Ikantjey! Ikantjey! Vergesst mir ja nicht die Sphinxe!
Die letzten Worte von König Jeakan, dem Zwei-Finger-Nehmer, in der Schlacht von Tjendir
Die Sonne hatte ihren Lauf noch nicht begonnen und der Sand unter seinen Pfoten war noch kühl, als Mearestjohrg an der Seite seines Heeren Astjolivt nach Ikantjey lief. Am heutigen Tag war der Ritjost, der Rat der Sphinxe, in die Stadt alter Könige gerufen worden, um über die Zukunft zu entscheiden.
Das Rudel seines Bentjavkils hatte sich in den Schatten der Naswhryth weiter nördlich verborgen und auch Mearestjohrg würde seinen Herren an der Stadt verlassen, denn war es alleine den Bentjavkil erlaubt, an dieser Versammlung teilzunehmen.
Seit einundzwanzig sphinxischen Jahren diente Hadassas Bruder dem Bentjavkil Astjolivt bereits und in all diesen Jahren hatte er dessen Fähigkeiten zu schätzen gelernt.
In der Ferne tauchten die Ruinen dunklen Schatten gleich in der Dämmerung auf. Spitze Türme, die Dächer eingestürzt, verlorene Überbleibsel einstiger Herrlichkeit, stille Wächter über der Wüste, die längst vergessen hatten, was sie eigentlich bewachten. Halb verborgen unter Dünen lauerten zusammengebrochene Mauern, die einst Häuser und Speicher gebildet hatten und deren Funktion längst nicht mehr erkennbar war. Teile der Stadt waren komplett von der Wüste verschlungen worden, während weitere Teile ausgebreitet dalagen. Grundmauern und Türme, in die sich alles mögliche Getier eingenistet hatte.
Kurz bevor sie diesen Ort erreichten, bedeutete Astjolivt ihn anzuhalten.
„Ich möchte, dass du in der Nähe bleibst. Verberge dich in den Ruinen und achte auf alles, was sich bewegt und spricht.“.
„Astjolivt?“, fragte er verwirrt.
Ruhig sah der Löwe ihn an. „Habe ich dir je etwas befohlen, was sich nicht später als nützlich erwies? Und nie würde ich jemanden bitten, etwas zu tun, was gegen das Wohl unseres Volkes verstößt.“.
Und Mearestjohrg vertraute dem Bentjavkil. Zwar verschwand das Unwohl nicht, dass er gegen einen ausdrücklichen Befehl verstieß, in dem er sich in den Ruinen aufhalten würde, doch für diesen Sphinx war er bereit, alles zu tun.
„Wird etwas geschehen?“.
„Sicherlich, die Frage ist nur, ob es sich zum Schlechten oder zum Guten auswirken wird. Doch habe ich ein schlechtes Gefühl, irgendetwas rührt sich hier, was nicht an diesen Ort gehört.“.
Kurz erwog Mearestjohrg seinem Herrn von Hadassas Entdeckung zu erzählen, doch unterließ er es, denn würde seine Schwester es nicht wollen und war es immer noch ihr Geheimnis. Es war ihre Entscheidung gewesen, ihm ihre Beobachtung mitzuteilen und es war nicht sein Recht, diese weiter zu erzählen.
„Ich werde dich beschützen, mein Herr, bis es mein Leben fordert oder du mich aus deinen Diensten erlässt.“, wiederholte er seinen Eid, dann jagte er über die Wüsten davon.
Eine Weile wartete er, dann schlich er sich gegen den Wind an die Stadt an. Schon an den Tagen zuvor hatte er die Ruinen erkundet und dabei einige Verstecke entdeckt. Langsam näherte er sich dem Zentrum der einstigen Stadt, aufmerksam darauf bedacht, hinter Mauern und Sanddünen unsichtbar zu bleiben. Dann fand er ein am vorigen Tag entdecktes Versteck wieder und zwängte sich durch einen Spalt in den Bauch der Erde. Es war ein noch fast vollständig erhaltendes Haus, das vollkommen unter einer Sandschicht verborgen war. Einzig durch ein Fenster führte ein schmaler Durchgang in das Innere des einstigen Wohnraumes, den wohl vor Monaten noch Tiere als Versteck vor der Tageshitze genutzt hatten. Nun bedeckten nur noch Sand und Vogeldreck den Boden, doch war es ein wunderbares Versteck. Nur gefiel Mearestjohrg die Tatsache nicht, dass es nur einen Ausgang gab und er somit eingesperrt war, wenn es zum Kampf kommen sollte.
Er ließ sich auf den Boden fallen, legte den Kopf auf die Pfoten und lauschte auf die herankommende Versammlung.
Es waren insgesamt zweiunddreißig Bentjavkil - die Landesfürsten - und der Tchaveskov - der König -, die sich in den Ruinen der Vergangenheit einfanden. Stolze Löwen und Löwinnen, Inbilder von Stärke und Macht. Keiner von ihnen trug die Gestalt eines Menschen, denn war ein Mensch schwach und wehrlos, wenn auch geschickter, und hatte nichts in einer Beratung von Löwen verloren.
Es wurden keine Worte ausgetauscht, sondern verteilten sich die Sphinxe wieder, kaum, dass sie sich versammelt hatten. Denn jegliches wichtige Ereignis im Leben eines Sphinx wurde mit einer Jagd begonnen. Von der Heirat, dem Erwachsenwerden der Jungen und eben auch vor einer Beratung der Bentjavkil. Solche Treffen waren selten geworden und seit Jahren wurden nur noch im Kriegsfall die Landesfürsten zusammengerufen. Alle wussten somit, dass es ein bedeutender Moment sein musste, wenn die Bentjavkil zusammen kamen.
Als die Sonne aufging, kehrten die Sphinxe in die Stadt zurück. Die Jagd war erfolgreich gewesen, die Bäuche gefüllt und die Löwen zufrieden.
Sie setzten sich in einen Kreis, die Augen aufmerksam auf das jeweilige Gegenüber gerichtet. Tchaveskov Kahlivobh erhob sich als Erster und er musterte jeden Einzelnen der Sphinxe, bevor er zu sprechen begann: „Löwen und Löwinnen! Führer des Volkes Ikantjeys! Ihr wurdet zusammen gerufen, um eine große Jagd einzuleiten, eine gewaltigere, als es sie je gegeben hat.“.
Er schwieg kurz, dann führte er fort: „Ich spreche mich für einen Krieg gegen
Artherg aus, denn bedrohen sie unsere Vormachtsstellung in Anthar.“.
Gebrüll wurde laut, streitende Stimmen und Wut.
Astjolivt sprang auf und donnerte seine Pfote auf den Boden, so dass Sand aufgewirbelt wurde.
„Was haben wir an einem Krieg gegen Artherg? Seit fünfundsechzig Jahren haben wir uns nicht mehr in die Geschehnisse des Kontinents eingemischt. Und viele Reiche sind seitdem vergangen, Was würde uns Arthergs Niederlage bringen?“.
„Land!“, rief eine Stimme im Hintergrund.
Spöttisch sah Astjolivt den Sprecher an. „Land! Wir haben genug Land, mehr, als wir bewohnen können. Unser Volk lebt weit verstreut und weite Landstriche sind verlasen. Und soll unser Volk zu einem Geschlecht der grünen Länder werden und dabei die Wüste vergessen, wie sie es schon einmal taten? Nein, sage ich und Nein ist auch meine Antwort, auf Kahlivobhs Wunsch.“.
„Und warum sollten wir uns nicht in die Geschehnisse auf den Kontinent einmischen? Meine Ahnin Ascarna erreichte ihre Größe in Kriegen auf den Kontinent.“, rief der Tchaveskov mit Zorn in der Stimme.
„Doch vergrößerte sie unser Land allein in Kriegen mit den sphinxischen Völkern im Süden oder Osten von uns. Erst dein Vater Rjihav dehnte die Grenzen im zweiten Krieg des Grauens nach Norden aus.“, entgegnete ein weiterer Landesfürst ruhig. „Und damals war es ein Krieg zweier ebenbürtiger Mächte – der Menschen und Elben-, die Zwillingsreiche dagegen sind keineswegs mit Artherg vergleichbar.“.
„Lass uns lieber den Krieg gegen Jaszrev und Dirolmb wieder aufnehmen.“, forderte ein weiterer Sphinx, „In ihren Ländern fiel Ascarna und dort gibt es Land, wo wir uns ausbreiten können.“.
„Richtig!“, stimmte ein weiterer zu.
„Nicht nach Süden, nach Norden müssen wir uns wenden!“, schrie König Kahlivobh in einem Anflug von jugendlichem Zorn.
„Warum?“, fragte Astjolivt, „Was interessiert uns an Artherg?“.
„Wenn wir sie nicht angreifen, werden sie uns anfallen wie wilde Hunde.“, verteidigte der Tchaveskov seine Meinung schnell.
Einige Bentjavkil ließen zustimmende Rufe ertönen, weitere protestierten aufs Schärfste.
„Diese Zeit ist nicht gekommen.“, meinte eine der wenigen weiblichen Landesfürsten, die Bentjavkil Ristkja. „Schon viele mächtige Reiche haben sich erhoben und träumten davon, unser Reich niederzuwerfen, doch zerbrachen sie, bevor sie den Blick auch nur in unsere Richtung wenden konnten.“.
„Artherg ist mächtig, diszipliniert, hat ein gewaltiges Heer.“, erklärte der König. „Sie könnten durchaus eine Gefahr für uns werden.“.
„In Zukunft.“, rief ein Bentjavkil und schüttelte seine Mähne, „Oder in Träumen.“.
„Wir sollten uns unserem eigenen Land zuwenden.“, ergriff Astjolivt erneut das Wort, „Ich muss eine Stammesfehde beenden, die sich auszuweiten droht und nach meinen Kenntnissen gibt es auch im Osten einige Probleme.“.
Die Bentjavkil Ristkja und ein weiterer Bentjavkil, welcher bisher geschwiegen hatte, namens Rilistorivk neigten als Zeichen des Einverständnis ihre Häupter.
Ristkjas helle Stimme erhob sich über die Wüste, als sie erklärte: „Ein Schatten geht um in meinem Tal. Er kommt aus dem Osten und breitet sich aus. Man findet tote Tiere, die nicht verwesen, sofern die Herden nicht schon geflohen sind. Ich hatte gehofft, dass der Rat sich dieses Problems annehmen würde, ehe es über einen Krieg gegen Artherg nachdenkt.“. Ihre Worte waren sanft gesprochen, doch waren die Worte der Bentjavkil scharf gesprochen und ihre Stimme war fordernd.
Es war offensichtlich, dass der König die Kontrolle verlor, denn nun waren die wenigsten Bentjavkil noch bereit, seinen Vorschlag mit zutragen.
Zustimmend stapften sie nach Ristkjas Worten mit den Pfoten auf den Boden, wie es seit jeher ein Brauch der Zustimmung war.
Auch der König schien dies zu bemerken, denn mischte sich Verzweiflung in seine Stimme, als er sprach: „Einst stand meine Ahnin Ascarna, die Große, an diesem Ort, nach der Schlacht um eben diese Stadt. Damals forderte sie an der Seite des Tchaveskovs Keret Lisorque die Treue und Gefolgschaft der Bentjavkil und ihres Volkes – und wir Löwen folgten ihr und an ihrer Seite schritten wir in eine neue Welt der Herrlichkeit. Damals mischten wir uns in die Politik anderer Staaten ein, warum sollten wir es jetzt vermeiden? Oder fürchtet ihr euch vor Artherg? Sind wir schwach geworden im Angesicht des Feindes?“.
Die letzten Worte brachten einen wahren Sturm der Gefühle hervor, selbst Mearestjohrg setzte sich in seinem Versteck auf und seine Ohren zuckten nervös.
„Wir fürchten niemanden.“, schrie ein Sphinx aufgebracht.
„Wir sind die Könige der Wüsten!“.
„Artherg muss vor uns weichen!“.
Keiner war nun mehr ruhig, wütend diskutierten die Sphinxe miteinander und ein Paar sah so aus, als ob es kurz vor einem Zweikampf stand.
Doch dann erhob Bentjavkil Astjolivt sich von seinem Platz auf einer Düne und ging durch die Reihen der Sphinxe bis vor den Tchaveskov.
Der König war ein wenig größer und kräftiger als sein Landesfürst, doch war die Mähne Astjolivts dunkler und ausgeprägter, was ein Zeichen von einer guten körperlichen Verfassung war.
In seinem Versteck hielt Mearestjohrg den Moment für gekommen, in dem ein Löwe einen anderen herausforderte, um dessen Platz in der Gemeinschaft einzunehmen – oder an dem Versuch zu scheitern. Schon häufig hatte er sich gefragt, warum sein Herr nicht mit dem König einen Zweikampf geführt hatte. Vielleicht spürten auch die übrigen Versammelten den Moment eines stummen Kräftemessens, denn ließen sie von ihren Streitigkeiten ab und beobachteten das Paar.
Doch war das einzige, was der erfahrene Bentjavkil tat, eine Frage zu stellen.
„Ich frage mich nur, wieso unser König so darauf versessen ist, einen Krieg mit Artherg zu führen.“. Seine Stimme war ruhig und leise wie dieser Moment der vollkommenen Stille, bevor ein Sandsturm die Wüsten erschüttete.
Nun hob sich seine Stimme ein wenig. „Du beziehst dich auf Ascarna. Ich leugne nicht, dass sie eine gewaltige Tchaveskov und Kriegsfürstin war, doch hast du nicht verstanden, wer sie war. Du willst einen Krieg führen. Es gab schon einmal einen Sphinx, den es alleine danach verlangte, einen Krieg zu führen. Damals hätte er unser Volk fast in den Untergang gerissen, wenn nicht Ascarna gewesen wäre. Der Name dieses Löwen war Arivkjet.“. Verstehen mischte sich unter den Wahn in die Augen des Königs, doch nahm der kindliche Trotz Überhand.
Dennoch wagte er es nicht den Bentjavkil in seiner Erzählung zu unterbrechen. „Tchaveskov Arivkjet dürstete es danach, einen Krieg gegen Varyny zu führen. Jedoch vergaß er dadurch die wirkliche Gefahr, die Gefahr, welche sich damals im Westen rührte. Damals wurde unser Volk gerettet, denn fiel Arivkjet im Zweikampf gegen seinen Sohn Keret Lisorque, unter dessen und Ascarnas Führung wurden die feindlichen Mächte besiegt und vertrieben.“.
„Meinst du etwa, dass es dieselbe Macht wie damals ist, Astjolivt?“, fragte eine Sphinx.
„Ich weiß es nicht.“, erwiderte dieser, „Jedoch weiß ich, dass uns von Artherg vorerst keinerlei Gefahr droht, während sich eine geheimnisvolle Macht in unserem eigenen Land bewegt. Wir sollten in diesem Fall Prioritäten setzen.“.
„Richtig!“, brummte der älteste Bentjavkil dieser Versammlung.
„Und wenn der Hüter es von uns verlangt?“, fragte Kahlivobh und Mearestjohrg richtete sich in seinem Versteck auf, denn wahrlich war dies nun eine interessante Situation.
Die Sphinxe waren zum Großteil dem alten Glauben treu geblieben, der damals zur Zeit Ascarnas erneut entdeckt worden war und wenn Kahlivobh der Meinung war, dass der Hüter es so wollte. Mearestjohrg bezweifelte dies freilich, doch blieb die Frage bestehen, wie der Tchaveskov zu dieser Feststellung gekommen war und wie die Versammlung dies aufnehmen würde.
„Der Hüter würde nie verlangen, dass wir in den Krieg ziehen.“, protestierte Ristkja sofort, „Er ist niemand, der den Krieg verehrt, sondern verachtet ihn.“.
Erneut stampften die Bentjavkil zustimmend mit ihren Pfoten auf den Boden.
„Und wenn seine Diener mir erschienen sind, so wie sie einst Ascarna erschienen?“, rief Kahlivobh triumphierend.
„Dann zeig sie uns.“, forderte ein Löwe lautstark.
Erneut richtete der Tchaveskov sich auf und in seinen Augen lag der Ausdruck von wieder gefundenem Stolz.
„Zeigt euch!“, warf er in die nun herrschende Stille der Versammlung.
In seinem Versteck kroch Mearestjohrg zum Ausgang, denn wollte er sehen können, was nun geschah.
Zuerst blendete ihn nun das leuchtende Rot des Sonnenaufganges, das sich in einem strahlenden Gold über die Wüste ausbreitete. In der Ferne stand noch der rote Mond Adar als dunkle Silhouette am Himmel, doch war die Gestalt des Mondfürsten verblassend im Angesicht der strahlenden Sonnenkönigin.
Nun erkannte auch Hadassas Bruder die dunklen Gestalten, die über den Boden glitten, kaum greifbar in der Kulisse des Sonnenaufganges. Eine dunkle und unbestimmte Furcht breitete sich in dem Löwen aus und alles in ihm drängte nach Flucht. Allein die Liebe zu seinem Fürsten ließ ihn standhalten und an diesem Ort ausharren.
In diesem Moment war der zuvor noch so stolze Rat der Bentjavkil ein verängstigter Haufen, während der König an Macht gewonnen hatte. Schließlich erhob sich Astjolivt und in seinen Augen fand sich noch ein Rest einstiger Stärke.
„Dies sind keine Diener des Hüters. Du hast uns den Tod gebracht.“, warf er dem König vor.
„Was ich euch gebracht habe.“, erklärte dieser stolz und herrisch, „Sind Verbündete im Kampf gegen Artherg. Dies sind mächtige Fürsten, die uns helfen werden.“.
„Seid wann unterwerfen sich die Löwen fremden Fürsten?“, fragte Ristkja mutig und unerschrocken, auch wenn ihre Stimme zitterte.
„Seitdem die Bentjavkil ihren rechtmäßigen König nicht mehr unterstützen.“.
„Du vergisst die Gesetze unseres Volkes. Der Tchaveskov ist ein Teil der Bentjavkil, steht jedoch nicht über ihnen.“, entgegnete Astjolivt mit ruhiger Stimme-
„Diese Zustände mögen in Friedenszeiten herrschen, doch brechen nun Zeiten des Krieges an.“, bemerkte der König mit eisiger Stimme.
„Dann bist du ein Verräter an der rechtmäßigen Sache unseres Volkes.“. Stolz stand Astjolivt, der Bentjavkil der Astira dar, erhaben und ungebrochen war sein Blick.
„Wenn du dies so siehst, Astjolivt, dann sei dies dein Weg.“. Der König hob seinen Kopf und wandte sich den anderen Bentjavkil zu. „Wer sich bereit ist, sich meiner Sache anzuschließen, der trete neben mich.“.
Zuerst geschah nichts, doch dann löste sich ein Bentjavkil aus der hintersten Reihe und stellte sich an die Seite des Königs. Weitere folgten ihm, einige allein getrieben von Furcht, andere weil sie derselben Überzeugung waren, wieder andere alleine aus Machtgier.
Doch blieb ein standhafter Kern von siebzehn Bentjavkil bestehen, unter ihnen auch Astjolivt und Ristkja.
Kahlivobh schüttelte seine Mähne und betrachtete die Übriggebliebenen.
„Wenn dies eure Entscheidung sei, so sterbt.“.
Sofort gab Mearestjohrg sein Versteck auf und stürzte hervor. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vor Astjolivt und stellte sich schützend vor seinen Herrn.
Und nun geschah etwas Seltsames. Hatten die dunklen Gestalten bisher nur still dagestanden, wandten sie sich ihm zu und flüsterten mit rauchigen, zischelnden Stimmen: „Assscarrna“
Mearestjohrg zuckte zusammen, doch blieb er standhaft stehen und die Furcht rückte in weite Ferne.
„Und wer bist du?“, fragte Kahlivobh.
„Mearestjohrg Minjoskarnak.“, entgegnete er mit Stolz in der Stimme.
Einen Moment sah der Tchaveskov ihn erstaunt an, dann erklärte er: „Du bist Hadassas Bruder.“.
„Derselbige.“, bestätigte der Sphinx. „Und ich werde nicht weichen.“.
„Das habe ich auch nicht erwartet.“. Der Tchaveskov wandte sich um und sein Schwanz peitschte über den Boden.
„Tötet sie.“, befahl er mit scharfer Stimme. Sogleich wandten sich die übergelaufenen Bentjavkil um und stürzten auf ihre Brüder zu.
Mearestjohrg warf sich zur Seite und wich somit einem Löwen aus, der es auf ihn abgesehen hatte. Eine Kralle streifte seine Seite, doch fing sein Fell die Wucht des Schlages ab.
Die Luft war erfüllt vom Gebrüll und den Schlägen der Kämpfer. Fontänen von Sand wurden neben Mearestjohrg aufgewirbelt, als ein Löwe zu Boden krachte und sein Gegner sich über ihn beugte.
Allzu gerne hätte Hadassas Bruder auch in diesen Zweikampf eingegriffen, doch galt sein vorrangiges Interesse seinem Herrn Astjolivt.
„Wir müssen fort!“, schrie er ihm zu.
Der Bentjavkil neigte den Kopf, während er sich von seinem toten Gegner abwandte, der die Welt nun in einen Sandsturm hüllte.
Mearestjohrg wehrte einen Gegner ab, der ihn angesprungen hatte, und verbiss sich in dessen Hinterbein, während sie über den Boden rollten. Von wildem Zorn erfüllt schlug er seine Zähne in die Kehle des kräftigen Löwen, doch wurde dieser durch seine dichte Mähne geschützt. Lange Augenblicke rangen sie miteinander, doch dann stand Mearestjohrg über seinem toten Gegner und kämpfte sich erneut zu Astjolivt durch.
Dieser wurde von zwei Löwen zugleich attackiert und einer von ihnen warf den kräftigen Bentjavkil zu Boden. Verzweifelt drängte Hadassas Bruder sich vorwärts, doch war er zum Zuschauen verurteilt, denn trennten sie zu viele Gegner.
Der Sphinx beugte sich zu der schutzlos daliegenden Kehle Astjolivts herab und in einem wilden Aufschrei machte Mearestjohrg seinen Zorn und seine Verzweiflung deutlich.
Schon sah er die stolzen Augen seines Herrn, die seinen Gegner unverwandelt anblickten. Doch dann, im letzten Moment, pralle ein schlanker Schatten gegen den Löwen und anstatt in Fleisch trafen die Zähne allein Sand. Es war Ristkja, die Astjolivt gerettet hatte und während sie mit dem Angreifer auf Leben und Tod focht, bot sie Mearestjohrg die Möglichkeit, seinen Herrn in Sicherheit zu bringen.
Mit einem Ausbruch der Gewalt warf er die Sphinxe, die ihn von Astjolivt trennten, zur Seite und kämpfte sich zu seinem Herrn durch. Dieser stand schon wieder auf den Beinen und wehrte einen weiteren Gegner ab.
Die nächsten Minuten waren gefüllt von Kampfesschreien und dem Geruch des Blutes, doch irgendwie vermochte es Mearestjohrg unter der Aufbietung aller seiner Kräfte, seinen Herrn von diesem Schauplatz des Todes weg zu geleiten. Sie duckten sich hinter eine Düne und dann verschwanden sie, leise über den heißen Wüstensand, die Geräusche des Kampfes verblassten schon hinter ihnen.
Doch die Erinnerungen würden bleiben und mit ihr die leise Warnung, dass nicht länger mehr so war wie zuvor. Denn hatte ein Tchaveskov sein Volk verraten und mit ihm hatte sich eine grauenvolle Macht offenbart, von welcher sie nicht wussten, wie sie sie besiegen sollten.