Sobald wir im Wohnzimmer angekommen sind, lasse ich meine Tasche auf den Boden fallen und schaue mich nach Cameron um, der gerade die Tür abschließt. “Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass ich mit zu dir kommen sollte?“, frage ich, um irgendwie eine Konversation zu beginnen, damit es nicht peinlich wird. Unsere Konversation ist, nach dem wir gemeinsam aus dem Auto ausgestiegen sind, nämlich irgendwie abgebrochen, sodass wir still, nebeneinander her, zum Haus gelaufen sind.
Plötzlich legen sich zwei starke Arme um meine Hüften: “Nein, ich liebe es einfach mit dir Zeit zu verbringen und dich um mich zu haben.“ Für einen kurzen Moment zucke ich zusammen, weil ich ernst nicht verstehe, was los ist, doch dann breitet sich ein Grinsen auf meinen Lippen aus. Seine Worte machen mich mehr als glücklich und sorgen dafür, dass mein ganzer Körper sich von innen nach außen erwärmt. Ich drehe mich in seinem Arm so um, dass ich ihm nun genau in die Augen sehen kann. Sanft lehne ich meine Stirn gegen seine und sehe auf seine wunderschönen Lippen. Das scheint auch ihm aufzufallen, weshalb er sich leicht nach vorne lehnt und seine weichen Lippen auf meine legt. In meinem Bauch beginnt es leicht zu kribbeln und ich lege meine rechte Hand an seine Wange, während er mich, mit den Armen, die er um mich geschlungen hat, näher an sich heranzieht. Am liebsten würde ich für immer so bleiben und mich nie wieder von ihm lösen, doch einige Sekunden später lösen wir beide uns wieder japsend voneinander. Grinsen sieht er mich an, löst seine Arme von mir und legt seine Hände an meine Wangen, um mir einen sanften, liebevollen Kuss auf die Stirn zu drücken.
Dann lässt er jedoch eine seiner Hände wieder von meiner Wange, meinen und Hals und meine Schulter hinunter, bis zu der Stelle wandern, an der sich, bevor ich diesen komischen grünen Saft von Cameron getrunken habe, meine Verletzung befunden hat. Nach wie vor ist dort ein leichter Schmerz zu spüren, wenn man darauf drückt. Bei einer Berührung fühlt es sich meistens so an, als würde man mir das Blut abschnüren. Auch ein kurzes Schwindelgefühl umkommt mich. Scheinbar bemerkt mein Nachbar diese Reaktion, weshalb er mich wieder fester an sich zieht. Wahrscheinlich vermutet er, dass ich jede Sekunde umkippen würde. “Tut es noch sehr weh?“, frage er sanft, doch ich schüttele langsam dem Kopf, damit er sich keine Sorgen macht. Er scheint mir jedoch nicht zu glauben: “Lüg mich nicht an, Kat.“ “Tue ich nicht“, feste beiße ich mir auf die Lippe und weiche seinem Blick aus. Seine Hand findet mein Kinn und er versucht mein Gesicht zu sich zu drehen, damit ich ihn ansehe, sagt dieses Mal aber nichts.
Stattdessen schließen sich seine Finger um mein Handgelenk und zieht mich, ein wenig forscher als vermutlich beabsichtigt, mit sich in die Küche. Total überrumpelt davon, wie zielstrebig er vorgeht, sehe ich ihm verwirrt dabei zu, wie er die Küchenschränke zu durchsuchen beginnt: “Was wird das?“ “Ich werde dir helfen“, das Klirren von Geschirr kommt aus seiner Richtung: “Setz dich auf die Anrichte!“
Sein Befehlston gefällt mir gar nicht, weshalb ich stattdessen einfach die Arme vor der Brust fest verschränke und dort stehen bleibe, wo ich bin. Schließlich hat er nicht das Recht mich einfach herumzukommandieren und wenn er wieder das “Mate“- Argument bringt, werde ich wirklich sauer.
Nach wenigen Sekunden drehe sich wieder herum und sieht mich mit einem vorwurfsvollen Blick an: “Ach komm schon, Kat. Du musst mir schon entgegenkommen, wenn ich dir zu helfen versuche.“ “Ich habe dich ja nicht einmal darum gebeten“, gebe ich trotzig zurück. Er legt den Kopf schief: “Du bist ein ganz schöner Dickkopf, weißt du das?“ Ab und zu bin ich tatsächlich ein Dickkopf, aber nur dann, wenn jemand versucht mir zu sagen, was ich tun soll.
Trotzig schauend, sehe ich zu wie Cameron eine kleine Dose, die aussieht wie ein Behältnis für Creme, neben mir abstellt. Sanft legt er seine Hände an meine Hüften, was dafür sorgt, dass ich mich wieder so fühle, als wäre ich in Trance. Der ist für mich sowas wie mein privater Hypnotiseur, der mich nur mit einer einzigen Berührung dazu bringt, ihm zu vertrauen. Eigentlich sollte ich das nicht unbedingt positiv finden, aber er sorgt dafür, dass ich mich wie etwas Besonderes fühle, obwohl ich das keines Falls bin.
Sanft schiebt mein Mate einen Arm unter meinen Po und hebt mich auf die Theke. Obwohl ich es will, kann ich mich nicht wehren, sondern nur den Anblick dieses Jungen genießen. Als ich die harte Oberfläche der Anrichte unter meinem Gesäß spüre, sehe ich ihn fragend an: “Was wird das?“ “Ich verarzte dich“, erklärt er und wendet sich nun der kleinen Dose neben mir zu.
Mit flinken Fingern schraubt er den Deckel ab und lässt seine Finger dann in der weißen Masse, die sich darin befindet, verschwinden. Es riecht nach einer Mischung aus Zitronen und Vanille, was gar nicht schlecht riecht, wenn ich an die widerlichen Kräutersalben denke, die meine Mutter im Bad neben den Globulis, die nebenbei gesagt auch nichts bringen, aufbewahrt. Nachdem er mit den Fingern durch das Gemisch gefahren ist, zieht er diese wieder heraus und hält sie mir so hin, dass ich sie sehen kann. Es ist sowas wie eine Aufforderung ihn ein wenig zu unterstützen, weshalb ich meinen Ärmel nach oben schiebe, damit er meine Kleidung nicht dreckig macht. Dankbar sieht er mich an und führt seine Finger zu meinem Arm und verteilt die klebrige Masse dann auf meiner weichen Haut. Als die kalte Creme auf meinen Körper trifft, zucke ich für einen kurzen Moment zusammen, entspanne mich dann aber wieder schnell und lässt es über mich ergehen.
Als er fertig ist, bittet er mich noch kurz den Arm nicht sofort wieder zu bedecken und ich entscheide mich seiner Bitte einfach nachzukommen. Er sieht mir in die Augen und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht: “Darf ich dich etwas fragen?“ Für einen kurzen Moment überlege ich, was er mich wohl fragen wollten, könnte und als mir nichts einfällt, zucke ich erst kurz mit den Schultern und nicke dann zustimmend: “Klar, frage einfach!“ “Hast du mir verziehen?“, fragt er gerade heraus und überrumpelt mich damit.
Sofort stütze ich mich ein wenig hinter mir ab, um ein wenig Platz zwischen uns zu bringen. Über diese Frage habe ich mir nur wenig Gedanken gemacht. Besonders dann, wenn ich alleine im Bett lag und eigentlich schlafen sollte, aber zu einem tatsächlichen Ergebnis zu gelangen, war mir bisher viel zu schwer und am liebsten würde ich auch diese Antwort auf später verschieben, aber das würde er sicher nicht zulassen.
Zwar hat er mir sehr viel angetan und mir mein Leben auch Jahre lang zu Hölle gemacht, aber trotzdem habe ich in letzter Zeit immer wieder gesehen, dass er sich um mich sorgt und dass ich ihm wichtig bin. Besonders an dem Tag, an dem er mich mit in diese Bar genommen hat, hatte ich das Gefühl ihm wichtig zu sein, schließlich hat er mir einige Leute aus seinem Rudel vorgestellt, was für einen Werwolf sicher so etwas ist wie eine Familie und auf dem Ball hat er sich alle Mühe gegeben mir zu helfen. Und sollte ich wirklich für immer an der Vergangenheit festhalten? Schließlich macht doch jeder Mensch Fehler und auch ich habe sicher auch schon einmal etwas verbockt. Außerdem unterstützt er mich, zum Beispiel beim Vortanzen für die Cheerleader, und er ist auch das erste männlich Geschöpf, bei dem ich das Gefühl habe wirklich geliebt zu sein, wenn man meinen Bruder und meinen Vater außen vorlässt, und in manchen kurzen Momenten habe ich das Gefühl, dass die Zeit still steht, wenn wir zusammen sind.
Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie er den Kopf schief legt und mich fragend ansieht. Er wartet auf seine Antwort! Deshalb treffe ich eine Entscheidung und beuge mich wieder nach vorne. Meine Arme lege ich auf seine Schultern und vergrabe meine Hände in seinem blonden Haare. Ich liebe es einfach ihm hindurch zu fahren. Vorsichtig ziehe ich ihn mit meinen Beinen ein wenig näher an mich heran und flüstere, seinen überraschten Blick registrierend: “Ich verzeihe dir.“ Ich spüre sein breites selbstzufriedenes Lächeln durch den Kontakt unserer Wangen, als er meine Worte zu realisieren beginnt.
Fest schlingen sich seine Arme um mich und ich betrachte den von Kopf bis Fuß energiegeladenen Cameron freudig. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Worte ihn sofort so fröhlich machen würden.
Stürmisch und vollkommen leidenschaftlich beginnt er mich zu küssen. Erst bin ich ein wenig überrascht, doch dann lasse ich es zu und erwidere mit der gleichen Intensität. Mein ganzer Körper beginnt zu kribbeln und plötzlich fühlt es sich so an, als wäre da eine Spannung zwischen uns, die dafür sorgt, dass wir uns wie Magneten gegenseitig anziehen. Mit meinen Beinen ziehe ich ihn noch näher an ihn, während seine Arme sich fester um mich schlingen. Am liebsten würde ich mich nie wieder von ihm lösen und für immer in seinen Armen liegen bleiben. Dass ich jemals so fühlen würde, hätte ich nie gedacht!