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Nach dem Prompt „Großer Roter Drachenkopf“ der Gruppe „Crikey!“
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Mit nervösem Blick bedachte Caard die weißen Säulen der Geysire. Die Hitze der winzigen Vulkane drang durch die kühlen Wellen bis zu ihm.
Der Weg zwischen den Luftblasen hindurch war ihm vertraut. Seit er ein kleines Kind war, war er hier geschwommen. Doch heute, drei Tage nach seiner Volljährigkeit, betrachtete er sie mit neuer Furcht, während ihm die Worte seines Vaters durch den Kopf gingen.
"Wenn sie dich erwischen, steck sofort deine Hand hinein. Die Geysire sind heiß, aber glaub mir, die Hitze ist besser, als wenn das Gift sich ausbreitet. Das ist es wert."
Als Meersaumelker hatte Dimaru, Caards Vater, fast immer rotverbrühte Hände. Und trotz dieser Maßnahmen kam es immer wieder vor, dass er sich in einem unvermittelten Krampf beugte, weil das Gift trotz der Hitze noch Monate nachwirkte.
Caard schluckte nun doch. Er hatte sich auf diesen Tag gefreut. Trotz ihrer Gefährlichkeit war er wildentschlossen gewesen, in das Kielwasser seines Vaters zu schwimmen. Meersau-Gift war zwar nur unter Risiko zu beschaffen, doch es war auch wertvoll. Eine Basis für Heiltränke und Alkohol, für Salben und Gewürze und in Form entgifteter Rückstände auch als schwachen Leim oder Schutzschicht für Oberwelt-Stahlwaffen, die sonst im Salzwasser rosten würden.
Caards Eltern hatten ihn ermutigt, Austernsammler oder Korallengärtner zu werden, doch er hatte sich entschieden, ihnen auf dem Hof zu helfen. Heute nun war der Tag, da ihm die vertrauten Algenweiden auf der Seite des Berges zwischen den Geysiren mit einem Mal düster, fremd und viel größer erschienen.
Er hielt an, als er einen der großen, stacheligen, roten Fische unter sich erblickte, und flatterte nervös mit den Kiemen. Er trieb eine Körperlänge über der Meersau und zögerte.
Mit ruhigen Flossenschlägen schwamm sein Vater neben ihn und drückte ihm den Eimer in die Hand. "Bereit?"
Suchend sah er in Caards Augen. Der bemühte sich um einen furchtlosen Blick und nickte.
Dann schwamm er hinab und über den Fisch. Dieser war vor den roten Algen kaum zu erkennen. Ein natürliches Tal mit steilen Felswänden bot den bodenlebenden Fischen eine Heimat. Sie tarnten sich im dichten Algengestrüpp und lauerten auf Krebse oder Fische.
Oder Hände.
Caard wusste, dass sein Schatten den Fisch alarmierte. Er packte den Eimer fester und ließ noch einmal Wasser durch seine Kiemen strömen.
Dann beugte er sich vor und griff nach der Schwanzflosse, wie er es tausende Male bei seinem Vater beobachtet hatte. Der Fisch zappelte im Griff des jungen Meermenschen und stellte die Stacheln auf. Flink stülpte Caard ihm den Eimer über und ließ los, ehe das Gift ihn erwischen konnte.
Wenig später huschte die Meersau eilig in die Algen und Caard drehte den Eimer um. Milchiges Gift trieb darin. Er grinste stolz.
"Zumachen", rief Dimaru ihm in Erinnerung.
Mit einer großen Alge verschloss Caard den Eimer und sperrte das noch verwässerte Gift darin ein. Sein Vater schwamm neben ihn.
"Hat er dich gestochen?"
Caard grinste und schüttelte den Kopf.
"Alle Achtung! Du bist ein Naturtalent, junger Mann." Sein Vater klopfte ihm auf die Schulter. "Dann bringen wir die Ernte mal zur Presse."
Caard entspannte die Kiemen, als sie wieder hochschwammen und die Geysire passierten. Er hatte es überstanden, ohne sich stechen zu lassen. Wenn man seinem Vater glaubte, war es nur eine Frage der Zeit, bis es doch einmal passierte. Aber das war der Preis, den sie zahlen mussten, um anderen zu helfen. Und er war stolz auf diese Arbeit.