Als er die Tür zu seinem neuen Quartier öffnete, wappnete sich Araco für die Begegnung mit Aelius. Es saß ihm immer noch wie ein Stein im Magen, dass der Mann, der nun sein erster Offizier sein sollte, die Stube des Präfekten mit einem unübersehbaren Groll verlassen hatte.
Doch Aelius war nicht im Offiziersquartier. Also trat Araco wieder auf die Straße hinaus und gab dem nächsten Wachsoldaten den Befehl, den Duplicarius zu suchen. Nicht, dass er sich nach dessen Gesellschaft gesehnt hätte, doch sein Fehlen war ein Verstoß gegen die Disziplin. Der Unteroffizier hatte anstehende Aufgaben mit seinem Decurio zu besprechen, bevor er seinen Pflichten bei den Soldaten nachging.
Letzteres hatte er wohl auch getan, denn die Wache hatte ihn auf dem Übungsplatz gefunden, wo er die Reiter Speerübungen ausführen ließ. Doch auch nach Erscheinen des Wachsoldaten hatte er keine Anstalten gemacht, sofort in die Stube zurückzukehren, sondern diesen mit einer fadenscheinigen Ausrede zurückgeschickt.
Araco würde Aelius disziplinieren müssen. Bei der Aussicht darauf drehte sich ihm der Magen um.
Es war später als nötig, als Aelius endlich durch die Tür trat. Immerhin war er so klug, nichts zu sagen. Er blieb vor dem Tisch, an den Araco sich gesetzt hatte, stehen, grüßte, was eher wie eine pure Geste des Hohns wirkte, und wartete.
Araco schickte Pinus hinaus, erhob sich und umrundete den Tisch bis er Aelius dicht gegenüberstand. Nun war es von Vorteil, dass er so groß war, denn dass Aelius zu ihm aufschauen musste, war ihm eine Genugtuung.
„Ich denke, ich brauche Euch nicht an Eure Pflichten zu erinnern“, begann er. „Und auch nicht daran, dass Ihr sie heute aufs Empfindlichste verletzt habt.“
Aelius antwortete nicht, wich seinem Blick aber auch nicht aus.
„Hättet Ihr die Güte, mir zu erklären“, fuhr Araco mit trügerischer Ruhe fort, „was Euch dazu bewogen hat meine Autorität auf eine solche Weise in Frage zu stellen?“
Man sah Aelius an, dass er am Liebsten ein abfälliges Geräusch von sich gegeben hätte, doch er antwortete ebenso ruhig: „Ich bin schon eine ganze Weile Duplicarius. Ich weiß, was zu tun ist, und ich weiß, woran es in der Sechsten fehlt. Ich wollte Euch nicht damit behelligen. Herr.“ Das letzte Wort würgte er heraus wie einen unverdaulichen Bissen.
Araco ballte eine Faust, so fest, dass sich seine Nägel in seine Handfläche bohrten.
„Woran es in der Sechsten fehlt, und was zu tun ist, entscheide ich. Ich werde Euch Eure Unwissenheit, was das betrifft, für heute noch einmal nachsehen. Aber Ihr werdet fortan jedes Detail Eures Dienstplans mit mir im Voraus besprechen. Und zwar jedes. Ihr werdet bis auf weiteres nichts mehr allein entscheiden. Weder, wer welches Pferd reitet, noch wer an welcher Stelle reitet, noch wer wann welche Waffe in die Hand nimmt. Sollte so etwas wie heute noch ein Mal, ein einziges Mal passieren, werdet ihr Euch als gemeiner Fußsoldat in Britannien wiederfinden, aber erst nachdem ich Euch wie einen gewöhnlichen Reiter über den Platz gejagt und Euch anschließend wie den niedersten Calo die Scheiße meiner Pferde habe wegschaufeln lassen. Vor aller Augen. Haben wir uns verstanden?“
Aelius schwarze Augen funkelten. Einem Duplicarius sein Vertrauen zu entziehen und ihn auf die Stufe eines gemeinen Soldaten zu stellen, der jeden Befehl abwarten musste, war eine ungeheure Erniedrigung, das war Araco klar. Doch anscheinend war es hier angebracht.
„Muss ich mich wiederholen, Duplicarius?“, fragte Araco.
„Nein, Decurio“, sagte Aelius. „Ich habe verstanden.“