Aufgabe 3:
Private Handynummer und Adresse der besagten Person herausfinden.
Nun, diese Aufgabe war leicht. Dachte ich zumindest. Wo Kilrian wohnte konnte ich online, über den Suchbegriff 'Schwanenteich' oder 'Kilrian Ford' leicht herausfinden. Aber egal welchen Link ich in der Ergebnisliste von Google anklickte überall stand zwar die Geschäftsnummer, aber seine private war nirgends zu finden. Ein Anruf im Gasthaus vielleicht? Wohl kaum. Welcher Mitarbeiter, dem etwas an seinem Job lag, würde einem Fremden am Telefon die private Nummer seines Chefs geben? Es war zum Mäusemelken.
Das ganze Wochenende und auch danach die Schulwoche über dachte ich über eine Option nach, ohne Erfolg. Die Tage vergingen und anhand meiner vorherigen Erfahrungen mit Mario war mir klar, dass ich mich nicht auf irgendwelche Joker zu berufen brauchte. Mario hatte, so gesehen, einen Joker auf seiner Seite in die Wette eingebaut. Anders ausgedrückt, er hatte mir die Hände gebunden. Nicht einmal der Las-Vegas Joker half mir dabei. Denn diesen Joker wollte und musste ich mir einfach aufheben, bis wirklich nichts mehr ging. Also blieb mir nichts anderes übrig, als es irgendwie selbst zu bewerkstelligen, aber wie?
Eine Wette musste lösbar sein. Das war eine Grundbedingung. Wenn ein Wettgeber eine Aufgabe stellte, die unmöglich zu lösen war, wurde sie so behandelt als ob die Wette gewonnen worden wäre und der Wettgeber musste seinerseits seine Wettschulden einlösen.
Die Auswahl der Zielperson konnte demnach nicht total zufällig sein. Was wenn Mario rein zufällig einem Mann die Hand gegeben hätte, der überhaupt nichts mit Männern am Hut hatte, dann könnte ich die Wette nicht gewinnen, es wäre einfach unmöglich. Hatte Mario das nicht bedacht? Das konnte ich mir nicht vorstellen, dafür handelte Mario zu überlegt. Das würde aber auf der anderen Seite bedeuten, dass Kilrian schwul, zumindest aber bisexuell, war. Aber half mir diese Feststellung weiter? Nein!
Nun stand ich da und grüblte, wie es weiter gehen sollte. Die Adresse hatte ich schon mal, aber die beknackte Handynummer fehlte noch immer.
Wenn es nach Mario ginge, dann sollte ich wohl meinen Stolz und meine Würde über Bord werfen und bei Kilrian an der Tür klopfen und “Hey, kannst du mir mal deine private Nummer verraten?! Ich wäre dir sehr zu Dank verpflichtet.” sagen. Welche andere Möglichkeit an die verdammte Nummer zu kommen gab es denn noch? Oh Gott, ein No Go. Verdammt diese ganze Wette war ein No Go. Aber ich war mittendrin und aufgeben war absolut nicht mein Ding. Ich würde diese Wette durchziehen und wenn es das Letzte war was ich tat.
Leider, wenn ich mir die Aufgaben ins Gedächtnis rief, wurde diese Wette nicht einfacher. Sie wurde vielmehr immer schwerer und für mich auch immer peinlicher.
Herr Gott im Himmel, wie sollte ich überhaupt so einen arroganten Snob davon überzeugen können, dass er mich liebt? Vorausgesetzt er könnte überhaupt einen Mann lieben. Mario, ich frage mich wirklich, was hattest du dir dabei nur gedacht. Und vor allem. Kilrian Ford, er ist dein Cousin, …
Moment, die Type ist sein Cousin! Da musste was vorgefallen sein. Sonst hätte Mario mich nicht auf ihn gehetzt. Kilrian musste Mario in der Vergangenheit irgendetwas angetan haben, damit mein bester Freund so reagierte. Das ist seine Vergeltung. Und den Hintergrund dieser Rache musste ich herausfinden.
Von wegen er hat nur zufällig jemanden ausgesucht. Nein. Diese Wette hatte Mario von vorne bis hinten deutlich durchdacht. Alle Eventualitäten mit einkalkuliert, damit ich es doppelt so schwer habe.
Oder! Mario will, dass ich diese Wette verliere. Die ganze Wette war darauf ausgelegt, dass sie zum Scheitern verurteilt war. Egal, wie meine Gedanken rumwirbelten ich kam auf keinen Nenner. Keine Erklärung in Sicht. Ich war vollkommen verwirrt.
Vielleicht tat etwas frische Luft einfach mal gut, so ging ich aus dem Haus, das mir im Moment viel zu eng war.
Meine Eltern scheuten keine Kosten um das Haus “Kindersicher” zu machen. Was für ein Wahnsinn.
Eigentlich war es mir ja egal was sie machten, denn seit ich meine Mutter so angeschnauzt hatte, ging sie mir aus dem Weg, worüber ich froh war, denn ich kannte und liebte diesen Zustand ihrer Ignoranz. War ich doch von meinen Eltern nichts anderes gewohnt und warum sollte es sich ändern, nur weil ein Kind unterwegs war?
Auf halbem Weg in den Park nahm ich mein Handy aus der Hosentasche und wählte Marios Nummer. Er nahm ab und ich fragte, ob er Zeit hätte.
“Eigentlich nicht. Ich sitze immer noch über den Hausaufgaben!” bekam ich zur Antwort und ich schnaufte verdrossen als er auflegte. Herr Gott, was war nur in Mario gefahren. Er war noch sonst nie so abweisend. Mir fiel auf, dass seitdem die Wette lief, er mich auf Abstand hielt. Sonst war er es doch immer gewesen, der anrief, um Hilfe bat oder fragte ob ich Zeit hätte. Es ist mehr als nur kirre. Ich bekomme noch einen tierischen Klatscher. Diese Wette halte ich keine weiteren 9 Wochen durch. - Wenn sie überhaupt noch so lange dauern würde. Ein beängstigendes Gefühl des Verlierens drang in mir hoch. Wie schon gesagt, diese Wette war einfach zum scheitern verurteilt. Was soll’s, dann musste ich es wohl oder übel in Kauf nehmen, dass ich wie ein gackerndes Huhn über den Pausenhof hüpfte. Diese 15 Minuten der Peinlichkeit werden mir auch keinen abbrechen. Und doch, … dieses Gefühl des Versagens, diese Scham, welche ich schon einmal erlebt hatte, wollte und konnte ich nie wieder ertragen.
Ich bekam es nicht mit, dass ich den Weg zum Schwanenteich eingeschlagen hatte. Erst als das Wasser des Teiches, dem das 'Gasthaus' seinen Namen zu verdanken hatte, mit seinen gebrochenen Sonnenstrahlen mich blendete, realisierte ich, wo ich mich befand. Das durfte doch wohl wirklich nicht wahr sein! Eigentlich wollte ich doch zu Mario, dessen Haus auf der anderen Seite der Stadt lag. Das Funkeln des Wassers in seinen verschiedenen Farben schien mich zu hypnotisieren. Blau drang unaufhaltsam in den Vordergrund.
Wie lange war es her, dass ich das letzte Mal hier war? Genau! Ich erinnere mich, so als ob es erst gestern gewesen wäre. Der Tag, den ich total aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte, er holte mich von einer Sekunde auf die nächste wieder ein. Seit er in der Küche von Marie-Ann auftauchte, verging kein Moment, an dem ich nicht daran dachte. Konnte es sein, dass Mario davon wusste, von der damaligen Wette, von meiner Niederlage? Eigentlich war es ein Vertrauensbruch von meiner Seite dass ich ihm nie davon erzählt hatte, ich prahle immer nur, dass ich noch nie eine Wette verloren hatte. Hatte ich ja eigentlich auch nicht, bis auf diese eine gegen Kilrian. Die Scham, war unerträglich gewesen als er mich als blöd bezeichnete und mich aus vollem Herzen herablassend auslachte. So etwas wollte ich in meinem Leben nie wieder erleben, wollte es verdrängen und deswegen galt die Wette als hätte sie nie existiert. Und doch drang immer wieder sein grinsendes Gesicht in meinem Verstand und ich konnte es nicht mehr abschütteln. Ich wollte so sehr in diese Visage reinschlagen. Immer und immer wieder, bis ihm das Grinsen verging. Selbst dann würde ich noch weiter reinhauen, bis ich endgültig dieses Gefühl los wurde.
Es konnte und durfte einfach nicht sein, dass man Wettschulden so herablassend behandelt, wie er es getan hatte, sich über jemanden lustig macht, der seine Wettschuld einlöst. Kilrian Ford. Diesen Menschen konnte ich nicht leiden und werde ich auch nie leiden können und es wird mir eine Freude sein, ihm seine Arroganz auszutreiben. Ich Samuel A. J. Höllesing, werde diesen Arsch, dazu bringen, dass er sich in mich verliebt. Und wenn die Zeit dazu reif ist, werde ich ihm zeigen, wohin er seine Liebe schieben kann.
Ich bahnte mir meinen Weg zurück durch die Stadt und nach etwas mehr als einer halben Stunde stand ich vor dem Haus, zu dem ich ursprünglich wollte. Nur machte mir eine fremde Frau auf, die ich hier noch nie gesehen hatte, ich blickte leicht verdattert auf das Klingelschild mit dem dazugehörigen Namen um mich zu vergewissern, dass es die richtige Tür war.
“Hi, ähm ist Mario da?”, fragte ich endlich, die Frau nickte nur kurz.
Sie trat zur Seite und ließ mich rein. Laut rief sie nach Mario und es dauerte nicht lange bis er im Flur erschien. Er schien überrascht zu sein, mich zu sehen.
Um ehrlich zu sein, kam ich auch eher sehr selten zu ihm. Eigentlich war ich nur bei ihm, wenn seine Familie irgendein Familienfest hatte. Wir trafen uns sonst nur in der Stadt um dort etwas zu unternehmen.
“Sam?”
Ich hob meine Hand zum Gruß und wir gingen in sein Zimmer.
Dort traf mich der Schlag. Überall lagen Zettel am Boden verteilt, erst beim näheren hinsehen erkannte ich, dass Mario für die bevorstehende Abschlussprüfung büffelte.
“Herr Gott Mario. Warum sagst du denn nichts?”, schoss es aus mir heraus worauf er verlegen zur Seite blickte. Hier war er endlich wieder, mein schüchterner Freund. Aber zum aller ersten mal und auf mir unerklärliche Weise, berührte sein scheues Verhalten etwas ganz tief in meinem Inneren. Und das, obwohl sein Gebaren mir doch schon seit langem so vertraut war.
“Ich wollte dich nicht damit behelligen, weil du doch, … mit der Wette, …”
“Du bist ein hirnverbrannter Arsch. Du weißt doch, dass ich dir helfe.”
Er wurde rot und mir wurde plötzlich heiß.
Scheiße was war denn mit mir los? Hatten die letzten Wochen mich total kirre gemacht, so dass ich jetzt so …, so …, auf seine Verlegenheit reagierte. Warum nur? Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden, mein Herz unregelmäßig und schneller zu schlagen begann und vor allem spürte ich, den herabströmende Blutfluss, der zwischen meinen Beine zu pulsieren anfing.
Mario, blickte mich mit seinen blauen Augen an und sie schienen mich, wie zuvor das gebrochene Licht auf dem Wasser, zu hypnotisieren. Er hatte seine Brille nicht auf und seine Haare standen ihm auf allen Seiten ab. Er sah umwerfend aus, makellos. Selbst in seinem Jogginganzug der sich an ihm zu schmiegen schien und nichts vor mir verbarg. Ich sah seine zierliche, männliche Statur. Seinen drahtigen Oberkörper und obwohl ich mich immer darüber ausließ, dass er etwas mehr Sport betreiben sollte, weil sonst ein kleiner Luftzug ihm einen Lungenentzündung einbringen würde, sprach mich sein Körper auf eine mir neue und unverständliche Art an.
Mein erster Gedanken war zu flüchten; ich musste hier raus. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr und anstatt den Raum zu verlassen gingen sie stattdessen in die Knie. Meine Hände hoben automatisch die am Boden liegenden Zettel auf und sortierten sie nach Datum. Automatisch und ohne zu überlegen.
Diese Handlungen, mein Tun und selbst dass ich mit Mario büffelte, nahm ich nicht bewusst wahr. Ich sah nur ihn und seinen Körper, …
Scheiße Sam reiß dich zusammen, sagte ich mir immer wieder. Was ist nur mit dir los? Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage als ich aus seinem Zimmer ging um den Heimweg anzutreten. Mitten auf dem Weg blieb ich stehen und sah Marie-Ann in der Küche herumwuseln. Auch sah ich die fremde Frau am Küchentisch sitzen und in ihrer Tasse rühren.
Ich schnappte einzelne Wortfetzen auf. “Kilrian arbeitet sich noch zu tote. - Ich kann es nicht mehr von ihm verlangen, dass er sich so aufopfert. Das Hotel ist zu viel für ihn …”, sagte die Frau, mehr vernahm ich nicht mehr, denn Marie-Ann hatte mich erblickt und winkte mich in die Küche.
Kilrian?! Allein dieser Name genügte und Mario mit seinen blauen Augen, seiner strubbeligen Haare und seinem schmächtigen Körper schob ich in eine hintere Ecke meines Gehirns. Ich sah die Möglichkeit und sofort folgte ich dem Geistesblitz.
“Kilrian? Ich müsste ihn anrufen. Nur ich will Mario jetzt nicht mehr stören. Er ist fix und fertig,… nach dem ganzen Lernen. Und ich habe vergessen ihn nach der Telefonnummer von Kilrian zu fragen.”, log ich dreist und setzte meinen Sunnyboyblick auf. Ich wusste, dass da keine Frau widerstehen konnte.
“Gibt es irgendetwas?”, fragte mich die fremde Frau aber ich schüttelte nur leicht mit dem Kopf.
“Nein, nichts ernstes. Ich habe nur etwas, was ihm gehört. Und ich will es ihm zurückgeben.”
“Ach so!”, meinte die Frau und schrieb ein paar Zahlen auf einem Zettel auf. Marie-Ann stellte mir nebenbei die fremde Frau als Kilrians Mutter und ihre Schwägerin vor. Selbstverständlich stellte ich mich auch vor aber im gleichen Atemzug sah ich, dass die Frau mich leicht abgeneigt anblickte. Ok, … diese Frau konnte mich nicht leiden, aber das auch erst nachdem sie meinen Namen gehört hatte.
War mir aber Jacke wie Hose. Mit der Frau musste ich ja nicht warm werden und wenn sie mich nicht leiden konnte, dann konnte ich ihr auch nicht helfen.
Aber diese Reaktion war mir auch nicht gänzlich unbekannt. Entweder fingen die Leute an mich anzuhimmeln oder sie hegen eine strikte Abneigung gegen mich. Ist immer das Gleiche. Dennoch bedankte ich mich höflich für die Telefonnummer und verließ das Haus.
Kurz darauf klingelte mein Handy, Mario war dran. Er polterte sofort los. Von wegen ich hätte die Nummer nicht entsprechend den Regeln der Wette erlangt und er dies als Regelbruch ansehen würde.
“Jetzt mal langsam. Auf dem Zettel steht nicht, wie ich an die Nummer zu kommen habe. Wenn du gewollt hättest, dass ich die Nummer von ihm selbst bekomme, dann hättest du es mit aufschreiben müssen.”
“Das stimmt nicht. Du musst die Handynummer von ihm überreicht bekommen.”
“Warte mal. Ich schaue mal auf den Zettel.”
“Ja tu das, obwohl ich genau weiß, dass du das nicht brauchst, weil du eh alles auswendig kennst.”
“Mario, ich sehe, dass du am Fenster stehst und will, dass du siehst wie ich vom Zettel ablese, sonst heißt es nachher noch, dass ich mir die Aufgaben nach meinem Gutdünken zusammen geschustert habe.”
“Ok.”
Mein Herz raste, warum fühlte ich mich eigentlich so überrumpelt. Eher sollte es für mich eine Herausforderung sein. Je mehr Gegenwehr von meinem Gegner ausging umso aufregender war die ganze Wette. Ich kramte in meiner Hosentasche und zog den inzwischen schon ziemlich angegriffenen Zettel hervor.
“Die Wette:
Sam muss innerhalb von drei Monaten, dem Erstbesten, dem Mario persönlich außerhalb der Schule die Hand gibt, davon überzeugen, dass er ihm “Ich liebe dich“ sagt und zwar aus freiem Stücken. Sam bekommt einen Zettel indem die Aufgaben stehen, die er zum Abschluss bringen muss und zwar in der Reihenfolge, die Mario festgelegt hat. Regeln die Sam zu befolgen hat: Keine Diskussion über das Für und Wider einer Aufgabe, sowie mit dem Wettvorgeber, sprich Mario zu verhandeln ist Sam, während der Wette untersagt. - Bla Bla Bla,… Für eine Aufgabe hat Sam eine Woche Zeit. Er darf sie früher beenden aber nicht später. Verspätet gilt als verloren. Auch gilt die Wette als verloren, wenn Sam vorzeitig abbricht, aus welchen Gründen auch immer. Bla,.. Bla… Ah hier haben wir die Aufgaben.
1 Aufgabe: Die Aufgabe erkennen und annehmen. Oder als ein feiges Huhn am Pausenhof die ganze Pause, gackernd und flatternd verbringen.
2 Aufgabe: Nur nachdem Aufgabe 1 gelöst wurde. - Besagte Person kennenlernen.
3 Aufgabe: Private Handynummer und Adresse herausfinden.
Und so weiter und so fort. Hier steht nichts, dass er mir die Nummer persönlich geben muss.” Er legte auf ohne noch ein Wort zu sagen und ich blickte noch einige Sekunden auf das erloschene Display.
Innerlich schüttelte ich mit dem Kopf und ging, auch wenn ich es nicht wollte, langsam nach Hause.
Keine fünf Minuten später klingelte wieder mein Handy.
“Was gibt’s.”
“Tut mir leid. Ich war nur sauer, weil du an meine Familie gegangen bist. Und, … und …!”
“Schon gut. Mario verrate mir eins. Und ich will eine ehrliche Antwort. Sonst sehe ich diese Wette als ein Fake an, …!”
Sekundenlanges Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung.
“Was willst du wissen?”
"Hat Kilrian, den ich erobern muss, dir irgendetwas angetan? Oder warum hast du gerade deinen eigenen Cousin als Zielperson gewählt.”
“Sam du machst dir zu viele Gedanken. Kilrian war wirklich nur zufällig da. Eigentlich umarmen wir uns zur Begrüßung, aber da es in der Öffentlichkeit war, musste eben das Händeschütteln reichen.” erklärte er mir aber ich konnte nicht glauben, was ich da hörte.
“Eigentlich hatte ich mir einen gänzlich anderen Typen rausgesucht gehabt. Der aber nicht da war. Tja, wie schon gesagt, das Schicksal hat entschieden.”
“Und möchtest du mir verraten, wen du eigentlich für mich rausgesucht hast?”
“Ja kann ich. Malven Benker.”
“WWAAASSS! Der Hund von Kevin. Ich glaube, du bist von allen guten Geistern verlassen. Wieso überhaupt einen Kerl?”
“Beruhige dich. War ein Scherz. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch niemanden in der näheren Auswahl gehabt.”, Mario verstrickte sich in Widersprüche, nur begriff ich es in dem Moment noch nicht.
Ich schlenderte nach Hause und sah, dass auf dem Vorhof noch immer die Umbaufirma stand.
Meine Mutter tat geschäftig und rieb sich hin und wieder ihren noch immer flachen Bauch. Wieder sah ich mich, einem Kinderwagen durch den Park schieben. Sofort schüttelte ich diesen erschreckenden Gedanken von mir ab und verzog mich in mein Zimmer. Ein Geschwisterchen. Ne.
Der restliche Tag verlief, wie die Tage immer verliefen, langweilig. Nebenbei bekam ich mit, dass Vater wieder auf eine Geschäftsreise ging und Mutter die Stellung in der Firma hielt.
Also hieß es für mich wieder, den liebe Sohnemann spielen, bis mir das Geheuchel aus den Ohren raushing. Aber diese Abende, zu denen meine Mutter ihre sogenannten Freundinnen einlud, waren auch in einer gewissen Hinsicht, für mich sehr abwechslungsreich. Wenn meine Mutter wüsste, mit wie vielen ihrer “Freundinnen” ich schon im Bett war. Sie würde höchstwahrscheinlich tot umfallen. Ihre armen, ausgetrockneten, von ihren Ehemännern vernachlässigten Freundinnen konnten einem nur leid tun.
Herr Gott im Himmel und zum Teufel damit, das würden wieder ereignisreiche Tage, in denen meine Mutter wieder der „Mittelpunkt“ sein würde. Jetzt hatte sie wieder einmal eine Möglichkeit ihre “Gastfreundschaft” öffentlich zu Schau zu stellen.
War es nicht der kostbare Schmuck, war es ein limitiertes Auto, welches nur begrenzt gebaut worden war. War es kein Auto war es ein Pferd. War es kein Kerzenabend, war es ein Weiberabend und so weiter und so fort. Meine Mutter fand immer irgendwelche Anlässe, die groß gefeiert und ausgetragen werden mussten. Diesmal war es eben ihre Schwangerschaft.
Eine Zeitlang starrte ich noch an die Decke, bis selbst mir das überdrüssig wurde und ich mir ein Buch schnappte, es aufschlug und darin zu lesen anfing. Irgendwann schlief ich ein ohne es mitzubekommen.
Wellen streifen die Oberfläche eines Sees und blaue gebrochene Strahlen erwärmten mein Herz. Ohne mich vorher umzusehen zog ich mich aus und tat den ersten Schritt in das kühle Nass. Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut und meine Härchen stellten sich auf.
Eine ruhige aber leicht verzweifelte Stimme die meinen Namen rief, drang zu mir. Ich schmunzelte. Diese Stimme würde ich immer erkennen. Mario. Ich tauchte unter, um direkt wieder aufzutauchen. Blickte mich um und ich sah ihn, sah wie er mich suchte.
“Sam, Sam … hör auf mit dem blöden Spiel. Ich brauche deine Hilfe, … Sam! Wo bist du?”
Ich bin hier mein Kleiner. Ich bin immer bei dir. Das weißt du doch. Er hörte mich nicht, ich schwamm in seine Richtung. Nur schien sich der Abstand nicht zu verringern. Er vergrößerte sich sogar und Mario wurde meinem Blickfeld entzogen. Nein. Mein Herz rast. Warum konnte ich nicht näher an ihn ran. Er drehte sich um und winkte mir zu. Nur kurz erhasche ich einen erfreuten und erleichterten Ausdruck, … bevor, … bevor er von einem Mann umarmt wurde, an dessen Brust gedrückt wurde. NEIN!
Kilrian drehte sich zu mir um und sein dunkler Blick, mit den wohlgeformten Augenbrauen, starrte mich aus der Finsternis an. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und formten Wörter.
“Was willst du hier? Du wirst diese Wette nie gewinnen. Du hast die letzte Wette gegen mich verloren, du wirst auch diese verlieren. Du bist ein Verlierer. Du, der Meister der Wetten, …” Mario wandte seinen Blick von Kilrian ab und starrte mich mit seinem typischen schüchternen Blick an.
Ein nerviger Ton weckte mich und ich schlug auf den Wecker ein. Ich war in meinem Bett und nicht im See baden. Dennoch überzog Gänsehaut meinen ganzer Körper. Erst als ich mich halbwegs gesammelt hatte und der unmögliche Traum nur noch ein Hauch von Nichts war stand ich auf.
Frühstück - wie immer. Nur fuhr ich heute mit meinem Auto zur Schule, als ich ausstieg und mich umblickte, ob Mario bereits da war, befiel mich ein ungutes Gefühl. Dieses Gefühl verfolgte mich den ganzen Tag und ich nahm nur am Rande wahr, dass Mario die Aufgabe 3 als erfolgreich abstempelte. Ich konnte mich nicht darüber freuen, denn auch die nächsten Aufgaben waren ein Ding der Unmöglichkeit. Die nächsten Aufgaben bis zum vollenden der Wette, beinhalten einen regen Kontakt mit der “Zielperson”. Ich hasste Kilrian Ford. Das war so klar wie Kloßbrühe.
Neun Aufgaben standen mir noch bevor und langsam wünschte ich mir, nie in diese Wette eingeschlagen zu haben.
Moment mal!
Auch wenn ich die Wette bereits nach dem ersten Lesen auswendig kannte, so holte ich dennoch den Zettel wieder hervor. Las die ersten Zeilen und mir wurde es schwarz vor den Augen.
Dem Erstbesten, dem er die Hand gibt.
Scheiße! Ich hätte es erkennen müssen. Es gab sonst niemanden, der die verkorksten und chaotischen Gedankengänge von Mario besser kannte, als ich.