Zorro blickte auf Victoria. Zärtlich umfasste er ihre Schultern. „Te quiero, mi amor“ flüsterte er.
Ihr Körper schmiegte sich an ihn. Sie seufzte glücklich und streichelte seine Wange. „Oh Zorro“ murmelte sie.
„Querida. Es ist Zeit für die Wahrheit.“ Er blickte ihr tief in die Augen, ehe seine Hände nach hinten wanderten, zum Knoten an seinem Hinterkopf, der die Maske fixierte.
Zu seiner Überraschung umfasste sie mit ihren Händen seine Arme und hielt ihn davon ab. „No. Ich liebe EUCH, Zorro!“
Er wusste, dass es falsch war, so falsch. Trotzdem drückte er sie noch etwas näher zu sich. Seine linke Hand wanderte auf ihren Rücken, die rechte an ihren Nacken. „Victoria …“ seufzte er. Sanft berührten seine Lippen die ihren.
In diesem Moment berührte eine fremde Hand seine Schulter. Er ignorierte sie. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher. Die Frau öffnete leicht ihre Lippen. Er tat es ihr gleich und begann, seine Zunge ...
Jetzt ging ein leichtes Schütteln durch seinen Körper. Er murrte unwillig.
Victoria verblasste und er öffnete verwirrt die Augen. „Felipe!“
Er saß noch am Esstisch. Das Geschirr und die Speisereste waren, offensichtlich von den Bediensteten, abgeräumt worden.
Er schüttelte den Kopf, um zu sich zu kommen. Der Traum hallte immer noch in seinen Gedanken nach.
Der Junge sagte ihm mit seinen Händen, dass Don Alejandro erwacht war.
Der junge Vega antwortete nicht sofort. Felipe schaute überrascht.
„Einen Moment noch.“ Diego musste noch einige Male tief durchatmen, bis er sich wieder gesammelt hatte. „Wie geht es ihm?“
„Ganz gut. Er hat es nicht gesagt, aber ich glaube, er möchte mit dir sprechen“ gestuierte der junge Mann.
Diego nickte. Der Traum beschäftigte ihn immer noch, aber er zwang sich, ihn gedanklich beiseite zu schieben. „Leg dich hin. Ich schaue nach ihm.“
Felipe schüttelte energisch den Kopf. Er wollte seinen Ziehvater nicht im Stich lassen.
Dieser wollte das jedoch nicht gelten lassen. „Nein Felipe, du hast heute schon genug getan und brauchst eine Pause. Ich habe ja die Vaqueros heute Nacht eingeteilt, um die Hacienda zu bewachen. Du kannst also beruhigt schlafen gehen. Ich brauche dich morgen ausgeruht und ausgeschlafen.“
Er sagte nicht, dass er sich Gedanken über den Überfall machte. War das ein dummer Zufall gewesen oder ein gezielter Anschlag gegen die Familie Vega? Dies würde er dem Jungen aber erst morgen mitteilen, denn dieser hatte eine Mütze Schlaf nun wirklich verdient.
Nachdem der Junge gegangen war, machte er sich auf den Weg zum Krankenzimmer. Vorsichtig klopfte er an die Türe.
Ein leises ‚Herein‘ folgte. Er trat langsam in das Zimmer und schloss die Türe hinter sich.
Neben Alejandros Bett brannte eine kleine Petroleumlampe. Draußen war es bereits dunkel aber durch das Licht konnte er das Gesicht des Patienten gut erkennen.
Er holte sich einen Stuhl und platzierte ihn neben dem Bett, ehe er sich daraufsetzte. „Wie geht es dir?“
Der Ältere lächelte gequält. „Es geht schon, mein Sohn.“
Dieser räusperte sich nervös. „Wir müssen reden.“
Alejandro schaute ihn mit einer Mischung von Erstaunen und Neugierde an. „Du überrascht mich. Aber gerne. Ich kann ja so auch nicht weglaufen“ scherzte er.
„Ich trage das schon eine ganze Weile mit mir rum. Es könnte sein, dass du dich etwas…. aufregen wirst. Wie gut fühlst du dich?“ fragte Diego vorsichtig.
„Gut genug. Mach dir keine Gedanken und sage mir einfach, was du auf dem Herzen hast.“
Sein Sohn seufzte. Vielleicht hätte er doch warten sollen. Sie beide, gemütlich vor dem Kaminfeuer mit einem Glas Rotwein in der Hand, so wäre ihm die Beichte lieber gewesen. Er blickte auf das Bett. Er würde es seinem Vater schonend beibringen – sofern es denn überhaupt eine Neuigkeit war. „Vater, du erinnerst dich an unser Gespräch vor einigen Tagen? Nach dem Tod meines Bruders? Als du mich gefragt hast, woher ich so gut fechten kann?“
„Ja, natürlich. Weshalb fragst du?“
„Nun ja … du hast dich sicher gefragt, weshalb ich dir damals nicht die Wahrheit gesagt habe. Man könnte fast sagen, dass ich durch mein Schweigen gelogen habe“ erklärte der junge Vega mit angespannter Stimme. Man merkte, dass er nervös war.
Alejandro schien davon nichts zu bemerken oder wenn, ließ er sich davon nichts anmerken. Ruhig blickte er seinen Sohn an und fragte mit sanfter Stimme: „Ich würde darüber nicht so hart urteilen. Aber was willst du mir sagen?“
Diego wich seinem Blick aus. „Es könnte sein, dass es noch die eine oder andere…. Kleinigkeit gibt, die ich auch nicht erwähnt habe.“
Sein Vater lächelte. „Naja, wenn es nur Kleinigkeiten sind …“
Er konnte sich nicht helfen, aber er hatte den Verdacht, dass sich sein Vater ein wenig über ihn lustig machte. Er schluckte, dann fuhr er fort: „Erinnerst du dich, als ich damals in Los Angeles angekommen bin? Als du und Victoria verhaftet wurdet?“
„Oh ja, Diego. Sogar sehr gut. Es war Zorros erster Auftritt.“
„Ja“ bestätigte sein Sohn verwirrt. Weshalb erwähnte sein Vater Zorro? „Was ich sagen wollte – der Alkalde hatte mich damals davor gewarnt, mich auch einzusperren, sollte ich etwas gegen ihn unternehmen.“ Nachdem er keine Antwort erhielt fuhr er fort: „ICH konnte nichts tun. Stattdessen musste Zorro euch helfen“.
„Ja, ich erinnere mich an die Geschichte, wie ich schon sagte. Aber weshalb erwähnst du sie? Das alles ist lange her.“
Wie es aussah war sein Vater nicht gewillt, es ihm einfach zu machen. Er holte nochmals tief Luft. „Ich war an eurer Befreiung beteiligt. Ich weiß auch, wer Zorro ist.“
Beide blickten sich nun fest in die Augen. „Sprich weiter, mein Sohn.“ Sein Vater blieb ruhig.
„Die Sache ist die ...“ Er schloss kurz die Augen, ehe er Alejandro wieder fest anblickte. „ICH bin Zorro, Vater.“ Er blickte angespannt auf den anderen. Wie würde er reagieren?
Der alte Patron reagierte zunächst nicht. Dann aber atmete er erleichtert aus. „Ja, ich weiß, Diego. Du hast ja gerade lange um den heißen Brei herumgeredet“. Und grinsend: „Glaubst du tatsächlich, du könntest unter meiner Nase dieses Doppelspiel führen und ich bemerke es nicht?“
„Wie lange? Wie lange weißt du es schon?“ rief der Sohn verblüfft aus.
Sein Vater lächelte entschuldigend. „Leider ist es so, dass ich deine Maskerade erst sehr spät erkannt habe. Ich hätte es wissen müssen. Ich habe deine Wesensveränderung nie hinterfragt. Tatsache ist, ich weiß es erst seit kurzem. Seit ich dich so fechten gesehen habe“ gab er zu und fuhr schließlich erklärend fort: „Allerdings auch da erst einige Zeit nach unserem Gespräch, als ich mir alles durch den Kopf gehen ließ. Du hattest ja auch vereinzelt im Pueblo gekämpft, allerdings sehr – verzeih bitte – stümperhaft. Weshalb solltest du vorgeben nicht kämpfen zu können, wenn du doch tatsächlich exzellent darin bist? Darauf gab es nur eine Antwort.“
Der junge Mann nickte. Sein Verdacht hatte sich damit bestätigt. „Du hattest nichts gesagt“.
„Ich hatte geschwiegen, so wie du. Ich sagte mir, wenn für dich die Zeit reif ist, wirst du es mir sagen.“
„Und hast dich sehr seltsam benommen“ murmelte Diego.
„Du musst entschuldigen. Ich bin wohl nicht ein so guter Schauspieler wie ich gerne wäre und konnte meine geänderte Einstellung dir gegenüber nicht immer verbergen.“
„Die Sache mit Victoria, mit dem Degen ...“
„Seit ich weiß, dass du Zorro bist, mache ich mir natürlich auch Sorgen. Mir ist es einfach wohler, wenn du nicht unbewaffnet herumläufst. Ich glaube auch nicht, dass dein Geheimnis dadurch in Gefahr gerät, da es dein alter Vater war, der dich dazu gedrängt hat. Und die Sache mit Victoria …“
Sein Sohn lachte. „Wer ist hier eigentlich der Fuchs? Du hast mich gedrängt, als Zorro mit ihr zu brechen.“
„Ja, damit die Sache mit euch zwei vorangeht. Ich möchte nicht ewig auf Enkel warten. Und als Zorro kannst du mit ihr nicht zusammenkommen solange der Alkalde hier ist , das weißt du so gut wie ich.“
„Und deshalb hast du ‚Diego‘ gedrängt, sie zu umwerben.“
„Ja“. Sein Vater grinste ihn an. „Ich musste aber mein Lachen verkneifen, als ihr beide den Spieß umgedreht habt.“
Der jüngere lachte freudlos. „Naja, nicht ganz. Zorro war es. Sie kennt mein Geheimnis nicht."
„Nicht? Ich hatte gehofft, du hast es ihr gesagt. Dann hast du ja noch einrichten Menge Arbeit vor dir, was Victoria betrifft.“
Diego seufzte tief, ohne zu antworten.
Sein Vater streckte die Hand nach seinem Sohn aus, die dieser rasch ergriff und fest drückte. „Ich werde dir helfen, Diego.“ Die Augen des Don blickten nun traurig und beschämt. „Es tut mir so leid. Ich hätte es wissen müssen. Du bist schließlich mein Sohn. Entschuldige all die Beschimpfungen als Feigling und dass ich dir vorgehalten habe, nicht kämpfen zu wollen. Ich schäme mich sehr dafür.“
„Nein, Vater. Wenn sich jemand entschuldigen muss, dann ich. Du warst oft sehr enttäuscht von mir und das wärst du nicht gewesen, hättest du die Wahrheit gekannt. Ich tat es zu deinem Schutz.“
Beide schwiegen. Diego umfasste die Hand seines Vaters noch eine Zeit lang, bis er sie schließlich wieder losließ. „Wir werden einiges zu besprechen haben in nächster Zeit.“ Alejandro wusste einiges noch nicht. Nicht nur, dass er den wahren Diego nicht kannte - da gab es auch die nicht angesprochenen Punkte wie Zorros Versteck, die Rolle von Felipe …
„Das denke ich auch. Und wenn mein Bein wieder gesund ist, hast du noch ein Versprechen einzulösen.“
Der junge Vega blickte ihn fragend an. „Fechtstunden, mein Sohn. Darauf freue ich mich, seit ich dir die Waffe gegeben habe.“
Hinweis: die kurze Traumszene am Anfang war ursprünglich anders. Sie hatte Zorro mit „Diego“ angesprochen, also sein Geheimnis erkannt. Ich habe es dann aber umgeschrieben weil ich es passender fand, dass der Traum seine Ängste widerspiegelt. Dass sie nur den Helden liebt, nicht den Mann hinter der Maske.