In der Nacht hatte es zum ersten Mal gefroren. Samachou beklagte sich mit keiner Silbe, aber Craux konnte sehen, wie sie zusammenzuckte, wenn sie den rechten Arm bewegte. Wenn er sich konzentrierte, glaubte er, ein sehr leises Pfeifen zu hören, wenn sie atmete.
Am Vorabend hatte er noch überlegt, ob er die Sache geheimhalten sollte. Aber es konnte so nicht weitergehen.
Als sie sich wieder auf den Weg machten, blieb er mit Laire ein wenig zurück. Samachou war weiter vorn und schlug mit einem Stock lustlos nach den letzten Brennnesseln des Herbstes. Sie benutzte nur den linken Arm dazu. Craux wollte sie aufmuntern, aber auf keinen Fall wollte er ihr Hoffnungen machen und sie dann enttäuschen müssen.
„Gestern Abend“, sagte er mit gesenkter Stimme zu Laire. „Als ich laufen war. Da habe ich eine Hütte gefunden.“
Laire warf den Kopf herum, war aber geistesgegenwärtig genug, ebenfalls leise zu sprechen. „Wo?“
„Für mich eine Stunde entfernt, für dich vielleicht zwei Tagesreisen. Der Weg führt nach oben in die Berge, dort gibt es einen Fluss. Und neben einem Wasserfall steht diese Hütte.“
„Ist sie bewohnt?“, fragte Laire.
Er wand sich ein wenig. „Es kam kein Rauch aus dem Kamin und ich konnte drinnen nichts hören. Wie denn auch, mit dem verfluchten Wasserfall direkt daneben. Aber die Hütte sah etwas zu gut in Schuss aus, um verlassen zu sein.“
„Gut in Schuss? Genau das brauchen wir.“
„Ja, aber wenn jemand dort wohnt?“
„Wir müssen herausfinden, ob es so ist oder nicht."
„Wir würden zwei Tage dorthin brauchen, und der Weg ist nicht ungefährlich. In den Bergen könnte es jederzeit stürmen, besonders zu dieser Jahreszeit.“
„Vielleicht solltest du erst einmal allein nachsehen.“
„Das geht nicht“, sagte Craux sofort.
„Es würde genügen, kurz durch ein Fenster hineinzuspähen“, sagte Laire ruhig. „Oder nahe genug heranzugehen, um an der Tür zu lauschen.“
Sein Herz begann, zu rasen. „Und wenn Magier dort sind?“
„Es werden keine Magier dort sein, nicht in einer Hütte irgendwo in den Bergen, wo weit und breit keine Siedlung ist. Wenn überhaupt, lebt dort ein Einsiedler, der …“
„Was, wenn der mich sieht? Und irgendwo muss es wenigstens einen kleinen Ort mit einer Poststelle geben, wenn nicht einer Polizeistation. Da sind Magier. Und wenn die mich finden? Wenn … Wenn sie … Ich gehe nicht zurück.“
„Du gehst nicht zurück, Craux. Weil niemand dich erwischen wird.“
Er musste stehenbleiben, weil seine Knie so weich waren und er nicht mehr atmen konnte. Vor seinen Augen verschwammen die Bäume und blitzten im nächsten Moment wieder auf, mit magisch geschärfter Sicht, die jedes Blättchen und jede Maserung der Rinde glasklar und mit beißenden Kontrasten zeigte.
„Du gehst nicht zurück“, sagte Laire, die neben ihm stehengeblieben war. „Es ist nur eine Hütte. Entweder lebt dort ein harmloser alter Nichtmagier, dann kannst du schneller wieder wegrennen, als der weiß, wie ihm geschieht. Oder es lebt einfach niemand dort und wir haben eine Unterkunft für den Winter. So oder so wird niemand dich erkennen. Du bist weit genug weg von Haudlout, sogar von Qutersson. Und du gehst nie wieder zurück.“
Sein Herzschlag beruhigte sich nur sehr langsam wieder. Vor ihnen hatte Samachou innegehalten und sah wachsam zurück. Craux bemühte sich, sich zusammenzureißen. Es war doch in letzter Zeit so gut gelaufen mit ihm. Sie sollte nicht glauben, er hätte wieder Aussetzer, nur, weil es stimmte.
Er holte tief Luft und wandte sich wieder an Laire. „Es wäre wirklich das Klügste, wenn ich zuerst gehe. Und ich weiß, dass es wahrscheinlich völlig ungefährlich ist. Ich weiß. Aber was, wenn … wenn mir dort allein wieder so etwas passiert wie jetzt gerade? Ich kann mich auf mich selbst nicht verlassen.“
Sie lächelte. „Wenn es hart auf hart kommt, kannst du das, Craux. Ich vertraue dir.“
Er lachte mit einem Anflug von Hysterie. „Du hast mir schon immer mehr vertraut als ich mir selbst.“