Milchiges Mondlicht tauchte die Karawane in eine geheimnisvolle Atmosphäre. Nervös wartete ich vor dem Zelt auf Hope und ihren Bruder. Zusammen wollten wir uns auf den Weg machen zu Remus. Seit meinem Ausbruch vor einigen Stunden verhielt sich der Kommandant noch distanzierter als vorher. Sein Gardist Orion war vor wenigen Minuten zu ihr gekommen mit der Halbherzigen Nachricht das der Kommandant der Garde sie und ihre Freunde in seinem Zelt erwartete.
Bei dem Gedanken daran wie Orion mir die Nachricht überbracht hatte, musste ich wieder mit den Augen rollen. Überheblicher Idiot!
Nach wenigen Minuten kamen die beiden über den Zeltplatz zu mir geschlendert.
„Na los machen wir uns auf den Weg,“ murmelte ich und schritt voran.
„Da hat es jemand aber eilig“ lachte Hope und stieß ihren Bruder spielerisch an.
„Was? Stimmt doch gar nicht. Ich will es bloß hinter mich bringen“ verteidigte ich mich und ging weiter, ohne auf das Kichern von Hope zu hören. Doch so schnell lies sich die Rothaarige nicht abwimmeln. Kurz vor Remus Zelt holte sie mich ein und hakte sich bei mir unter.
„Will da jemand den stattlichen Assassinen wiedersehen? Sollen wir vielleicht draußen warten?“ lachte sie.
„Er ist ein riesengroßer Idiot und nein ich will ihn am liebsten nie wiedersehen“ keifte ich aufgebracht und drehte mich zum Zelteingang. Uhrplötzlich verharrte ich wie vom Blitzgetroffen: Im Eingang stand Remus und betrachtete mich mit verletzter Miene.
Es war sprichwörtlich wie Eiswasser, das über mir gekippt wurde. Ich zitterte am ganzen Leib. „Remus… Es tut mir leid… Ich wollte nicht, dass du das hörst. Es war nicht so…“
Doch Remus hob verärgert seine Hand. „Spar dir deinen Atem, Raven. Bringen wir es hinter uns“ knurrte er. Seine Miene war nun hart und resigniert.
Hope suchte meinen Blick. In ihren Augen las ich wie leid es tat. Ihr Mund formte eine Entschuldigung. Ich nickte nur, nicht im Stande irgendetwas zu denken geschweige denn zu sagen.
Die nächste Stunde verging quälend langsam für mich. Jedes Wort drang langsam in mich und die Hälfte des gesagten machte keinen Sinn für mich. Irgendwann zwang ich mich dazu zuzuhören, um zu wissen was geplant wurde.
„Das ist also dein letztes Wort?“ hörte ich die Stimme von Ramon. Er hatte einen schneidenden Unterton, der mir sagte, dass die Planung ganz und gar nicht in die richtige Richtung ging. Etwas gefiel ihm nicht an dem Ausgang des Gesprächs.
Ich spürte wie sich Augenpaare auf mich richteten. Es war Emanuel der mich mit gerunzelter Stirn betrachtete.
„Ja das ist mein letztes Wort“ ertönte Remus Stimme. In seinen Augen lag ein Schmerz, der mir körperliche Schmerzen bescherte. Was war hier los?
„Du führst die Garde also weiter bis zum Pulverturm?“ In Ramons Frage lag ein skeptischer Unterton. Ich wurde hellhörig: Er wollte seine Garde wirklich in den Tod führen?
Remus nickte. Ramon atmete tief ein.
„Und ich führe eine kleine Gruppe hier hinauf“ Er zeigte auf mit dem Finger auf die vergilbte Karte, die vor ihnen lag. „und umgehe so den Schneepass“
Nun war ich vollkommen wach. Was wurde hier gespielt? War dies nicht Emanuels Plan gewesen? Ich erinnerte mich wage genau dies vor wenigen Stunden aus seinem Mund gehört zu haben. Doch wer war nun alles in dieser Kleinen Gruppe? Ein vager Gedanke bildete sich in mir.
„Nun gut. Hope? Emanuel? Raven? Ihr kommt mit mir“ herrschte uns Ramon an und stapfte, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, aus dem Zelt.
Hope und Emanuel folgten ihm mit gesenktem Haupt fluchtartig aus dem Zelt. Langsam kämpfte ich mich aus meiner Starre. An der Zeltklappe sammelte ich schließlich meine letzte Würde und drehte mich zu Remus. Der immer noch auf die Karte starrte.
„Du musst kein Selbstmordkommando starten um mich los zu werden“ Meine Stimme zitterte während ich die Worte sprach. „Ich habe es nicht so gemeint was ich gesagt habe, das kannst du mir glauben“
Remus gab keinen Mucks von sich. Er starrte weiter wie gebannt auf die Karte.
„Aber was interessiert es dich eigentlich? Du hast mich die letzten Tage nicht einmal mit mir gesprochen, hast dich nicht mal für mich interessiert. Was schert es dich dann was ich von dir denke?“
Einen winzigen Moment glaubte ich das Remus darauf antworten würde, doch er presste nur die Lippen zusammen.
Ich seufzte. „Leb wohl, Remus, Hauptmann der Garde der Assassinen“ sagte ich leise und drehte mich zum Gehen.
„Nimm Ajax mit“ ertönte hinter mir Remus Stimme gedämpft. Ich drehte mich verblüfft um. Remus hatte seinen Blick auf mich gerichtet. Er meinte es wirklich ernst! „Er kann euch besser helfen als mir“ sagte er und wandte sich dann wieder der Karte zu. Ich nickte und wandte mich wieder zum Gehen.
Stolpernd legte ich den Weg von Remus Zelt zu den Pferden zurück, ohne später zu wissen wie ich es geschafft hatte. Doch als ich vor der Waffen - und Kleiderausgabe stand erwachten meine Geister.
Ich nahm mir von dem Stapel Waffen ein leichtes Schwert, das für meinen Arm nicht zu lang war und schnallte es mir um die Hüften. Als nächstes schnappte ich mir einen schönen Dunklen Bogen und den dazugehörigen gut gefüllten Köcher. Beim Kleiderstapel packte ich mir in einen Sack Kleidung zum Wechseln ein. Zudem zog ich mir einen schwarzen Umhang und lederne Armschienen, einen Brustharnisch und grobe Stiefel an, die mir eine Nummer zu groß waren, aber ich war mir sicher das ich sie auf der Reise brauchen werde.
„Da bist du ja endlich“ blaffte mich Emanuel an. Er drehte sich zu einem Pferd mit seidenschimmerndem schwarzem Fell. „Das ist Darkness. Behandle sie gut“ Er warf mir einen Blick zu, der mir lebhaft zeigte, was sonst mit mir passieren würde. Zaghaft griff ich das Zügel und schwang mich, nachdem ich der Stute sanft über den Nasenrücken gestreichelt hatte, in den Sattel. Das weiche Leder schmiegte sich an meine Oberschenkel.
Sanft gab ich Darkness einen Stups in die Flanken und sie trappte gemächlich zu den anderen.
Die ‚kleine‘ Gruppe stellte sich als größer vor als ich dachte. Ramon hatte grob geschätzt zwanzig Assassinen um sich geschart.
„Darf ich vorstellen, Prinzessin? Die Garde der Prinzessin der Dunkelheit“ stellte Ramon mit ausladender Geste die Mitreisenden vor.
Ich rollte mit den Augen. „Ist dir das selbst eingefallen?“
Ramon senkte den Arm. „Nein das war Hope“
Ich warf Hope einen Seitenblick zu. Sie zuckte nur mit entschuldigend mit den Schultern.
„Alle Bereit? Dann machen wir uns auf den Weg“ Und schon gab er seinem Pferd die Sporen.
Ich ließ mich zurückfallen und schaute in den Himmel. Wie sollte ich in dieser Dunkelheit Ajax finden. Ein Versuch ist es wert!
Ich drehte mich im Sattel und stieß einen lauten Pfiff aus. Angespannt lauschte ich in die Dunkelheit bis ich das vertraute rascheln von Federn hörte, das sich stetig näherte. Ich streckte meinen Arm aus und der Adler ließ sich auf der ledernen Armschiene nieder. Zutraulich rieb er seinen Kopf an meiner Wange. Seine Federn strichen sacht über meine Haut. Dann erhob er sich wieder in die Lüfte und zog seine Kreise über unserer Gruppe.
Ich sah noch einmal zurück zu dem Assassinen Lager. Die braunen Zelte hoben sich kaum von der Dunkelheit ab. Ich fühlte instinktiv das es das letzte Mal sein wird, das ich es sehe. Traurigkeit überkam mich. Unwirsch wischte ich mir eine Träne von der Wange und schob die Kapuze über meinen Kopf und gab Darkness die Sporen. Die Stute schlug ein schnelleres Tempo ein damit wir unsere Gefährten einholten.
Es nützte nichts dem Verlorenen nach zu trauern. Ich musste mich auf den nächsten Schritt konzentrieren. Auch wenn ich noch nicht wusste was auf mich zukommen wird.