So lange hatte sich Phil auf seinen Sommerurlaub gefreut. Ein winziges Häuschen direkt am Strand. Abgeschieden von den ganzen anderen Touris und Anwohnern. Auf einer kleinen Insel mit wenigen Sehenswürdigkeiten. Allein, nur für sich. Ruhe, Entspannung pur. Mehr brauchte der junge Anwalt nicht. Nur sein kleines Häuschen am Meer.
Er schloss die Tür auf, betrat das Haus, schloss sie wieder hinter sich und legte den Schlüssel in die Schale auf der Kommode neben der Tür. Er atmete tief durch, sog den Duft des Hauses ein, der ihm so bekannt war. Jedes Jahr fuhr er her, um die Ruhe zu genießen. Weg von all dem Stress in seinem Leben. Weg von Familie, Freunden, Job. Einfach nur weg. Allein sein.
Selbst seinen Herd hatte er ausgeschaltet. Er wollte jetzt eine Woche nicht gestört werden. Weder von seiner Mutter, die sich über ihre Arbeit beschwerte, noch von seinen Freunden, die ihn auf irgendwelche Partys einluden, die doch immer nur öde und langweilig waren. Und schon gar nicht von irgendwelchen Klienten. Die waren nämlich häufig am Telefon.
Nachdem er seine Schuhe ausgezogen und ins Regal gestellt hatte und sein Koffer unter der Treppe geparkt war, begab sich Phil als erstes in die Küche, um in den Kühlschrank zu sehen. Er nahm sich eine Flasche Wasser, öffnete sie und setzte gerade zum Trinken an, da hörte er etwas an der Tür. Wie erstarrt hielt er inne, setzte dann die Flasche ab und lauschte gespannt. Es klang, als ob jemand die Tür aufschließen würde. Aber das konnte nicht sein. Er hatte gebucht! Hektisch stellte er die Flasche auf den Küchentresen und huschte ins Wohnzimmer. Von dort aus späte er um die Ecke in den Flur. Er hielt den Atem an. Wer konnte das sein? Jemand von der Vermietung? Aber warum?
Die Tür ging auf und es kam ein Mann, etwa im selben Alter wie Phil, herein. Was machte der hier? Phil straffte die Schultern, fuhr sich mir der Hand durch seine dunklen Locken und betrat den Flur. Der andere Mann blieb abrupt stehen, als er ihn sah.
„Wer sind Sie und was machen Sie hier?“, fragte er verwundert. „Ich habe gebucht!“
Phil runzelte die Stirn. Gebucht? Er selbst hatte gebucht.
„Das kann nur ein Irrtum sein“, erwiderte er. „Bis zum 23ten gehört das Haus mir.“
Irritiert schüttelte der andere Mann den Kopf.
„Nein. Das geht nicht. Ich habe bereits für die Woche bezahlt!“, stellte er mürrisch klar.
Die beiden Männer sahen sich verwirrt an. Dann seufzte Phil und hielt dem anderen Mann versöhnlich die Hand zur Begrüßung hin.
„Ich bin Phil“, sagte er und zwang sich zu einem freundlichen Lächeln.
Der Fremde konnte sicher nichts für das Chaos. Die Vermietungsfirma hatte wohl einfach Mist gebaut. Sowas kam vor. Es würde sich sicher alles regeln. Der andere Mann schaute ihn zuerst grimmig an, dann wurden seine Gesichtszüge aber weicher und er streckte ebenfalls die Hand aus, um Phils zu ergreifen. Ihre Hände berührten sich und Phil war wie elektrisiert. Seine Haut kribbelte unter der Berührung des Fremden.
„Jörn“, stellte sich der Mann kurz und knapp vor. „Was machen wir jetzt?“
Phil ließ seine Hand sinken und überlegte.
„Wir fahren zum Vermietungsbüro und klären das vor Ort“, schlug er schließlich vor.
Jörn war einverstanden.
Eine halbe Stunde später standen sie am Tresen des Vermietungsbüros und versuchten der Empfangsdame klar zu machen, dass etwas schief gelaufen war.
„Ich sagte ihnen bereits, wir haben beide für diese Woche gebucht. Getrennt voneinander. Nicht zusammen. Wir kennen uns gar nicht. Ich hätte das Haus für mich allein haben sollen.“
Die Frau am Empfang schien immer noch nicht zu begreifen, wo der Fehler war. Jörn neben ihm schnaufte genervt. Er hatte sich vor ihm schon geschlagene 25 Minuten den Mund fusselig geredet. Ohne Erfolg. Jetzt wurde er deutlich ungeduldiger. Er schien allerdings generell keine sehr geduldige Person zu sein.
Phil selbst musste schon von Berufs wegen Geduld erweisen, weshalb er meist sehr ruhig und gelassen blieb. Er atmete also tief durch und begann, noch einmal von vorne ihr Problem zu schildern. Dieses Mal schien es bei der Dame klick zu machen. Sie bat um einen Moment, begann dann wild in Papieren zu wühlen, nebenbei in ihrem Computer herumzustöbern, und fand dann augenscheinlich das Problem.
Sie schaute beide zerknirscht an und meinte dann: „Es tut mir leid. Da ist etwas schief gelaufen.“
Jörn drehte sich in ihre Richtung und wollte offensichtlich unfreundlich etwas erwidern, doch Phil legte schnell eine Hand auf seine Brust, drängte ihn mit sanfter Gewalt hinter sich und fragte laut, um eventuellen Protest seitens Jörn zu übertönen: „Und wie lösen wir nun das Problem?“
Die Empfangsdame schaute genickt.
„Leider haben wir kein Haus mehr frei, um einen von Ihnen umzuquartieren. Ich könnte Ihnen nur eine Rückerstattung für denjenigen geben, der zuletzt gebucht hat. Das wäre dann Herr Waltberg.“
Phil atmete tief durch. Er war aus dem Schneider. Jörn schaute allerdings sehr entsetzt. Er tat Phil leid. Er konnte ihn doch nicht einfach wieder abreisen und seinen Urlaub vernichten lassen. Er konnte schließlich nichts für das Chaos und brauchte bestimmt auch seinen Urlaub. Außerdem war Phil kein Unmensch.
Deshalb meinte er versöhnlich: „Wäre es möglich zu zweit in dem Haus zu wohnen, die Woche über? Dann müsste Herr Waltberg nicht auf seinen Urlaub verzichten.“
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