschenk, das du mir je gemacht hast, es ist auch das beste! Das beste überhaupt!» sage ich.