„Höher!“, ein kleines Mädchen mit pechschwarzen Haaren flog durch die Luft und wurde sicher wieder gefangen. „Bist du sicher?“, gütige türkise Augen strahlten sie an, ein Lächeln welches einen selbst dazu veranlasste zu lachen. „Ja!“, rief das Mädchen aufgeregt in seinen Armen, „Bis zur Decke!“
Das Zimmer, in dem sie spielten hatte eine schön verzierte Decke, Bilder von Tieren aus Nebel zierte das Gewölbe.
„Finn pass auf das du sie ja nicht fallen lässt!“, sagte die ältere Schwester des Mädchens, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war.
„Keine Sorge Nelina!“, Finn grinste, „Ich passe gut auf Delina auf!“
Delina öffnete langsam ihre Augen, ihr war schwindlig, aber der stechende Schmerz an ihrem Hals hatte nachgelassen.
Kurz schüttelte sie den Kopf um die eigenartigen Erinnerungen die sich in ihre Träume geschlichen hatten loszuwerden. Silas, wie er sich jetzt nannte, war einmal so warmherzig gewesen. Es schauderte sie bei der Erinnerung, wie er sie gegen die Wand geschleudert hatte, obwohl sie ihn für einen Freund gehalten hatte.
Sie musste aufstehen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Kurz fürchtete sie sich nicht bewegen zu können,dann aber merkte sie, das sie in einem seltsamen Kasten lag.
Langsam griff sie an den Wänden nach oben und zog sich zumindest einmal in eine sitzende Position.
Ihre Schulter brannte noch ein wenig, sie warf einen Blick auf die schwülstige Narbe, die darauf zu sehen war.
Das war es also mit ihrer schönen Haut gewesen, nun hatte sie mindestens zwei Narben, die sie an Solon erinnern würden. Aber wie waren sie so schnell geheilt?
Und wo war Janina? Besorgt stemmte sie sich hoch und stieg aus dem Kasten.
Die Türe des kleinen Raums stand offen und der Geruch von Dosenbohnen in Tomatensoße stieg ihr in die Nase.
Langsam trat sie durch die Türe und statt Sonnenstrahlen erwartete sie wieder nur der violette Himmel der sich nicht veränderte.
Vor dem Raum waren alle Leichen weggeschafft worden, stattdessen sah sie eine kleine Feuerstelle und Church, der Gott sei dank völlig unverletzt schien. Er rührte fleißig in einer Dose herum, von der wahrscheinlich der Geruch kam.
„Ich denke wir werden heute edel speisen!“, witzelte sie um sich bemerkbar zu machen.
Church wäre beinahe vor Schreck die Dose aus der Hand direkt ins Feuer gefallen.
„Du bist wach!“, schnell stellte er die Dose beiseite und eilte zu ihr.
Delina lächelte verlegen: „Ja, schätze ich habe wohl übertrieben!“
Church’s Blick blieb an ihrem Hals hängen. Wo davor makellose Haut war, prangte jetzt eine kreisrunde Narbe, wo der Gefallene sie gebissen hatte.
„Das hätte nicht passieren dürfen!“, Church’s Augen verrieten, dass er sich schwere Vorwürfe machte.
Delina winkte ab: „Es war meine Entscheidung zu bleiben! Hätte ich es nicht getan wärst du jetzt...“
Sie verstummte als Sassy zu Ihnen kam: „Delina! Gottseidank bist du wieder wach! Wir haben Spuren von... Störe ich euch bei irgendwas?“
Chruch und Delina gingen einen Schritt auseinander und Delina wurde knallrot.
„Bei was solltest du sie stören?“, Silas schien Sassys Frage nicht zu verstehen.
Sassy seufzte und antwortete dann freundlich: „Sie hatten wohl gerade eine private Unterhaltung, die ich unterbrochen habe, darum sehen Sie uns an wie Mondkälber!“
Delina sah verwirrt zu Church: „Warum ist sie so nett zu ihm?“
Church zuckte mit den Schultern: „Vielleicht ist sie bei ihrer Ankunft auf dem Kopf gelandet!“
Silas sah beide wütend an: „Gut das Janina jetzt wieder bei EUREM Vater ist. Schade das du ihn nicht kennenlernen konntest! Aber warte, Delina, das hast du ja schon!“Sassy packte Silas am Arm: „Wir beide unterhalten uns jetzt! Alleine!“
Sie zog ihn mit sich, damit er nicht weitersprechen konnte.
Delina starrte auf den Boden und Church kramte in seinem Kopf nach den richtigen Worten für diese Situation.
„Weißt du, wer mein Vater ist?“, fragte Delina ihn und warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
Church verneinte das ehrlich und fragte sich ob Silas es wirklich wusste. „Was willst du von mir?“, Silas riss sich los und rieb sich den Arm.
Sassy funkelte ihn wütend an: „Woher willst du wissen, wer Delinas Vater ist? Und warum sollte dieser Jemand auch Janinas Vater sein?“
Silas lächelte verächtlich: „Ich weiß mehr als ihr alle! Als Vincent noch jünger war verliebte er sich in eine Menschenfrau. Er beschloss bei ihr zu bleiben und sie bekamen ein Kind. Aber um die Macht die durch seine Gene in dem Kind steckten zu versiegeln, rief er jemanden um Hilfe. Merlin, Delinas Mutter, erkannte Vincents Potenzial und machte ihn zu ihrem Schüler. Also verließ er seine Familie für Merlin und folgte ihr. In der Zeit gebar Merlin zwei Kinder. Nelina und Delina, im Abstand von vier Jahren. Vincent war der einzige Mann an ihrer Seite und da sie es nicht geleugnet hat, als ich sie darauf ansprach bin ich mir sicher, dass er ihr Vater ist!“
Sassy funkelte ihn wütend an: „Wie lange weißt du das schon? Du hast zugelassen das Vincent Delina so behandelt? Und er, weiß er es oder hast du es ihm auch verschwiegen?“
Silas schien den Vorwurf in ihrer Stimme nicht nachvollziehen zu können.
„Was interessiert es dich?“, Silas sah sie ernst an und sofort begann ihr Horusauge wieder zu leuchten.
„Versuch garnicht erst mich zu beeinflussen!“, Sassy tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust.
Silas schien wütend über ihren Schutz vor seiner Manipulation.
„Du machst mich wahnsinnig!“, schrie er sie an, „Hör auf damit! Hör auf damit!“
Sassy merkte, dass sie kurz vor einem Durchbruch stand: „Du warst einmal anders! Vor langer Zeit! Aber anscheinend hast du schon lange aufgegeben! Ich bin hier weil Shanora an dich glaubt! Sie glaubt daran das noch etwas Gutes in dir steckt und ist bereit darum zu kämpfen! Aber wenn du nicht bereit bist zu kämpfen...“
Silas starrte sie entgeistert an: „Was machst du? Was für eine Art Zauber ist das? Warum kann ich mich nicht dagegen wehren?“
Sassy packte ihn an den Schultern und sah zu ihm auf. Er war ein ganzes Stück größer als sie.
„Das sind echte Gefühle. Emotionen!“, sagte sie ruhig, „Du empfindest gerade etwas!“
Silas schlug ihre Hände weg, er wirkte fast panisch: „Hör auf! Das ist ein Zauber, es muss ein Zauber sein! Warum erhöht sich mein Puls? Warum fühle ich mich so? Warum fühle ich, ich kann nicht fühlen. Ich bin Niemand! Ich gehöre Nirgendwo hin!“
Sassy merkte, dass es ihm gerade zu viel wurde: „Beruhige dich! Wir lassen das Thema, alles wird gut!“
Silas stürmte an ihr vorbei, zurück zu Church: „Mach das sie aufhört!“
Dann verschwand er in einem der Gebäude und schlug die Türe zu.
Delina und Church warfen Sassy einen überraschten Blick zu.
„Was hast du den bitte mit dem gemacht?“, Delina wirkte erstaunt, „Er wirkte fast, als hätte er echte Emotionen!“Sassy winkte ab: „Ich denke er muss über einiges nachdenken. Wir sollten essen, falls Church nicht alles verbrennen hat lassen!“
Church äffte sie kurz nach und ging dann zu der Dose Bohnen, die er beinahe ins Feuer hätte fallen lassen.
Delina schien sich wieder gefangen zu haben und zog ihn auf, als er die Dosenbohnen in die Glut des bereits versiegten Feuers stellte.
Sassy schmunzelte, als sie die beiden sah, es war offensichtlich das Delina total in Church verknallt war. Dieser schien das aber nicht zu bemerken.
Wie sie und Finn früher einmal, in besseren Zeiten.
Lautes Krachen aus dem Raum in den Silas verschwunden war ließ alle herumfahren.
„Gefallene?“, vermutete Delina erschrocken.
„Gebt mir Rückendeckung!“, Sassy näherte sich langsam der Türe. Church positionierte sich so das er eingreifen konnte, falls Gefahr drohte.
Delina stellte sich hinter ihn und behielt die Umgebung im Auge.
Sassy griff nach der Türklinke und öffnete sie langsam einen Spalt.
„Geht zurück zu den Bohnen!“, wies sie die anderen an, „Keine Gefahr!“
Delina und Church warfen sich verwirrte Blicke zu.
„Wenn Sassy sagt sie kommt zurecht, dann kommt sie zurecht!“, Church deutete Delina mitzukommen, die folgte ihm auch wie ein braver Hund.
Sassy stieß die Türe ein wenig weiter auf und trat ein.
„Ich bin Niemand, ich gehöre Nirgendwo hin... Ich bin Niemand, ich gehöre Nirgendwo hin...“, Silas kniete vor der zerschlagenen Wand und flüsterte immer wieder denselben Satz.
Sassy war beeindruckt, auch wenn es ihm gerade sehr schlecht ging, schien sie durch die Botschaft von Shanora zu ihm durchgedrungen zu sein.
„Du bist nicht Niemand!“, sie trat hinter ihn, ließ aber genug Abstand um ausweichen zu können, falls er sie attackieren sollte.
In diesem Zustand war er unberechenbarer als sonst. Falls das möglich war.
Sassy ging mit demselben Abstand um ihn herum.
Er hatte sein verbleibendes Auge weit aufgerissen und starrte ins Leere. Schweißperlen zierten seine Stirn, er schien zu fiebern von dem Kampf den seine gespaltene Seele ausfocht.
Seine Handschuhe waren von den Schlägen auf die Wand zerrissen und Sassy konnte einen Blick auf seine Gurenstahlhand werfen.
Das Metall, welches alle Wesen töten konnte. Das letzte Element geschaffen von den Hexern aus Harmun.
Die andere, normale Hand, war blutig an den Knöcheln.
Sassy überlegte, was nun zu tun war, Silas schien sie kaum wahr zu nehmen. Vorsichtig näherte sie sich und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Du fühlst etwas für Shanora. Da ist sie sich sicher. Du hast versucht sie zu beschützen, auch wenn es dir sichtlich schwergefallen ist. Sie glaubt nicht daran das du schon verloren bist. Sie glaubt daran das du eine Zukunft hast, ohne deine Maske!“, Sassy redete ruhig auf ihn ein und endlich schien er auf sie zu reagieren.
Langsam erhob er sich und starrte Sassy direkt in die Augen.
Diesmal versuchte er nicht sie zu beeinflussen, in seinem Blick lag eine große Verwirrung und ein großer Schmerz.
„Du musst Shanora sehr lieben, wenn du das für sie tust!“, Silas Stimme klang heiser und nicht mehr rau und dominant wie sonst.
„Sie ist die liebenswerteste Person, die ich kenne!“, verkündete Sassy, „Du darfst dich nicht weiter in deiner Maske verlieren! Du musst kämpfen, wenn schon nicht für dich dann für sie.“
Silas schien über ihre Worte nachzudenken und sein Blick wurde wieder gleichgültig.
„Lass mich alleine!“, bat er sie dann.
Sassy nickte: „Aber zuerst gib mir deine Hand!“
Silas betrachtete seinen ersetzten Arm: „Noch nie Gurenstahl berührt?“
Sassy seufzte: „Den anderen!“
Silas musterte sie verwirrt und streckte ihr dann seine blutige Hand hin.
Sassy nahm sie in die Hände und begann zu beten, sodass die aufgeplatzten Knöchel wieder verheilten.
„Damit es sich nicht entzündet!“, erklärte sie ihm und ließ seine Hand los.
Delina stocherte in der Zwischenzeit in ihren Bohnen.
„Was wohl hier passiert ist...“, ihr Blick wanderte immer wieder zu den Kratzspuren, die auf Treplew hindeuteten.
Church räusperte sich kurz: „Als du dich erholt hast haben Sassy und ich versucht anhand der Spuren alles zu analysieren. Es sieht so aus, als hätten sie hier Unterschlupf gefunden bis die angesiedelten Gefallenen angegriffen haben. Treplew hat sie wohl alleine ausgeschalten. Einen direkten Hinweis auf Newra gibt es nicht.“
Delina ließ den Kopf hängen und hoffte, das dies nicht bedeutete, dass sie bloß einem alten Gespenst nachjagte.
„Ich hoffe so sehr, das ich sie finden kann und mit nach Hause nehmen...“, Delina schien aber noch etwas auf dem Herzen zu liegen.
Church sah sie fragend an: „Was ist los?“
Delina biss sich nervös auf die Unterlippe: „Als du mich damals gerettet hast war meine andere Schwester, Nelina, bereits tot. Was wenn sie auch hier ist? Was wenn ich sie retten könnte?“
Church verstand ihre Sorge: „Wenn dann wäre sie schon sehr lange hier. Was nicht heißen muss, das sie zu einer Gefallenen geworden ist und dem Fluch erlag.“
Delina schien das nicht zu beruhigen: „Wie soll ich mich nur in dieser komischen Welt zurechtfinden?“
Church legte ihr eine Hand auf die Schulter und warf ihr einen ernsten Blick zu: „Die Frage lautet eher: wie sollen wir uns nur in dieser komischen Welt zurechtfinden? Du bist nicht alleine...“
Er verstummte und ließ seinen Arm sinken als Sassy zu Ihnen kam.
„Das ist das zweite Mal heute. Ich habe wieder das Gefühl in eine private Unterhaltung zu platzen, tut mir leid Leute!“, sie bot Delina eine Hand zum Aufstehen an, „Aber wir sollten uns jetzt alle ausruhen. Morgen verfolgen wir die mögliche Spur von Treplew Richtung... hier gibt es keine Himmelsrichtungen!“
Delina sah sie überrascht an: „Woher willst du wissen, in welche Richtung sie weiter sind?“
Sassy grinste und zeigte hinter sie: „Wenn du gerade nach hinten gehst, bis zur Mauer sieht man dort, das diese wohl mit einer Kletterhilfe die aus Klauen gestand überquert wurde! Genau da setzen wir an.“
Delina schnappte nun Sassys Hand und zog sich hoch: „Gut, das machen wir!“
Church warf ihr einen strengen Blick zu: „Aber erst werden wir uns ausruhen, nicht wahr Delina?“