Stichwort: Klammer (2021-10-05, 5. writetober)
Ihre große fleischige Nase war von diversen Brüchen gezeichnet, ihre Wangen waren eingefallen und ihre Haut hatte einen schmutzig, kränklichen Gelbton angenommen.
Shannon sah aus, als hätte Sie sich eine Form der Hepatitis eingefangen.
Vermutlich stimmte das sogar, wäre bei ihrem Lebenswandel nicht weiter verwunderlich.
Bei irgendeinem ihrer zahlreichen Abenteuer, musste Sie sich angesteckt haben.
Vielleicht bei dem Obdachlosen, der unbedingt Geld gebraucht hatte.
Nicht, dass Sie dieses Klientel bevorzugen würde, aber Shannon war schwach vor Hunger und daher nicht sehr wählerisch gewesen. Könnte natürlich auch der Türsteher mit dem Sie hinter den Mülltonnen … , oder der Sportler, dessen Doping verseuchtes Blut Shannon allerdings sofort wieder ausgespuckt hatte gewesen sein.
Shannon hatte noch etwas an ihren Wunden herum gezupft, bevor sie damit begonnen hatte eine Klammer nach der Anderen zu lösen. Als Leiche, musste man sich schließlich keine großen Sorgen um Krankheiten machen und verbluten war auch eher unwahrscheinlich. Nur besser aussehen würde sie nicht.
Schon zu Lebzeiten, war Shannon alles andere als hübsch gewesen.
Die Nase war zu groß, das Kinn zu spitz, der Körper zu unförmig und ihre Augen, sie waren tiefgrün immerhin, hätten einer Kuh Konkurrenz machen können.
Menschen konnten grausam sein, Shannon hatte es schwer gehabt.
Bis ein Klassenausflug alles verändert hatte.
Ihre Mitschüler, hatten Sie einer Mutprobe wegen, Shannon hatte eben dazugehören wollen, in eine Höhle geschickt. Kurz vorm Morgengrauen und mitten im Wald.
Nur einmal cool sein, war das denn zu viel verlangt?
Die Fledermäuse waren unerwartet aggressiv gewesen.
Für diesen Regelverstoß, ihre Mitschüler hatten Sie verpetzt was auch sonst?, hatte die Lehrerschaft Shannon nach Hause geschickt.
Durch die Bisse waren unbekannte Viren und Bakterien übertragen worden, die Sie binnen weniger Monate unter die Erde gebracht hatten.
Doch Shannon war nur solange tot gewesen, wie die Erreger für die Umstrukturierung gebraucht hatten. Ihr Körper funktionierte nun auf einer völlig anderen Basis.
Um jedoch am Unleben bleiben zu können, musste Sie trinken.
Sprudelndes, warmes, frisches Blut aus welchem die Bakterien Nährstoffe gewannen.
Die daraus entstehenden Abfallprodukte wurden von den Viren aufgenommen und mit dem verändertem Blut im ganzen Körper verteilt. Eine perfekte Dreiecksbeziehung so zu sagen. In den letzten Monaten ihres Lebens und den ersten des Unlebens, hatte Sie davon jedoch nichts zu spüren bekommen. Das Sterben war nicht lustig gewesen.