Manchmal ist mein Einfluß auf meinen Schatz bemerkenswert! Und dieses Mal hatte er wohl nicht einmal eine Chance, sich dem zu entziehen, wenn er es gewollt hätte. Wie er damit umgeht? Lassen wir ihn selbst erzählen!
Die Macht des Unterbewußtseins
In dieser Nacht hatte ich einen skurrilen Traum. Er war so real, daß er erschreckend war, und es stand außer Frage, daß meine wundervolle Freundin ihn ausgelöst hatte. Das wundervoll meine ich im übrigen nicht ironisch! Aber für das, was sich mein Geist heute Nacht zusammengereimt hat, könnte ich sie fast hassen…
Der Traum begann so: Ich befand mich in einer weißen Wolkenlandschaft. Ich, das bedeutet in diesem Fall, mein reines Bewußtsein, das sich in einem leuchtenden Körper aus reinem Licht befand, unsere Gestalt, bevor wir auf die Welt kamen.
Überall auf dem nebelhaften Raum zwischen den Wolken waren leuchtende Gestalten wie ich, Seelen, die auf den Planeten unter uns geschickt werden sollten. Noch waren wir Rohlinge, und mußten erst mit unseren Eigenschaften gefüllt werden. Wir konnten uns aussuchen, wie wir sein wollten. Wir mußten es nur sagen. Doch wir mußten auch sparsam umgehen, da nicht von allen Eigenschaften genug für alle Rohlinge da war.
Wir alle wollten so schnell wie möglich auf die Welt hinunter. Also suchten wir uns aus, was wir am besten gebrauchen konnten. Nächstenliebe fand ich ganz passend, auch ein bißchen Mut, Spontanität und Niedlichkeit konnten nicht schaden. So ging ich, wie die anderen Seelen, von Stand zu Stand und ließ mich von den Himmelswächtern beraten.
An dieser Stelle unterbreche ich die Erinnerung an meinen Traum einmal. Sicher wollt ihr jetzt wissen, was Lia damit zu tun. Nunja…
Sagen wir einmal so, bis hierhin war der Traum schon skurril genug, insbesondere, wenn man ihn so klar durchlebte. Bevor ich erzähle, wie es in dem Traum weiterging, muß ich aber einmal etwas aus meinem Leben erzählen, damit ihr den Zusammenhang versteht!
Ich denke, wir alle sind uns einig, daß Komplimente etwas tolles sind, und daß man es nicht so mag, wenn jemand einem seine Schwachstellen präsentiert.
Es gibt zwei Dinge, die ich von Lia oft genug zu hören bekomme. Das eine ist das Kompliment, meistens in der Art von „Du bist so hübsch, daß 98 Prozent der Weltbevölkerung neidisch auf dich sein könnten. Inklusive der Frauen.“ Wie sie darauf kommt, weiß ich nicht, ich selber habe mich immer als recht durchschnittlich eingestuft, aber diese Variante kam, neben den üblichen Bemerkungen, wie hübsch oder attraktiv ich sei. Sagen wir es mal so, auch wenn ich denke, daß sie maßlos übertreibt, genieße ich es schon, wenn meine Freundin das so sieht…
Das andere war die Schwachstelle, die sie mir oft genug aufzeigt, und da hat sie Recht: Mein mangelndes Selbstbewußtsein. Ich bin noch nie sehr selbstbewußt gewesen, oder hatte ein großes Selbstwertgefühl, was sicher auch an meiner Vergangenheit und meinen Familienverhältnissen liegt, die mir die Kindheit nicht gerade einfach gemacht haben. Es ist schon besser geworden, denke ich, gerade durch Lia (nicht zuletzt auch dank ihrer oben beschriebenen Komplimente), aber so ganz werde ich es wohl mein Leben lang nicht los. Damit habe ich mich arrangiert. Sie aber nicht. Und so macht sie mich immer wieder darauf aufmerksam, wo ich zu wenig für mich einstehe und mich in die Ecke drängen lasse.
Mein Traum ging folgendermaßen weiter:
Uns Seelenrohlingen wurde gerade Attraktivität, ein hübsches Äußeres und Charme angeboten, und das hielt ich für eine gute Idee, so griff ich gleich zu, als sich die Gelegenheit ergab. Und da es die Eigenschaften im Sparpack gab, und ich mir dachte, daß man damit nichts falsch machen kann, rief ich noch ein paar Mal „Hier“, bis ich mir ein gutes Dutzend Anteile davon gesichert hatte. Ich hatte aber nicht gemerkt, daß ich meine Mitseelen um mich herum dadurch gerade gegen mich aufgebracht hatte.
Es war, als ich gerade an dem Stand für Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stand, als sich eine Hand auf das letzte Paket knallte, gerade, als ich es mir nehmen wollte. Als ich mich umsah, bemerkte ich neben mir einen grimmigen Rohling, der schon ein Kontingent davon hatte, und mir zuzischte: „Und das bekommst du nicht!“
Ich bekam keine Gelegenheit mehr, darauf zu reagieren, weil wir im nächsten Schritt auf die Erde geschickt werden sollten.
Der Vorgang war ebenfalls mit viel Licht verbunden, und als Resultat stand ich in meiner Uniform auf dem U.N.I.T.-Campus, und neben mir der Rohling, den ich verärgert hatte, und der sich deswegen bei mir revanchiert hatte: Captain Mike Yates! Da stand ich also nun mit meinem Talent, einer Menge Charme und Attraktivität, und Null Selbstbewußtsein, und neben mir der Captain, der von letzterem eine doppelte Portion hatte! Ich wußte nicht, daß man im Traum so intensive Gefühle von Minderwertigkeit haben kann. Aber immerhin, zum ersten Mal in meinem Leben wußte ich, wo es herkam! Im Grunde war ich ja sogar selbst schuld…
Der Traum wurde um so realer, als wir die Wolkenumgebung verlassen hatten, und in unserer wahren Gestalt in unserem Leben gelandet waren. Mir fiel nicht einmal auf, daß meine Erinnerungen an die Wolkenwelt und das, was bis dahin in meinem Traum passiert war, keinen Sinn ergaben. Ich nahm es für bare Münze. … Ich erwachte aus meinem Traum weinend…
Lia hatte irgendwann bemerkt, daß etwas nicht stimmte, und gerade als ich nach einer sehr selbstsicheren Abfuhr von Captain Yates, welche von einem passenden Grinsen begleitet war, schluchzend auf die Knie sank, hatte sie interveniert und mich geweckt.
Ich konnte ihre besorgte Miene im Halbdunkel sehen. Als ich mir meiner Umgebung wieder bewußt wurde und realisierte, daß alles nur ein Traum gewesen war, konnte ich nicht anders. Ich sah ihr in die Augen und sagte nur: „Du bist schuld!“