Rating: P16 (Horror)
Nach dem Prompt „Glühwürmchen/Irrlicht“ der Gruppe „Crikey!“
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Ein Gesang schwebte auf dem Wind, der jedes Ohr verzückte, das ihn vernahm. Doch es gab nur wenige Lauscher, nur den Jungen, der im Garten vor dem kleinen, von rankenden Rosen überwucherten Haus seiner Eltern saß und spielte.
Nun stockte das Kind und sah auf. Es ließ sein Spielzeug sinken, das aus Holzpferden bestand, die sein Vater ihm geschnitzt hatte, erhob sich und tapste mit wankenden Schritten auf den Wald zu.
Lichter erglühten lockend unter den Wipfeln. Mit großen Augen folgte das Kind ihnen zwischen die Moospolster des uralten Hains. Der Junge kletterte durch den Holzzaun und ignorierte die Warnschilder.
Vorbei an Bachläufen und uralten Stämmen wanderte das Kind in die Dunkelheit des Forsts. Der Gesang schwoll an und mit ihm ein Geläut wie von winzigen Glöckchen, bis der Junge schließlich eine große Lichtung erreichte. Hier erhob sich ein moosüberwucherter Findling im Licht des Mondes - denn die Sonne war bereits gesunken.
Nun fröstelte das Kind und blickte sich fragend um, wie aus einem Traum erwacht. "Mama? Papa?"
Der Gesang verstummte, doch immer mehr Lichter zeigten sich im Geäst der hohen Bäume. Eine Art Surren erklang, als die Irrlichter sich in Bewegung setzten, zu einer Wolke verdichteten und zu Boden schwebten, ehe sich das Käfergewirr auflöste. Aus der Wolke trat eine dunkelgekleidete Frau mit gräulichen, dürren Gliedmaßen und rotverschmierten Lippen. Sie trat auf den Jungen zu, der sie zunächst hoffnungsvoll ansah und dann zurückwich, als sie grinste und lange, spitze Zähne offenbarte. Ihr dunkles Haar wogte hinter ihr wie ein Schleier.
"Mama ... Mama!" Der Junge wich zurück, doch nicht schnell genug. Eine Hand mit spitzen, dunkel eingefärbten Klauen schoss vor und zerrte ihn zur Frau. Ein spitzer Schrei erklang, als sie sich über das Kind beugte. Ihre Haare bauschten sich wie in einem Sturm und verdeckten den Blick auf den Jungen, und dann erhob sich erneut ein Brausen.
Ein Schwarm kleiner Insekten stieg auf. Im Moos lag nichts als einige Fetzen Stoff, von dem Kind oder der Frau war keine Spur geblieben.
Die Insekten setzten sich ins Geäst der Bäume und leuchteten. Ihr schwacher Gesang wehte bis herüber zum Waldrand, wo ein Vater mit wachsender Verzweiflung nach seinem Sohn rief, die finsteren Geschichten über den Schrecken des Spätsommers im Kopf, der im Wald lauern sollte.