Der Bus öffnete die Türen und wir stiegen ein. Genau genommen, stiegen wir mit einer Gruppe junger, offensichtlich betrunkener Leute ein, die natürlich vom Fahrer sofort aus dem Bus geworfen wurden. In dem Moment quetschte Elodie sich an ihnen vorbei und zog mich mit sich.
„Fahrkarten sind zu teuer, wir müssen sparen.“, raunte sie mir zu und zog mich auf einen Sitz.
Ich zog eine Augenbraue hoch und ließ mich nieder. Na gut. Falls es ihr an den fünf Euro lag- bitte. Die Fahrt verlief relativ ruhig, Elodie hatte (woher auch immer) einen Kamm und bürstete ihre Haare. Mädchen… Ich verdrehte die Augen. Ich besah mir die anderen Fahrgäste- die meisten älter als dreißig, sie starrten gelangweilt in die Gegend, tippten auf dem Handy oder telefonierten. Langweilige Welt… Warum wurde von zu Hause weglaufen immer als so spannend beschrieben?! War doch eigentlich ziemlich entspannt bisher.
Na gut, vielleicht war ich ein bisschen naiv.
Zwei Kontrolleure Marke Sumoringer hielten den Bus an und stiegen ein. Elodie hatte sie sofort bemerkt (die hatte ihre Augen auch echt überall) und drängte mich leise dazu, aufzustehen. Leider waren alle Türen verschlossen, einzig die vorne beim Fahrer stand offen. Elodie schlenderte ganz entspannt nach vorne, ich folgte ihr etwas angespannt. Hatte sie übersehen, dass zwei Menschen zwischen uns und dem Weg nach draußen standen? Die Kontrolleure drehten uns mit unheilverkündender Miene den Kopf zu.
„Ihre Fahrkarten bitte, Fräulein.“, sagte der eine und streckte die Hand aus.
Elodie tat, als hätte sie seine Bitte überhört.
„Fräulein sagt man nicht mehr.“, informierte ihn Elodie.
Dann trat sie einen Schritt nach vorne, als wolle sie aussteigen. Der Kontrolleur streckte seinen Arm aus, um sie aufzuhalten. Das war offenbar das, worauf sie gewartet hatte. Sie ging wieder zurück und starrte den Mann einige Sekunden einfach nur an.
„Fassen sie mich nicht noch einmal so an.“, sagte sie und drehte sich zu den Fahrgästen um, „Und sie lassen sich am besten auch nicht von diesem Mann begrabschen. Dann sind Schläge nämlich Notwehr.“
Die Leute schauten nur dumm, die Kontrolleure auch. Der eine, der Elodie ganz sicher nicht irgendwie unsittlich ‚begrabscht‘ hatte (es war an der Schulter gewesen, ich hatte es gesehen), war so perplex, dass er einen Schritt zurück trat und Elodie den Weg freigab. Meine Stiefschwester nahm mich am Arm und zog mich aus dem Bus- ganz ohne Probleme. Ich rannte ihr hinterher und hatte es verdammt eilig, denn inzwischen hatten sich die Kontrolleure wieder gefasst. Unser Glück, dass die beiden nicht sonderlich sportlich waren. Elodie lief, als würde sie die Gegend hier wie ihre Westentasche kennen, ich rannte einfach neben ihr her und versuchte, nicht zu laut aufzutreten. Nach einer Weile wurden die Schritte hinter uns leiser, das Fluchen verklang im Nichts. Elodie lehnte sich keuchend an eine Hauswand.
„Wie war das nochmal- das hier ist kein Agentenfilm?“, fragte ich grinsend und Elodie lachte nervös.