Du bist Brenna Sundergeer.
Angespannt betrachtest du die Symbole. Hinter dir tobt der Kampf. Das Dröhnen eines Warnhorns lässt die Wände vibrieren, was du sogar in der leicht verlangsamten Zeit wahrnimmst. Eure Angreifer rufen Verstärkung. Einer steht weiter hinten und bedient ein schmales, in eine Goldfassung gesetztes Horn, während der Rest Elred und Karja bedrängt. Drei Angreifer liegen bereits. Der schmale Gang bietet deinen Freunden einen deutlichen Vorteil, aber es sind immer noch sechs Gegner, die aktiv gegen sie kämpfen, und mehr sind unterwegs. Karja schlägt wild um sich, doch sie strauchelt immer auffälliger. Sie wird nicht mehr lange kämpfen können. Und gegen diese Übermacht schon gar nicht!
Du wendest dich vom Kampf ab und ergreifst den steinernen Riegel. Du hast nur diese Chance und es gibt keinen Grund, zu zögern. Gleich ist alles vorbei, zum Guten oder zum Schlechten.
Mit einem Ruck drehst du den Hebel und stellst die Pflanze ein.
Ein Knirschen erklingt. Der Boden bebt. Dann folgt ein lauter Schrei von dem Angreifer, der eben das Horn geblasen hatte.
Die Wand direkt vor dir hebt sich mit einem Mal an und rumpelt ganz langsam nach oben, mitsamt der Mechanik zum Öffnen. Goldenes Licht und etwas Staub dringen dahinter hervor, als sich ein breiter Eingang zur Schatzkammer öffnet.
Du duckst dich hinein, noch bevor die Wand gänzlich oben ist, und stürmst voran. Du bewegst dich wie im Wasser, noch immer von Elreds Zauber erfasst, doch du merkst, dass dieser nachlässt, je weiter du dich aus dem Sichtfeld des Elfens entfernst.
Gold und Edelsteine ignorierst du, denn du hast ein Podium in der Mitte ausgemacht, auf dem ein orange-goldener Stein liegt, eingefasst in eine breite, kupferne Kette und verziert mit einigen grünen Steinchen. Du ergreifst die Kette, die aus mehreren, über dünne Ketten miteinander verbundenen Platten besteht, und streifst sie über.
Eure einzige Hoffnung ist nämlich, dass der Stein eine hilfreiche Kraft hat und einen von euch ruft.
Sobald sich das Gewicht der Platten auf dein Brustbein senkt, hast du ein merkwürdiges Gefühl, als würde ein Freund dir die Hand auf die Schulter legen. Es ist dir, als hättest du genau gewusst, dass der Stein dich ruft.
Als hätte er dich bereits durch die Tür gerufen.
„Der Stein ruft Brenna!“, hörst du Karja jubeln. Sie hat dich nicht aus den Augen gelassen und durch die Türöffnung beobachtet, wie du ihn überziehst. Die Wachen der Pyramide haben vor Entsetzen in ihrem Angriff innegehalten, nun stürmen sie wieder vor.
„Gedankenkontrolle!“, ruft Karja dir zu, ehe sie sich wieder dem Kampf zuwendet.
Also hebst du die Arme, konzentrierst dich auf die Wachen und befiehlst ihnen, zu erstarren. Tatsächlich halten sie mitten in der Bewegung inne. Einige fallen gar, weil sie auf einem Bein standen, zu weit zu einer Seite verlagert. Ohne Zögern schlachten Karja und Elred sie ab.
Ihr rennt zurück auf den Gang, wo gerade weitere Wachen aus den Seitengängen treten. Es sind hunderte. Ihre Augen weiten sich, als du ihnen jede andere Bewegung verbietest. Energie kocht durch deine Adern, während ihr rennt und so viele Feinde wie möglich fällt. Durch ein Gewirr starrer Personen rennt ihr, langsam, weil Elred immer noch zaubert. Du hältst die Hand der Piratin, ohne zu wissen, wann du sie ergriffen hast. Aber du würdest um nichts in der Welt loslassen.
Dann erreicht ihr den Pyramideneingang. In der Hitze taumelst du keuchend.
„Wir müssen uns beeilen. Deine Kraft reicht nicht ewig!“, drängt Karja. Sie klingt betrunken, auch eine Auswirkung der verlangsamten Zeit.
„Ich weiß, wohin wir müssen.“ Elred läuft bereits los. Ihr folgt ihm, vorbei an Pyramiden und manchmal an Karawanen, die euch fragend ansehen. Nicht alle scheinen zu wissen, wer ihr seid, aber wenn du siehst, dass sie euch angreifen wollen, lässt du sie erstarren.
Du könntest sie vermutlich zwingen, sich gegenseitig zu töten, aber diesen Befehl müsstest du jedem Einzelnen geben, jedem sagen, wen er töten soll, oder sie würden ihre Angriffe auf euch konzentrieren.
Und dafür hast du weder Lust noch Kraft. Müde stützt du dich auf Karja. Sie zieht dich mit sich und behält dich besorgt im Blick.
„Halte durch, Brenna.“
Am Rand der Pyramidenstadt gibt es Ställe. Hier schnappt ihr euch zwei Kamele und Wasser, dann schwingt ihr euch zwischen die Höcker der Tiere. Karja nimmt dich vor sich. Du spürst ihren Arm um die Taille und drehst den Kopf, um ihn gegen ihre Schulter fallen zu lassen.
„Brenna?“, fragt sie dich besorgt, während Elred sein Kamel in die Wüste jagt. Hoffentlich kennt er den Weg …
Statt Karja zu antworten, reckst du den Kopf und küsst sie. Vielleicht bist du wirklich betrunken, berauscht von der Macht des Steins und verwirrt durch die einsetzende Erschöpfung. Deutlich nimmst du wahr, wie die Piratin sich versteift, und merkst Sorge heraufkriechen, Furcht und Scham. Dann drückt sie dich fest an sich und erwidert den Kuss zärtlich.
„Brenna …“, murmelt Karja dann, doch deine Lider flattern. Du kannst nichts sagen.
Stumm wirfst du einen letzten Blick auf die goldenen Spitzen im Sand, die sich dunkler verfärben. Eine Ohnmacht holt dich ein und du sinkst in Karjas Arm zusammen.
Nie zuvor hast du dich so geborgen gefühlt. Es wäre dir sogar egal, wenn du jetzt an den Folgen der Magie stirbst.
Dies ist das Canon-Ende für Brennas Teil!
Lies weiter im Epilog.
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Achtung: Die Romantik-Optionen enden mit diesem Kapitel. Ab jetzt kehren wir zum nicht-romantischen Canon zurück, doch im nächsten Buch geht es weiter.