Suryan der Draenei Schamane hatte sich gleich nach seinem Gespräch mit den wundervollen Lichtwesen O’ros, welcher über die Draeneihauptstadt Exodar wachte, für eine Reise nach Teldrassil bereit gemacht. Er packte das Nötigste ein und ging dann hinunter zur kleinen Schiffslände südwestlich der Stadtmauern. Dort fuhr regelmässig ein Schiff nach Darnassus.
Es dauerte nicht lange und es traf ein. Der junge Draenei ging an Bord und schaute über die Reling, hinab ins klare Wasser des Meeres.
Was würde ihn wohl im Land der Nachtelfen erwarten? Wohin würde ihn sein Schicksal führen? Würde er Tyrande wirklich so leicht finden, wie er hoffte? Ihm wurde bewusst, dass er von seinem zukünftigen Weg noch so wenig wusste, so wenig wie von den Tiefen des Meeres, in die er nun hinabblickte. So viel lag noch im Verborgenen…
Gerade als er das dachte, wurde die See auf einmal unruhig, die Wellen schwappten immer höher, sogar bis hinauf zur Reling. Kühle Wasserspritzer benetzten die bläuliche Haut des Draenei. Er wischte sie erstaunt weg, blickte dann wieder ins Wasser hinab, das nun auf einmal seine Klarheit verloren hatte. Das Schiff wurde seltsam erschüttert, als ob etwas in den tiefsten Abgründen der See zum Leben erwachen würde. Die Wasseroberfläche wellte sich auf einmal. Es sah so ähnlich aus, wie wenn man weit von ihnen entfernt einen Stein in ein Glas Wasser werfen, und sich kleine Wellen von innen nach aussen bewegen würden.
„Habt ihr das gesehen!?“ rief Suryan den Männern der Schiffsbesatzung zu. Diese jedoch starrten bereits wie Suryan ins Wasser. Ein schwarzhaariger Nachtelf erklärte dem Draenei: „Das passiert die letzte Zeit öfters, irgendwas muss da im Gange sein. Vermutlich irgendwo unterseeische Beben. Aber bisher verliefen sie harmlos. Allerdings… die Beben werden stärker. Man vermutet, dass es etwas mit dem Mahlstrom zu tun hat.“ „Mit dem Mahlstrom? Aber bisher gab es damit doch nie Schwierigkeiten!“ „Ich weiss, aber etwas tut sich dort. Die Schamanen des irdenen Rings, sind der Sache auf der Spur. Man munkelt, dass sogar Thrall an der Untersuchung beteiligt ist.“ „Thrall der Häuptling der Horde?“ „Ja. Man berichtet davon, dass Thrall sein Amt als Kriegshäuptling niedergelegt haben soll, um Azeroth nur noch als Schamane zu dienen…“ Suryan wollte eine weitere Frage stellen, doch in diesem Augenblick, ging eine noch gewaltigere Erschütterung durch das Schiff und die Wellen schlugen noch höher. Sie schwappten diesmal über die ganze Breite des Decks und alle Passagiere wurden pitschnass. Das Schiff neigte sich nun gefährlich, als die See immer unruhiger wurde. „Wir müssen aufpassen, sonst kentern wir! Holt die Segel ein!“ rief der Kapitän. Suryan hörte erschrocken diesen Befehl. Er versuchte sich zu konzentrieren und mit den Geistern des Wassers Verbindung aufzunehmen. Doch irgendwie schienen diese konfus und unruhig zu ein, er konnte keinen wirklichen Kontakt herstellen. Die sich immer mehr zuspitzende Situation, machte es ihm, als noch nicht so erfahrener Schamane, nicht etwa leichter. Wie ein Ball wurde das Schiff nun von den Wellen hin und her geworfen und es fiel Suryan schwer Halt zu finden. „So stark waren die Beben bisher noch nie!“ rief der schwarzhaarige Nachtelf. „Wenn wir das gewusst hätten, wären wir nicht gefahren!“ Dann geschah etwas Erschreckendes! Das Wasser zog sich auf einmal weit hinein ins Meer zurück und riss das Schiff mit sich. „Das ist gar nicht gut, überhaupt nicht gut!“ riefen einige der Schiffsbesatzung. „Das sieht ganz nach einem Tsunami aus. Aber… das hat es hier doch noch nie gegeben! Etwas ist da mächtig faul!“ Suryan lief es kalt den Rücken hinab. Erneut versuchte es mit den Geistern des Wassers Verbindung aufzunehmen: „Was ist geschehen! Warum seid ihr so unruhig?“ fragte er. Keine Antwort. Das Meer hatte sich mittlerweile so weit zurückgezogen, dass auf der einen Seite des Schiffes bereits der kahle Meeresboden freigelegt wurde. Wasserpflanzen, welche sonst anmutig von den Gezeiten hin und her gewiegt wurden, lagen nur noch wie eine glibrige Masse zwischen den nun ausgetrockneten , sonst farbenprächtigen, mit Leben erfüllten Riffen. Der Schamane sah einige Fische die hilflos auf dem freigelegten Meeresgrund herumhüpften. Das alles wirkte so schrecklich und grotesk. Das Schiff wurde nun immer höher und höher hinaufgehoben. Ein gewaltiger Abgrund, tat sich direkt vor Suryan auf. Das Schiff wurde immer weiter hinaus in den Ozean gesogen. Die Besatzung schrie: „Haltet euch fest!“ Niemand konnte mehr etwas tun. Die Masten mit den eingerollten Segeln, schlenkerten unkontrolliert hin und her. Alles was nicht niet- und nagelfest war, flog herum. Mehrere gewaltige Rucke gingen durch das Schiff und Suryan wurde von den Beinen gerissen und gegen die hölzerne Brüstung der Reling geschleudert. Ihm wurde schwarz vor Augen und einen Augenblick lang, verlor er das Bewusstsein
Es dauerte jedoch nur kurz, dann drangen wie durch einen Nebel hindurch, die nun von blanker Panik erfüllten Schreie seiner Mitreisenden zu ihm durch. „Die Welle fliesst zurück! Festhalten! Mögen die Götter uns gnädig sein!“ Suryan wollte sich erheben, doch noch war er zu benommen, sein ganzer Körper schmerzte. Mit letzter Kraft, webte er einen Zauber. Es war der Zauber der Wasseratmung. Eine besondere Gabe der Schamanen. Diesen konnten sie auch auf andere Lebewesen legen. Das tat Suryan nun, um sich selbst und auch den andern auf dem Schiff eine grössere Überlebenschance zu geben. Doch der Zauber zerrte an seinen Kräften und so, fiel er erneut in eine tiefe Ohnmacht.
Und… die grosse Welle wurde enfesselt!
Sie prallte gegen das Schiff, schleuderte es herum, so dass es kenterte. Einige der Passagiere, wurden von den Trümmern getroffen und fanden dadurch den Tod, andere verloren wie Suryan das Bewusstsein, wurden in die kalten, wirbelnden Tiefen des tobenden Meeres hinabgezogen, weit fortgetrieben, in die offenen Gewässer zwischen Kalimdor und den Östlichen Königreichen. Doch dank dem Zauber, welchen der junge Schamane noch auf sie legen konnte, überlebten einige von ihnen das Unglück relativ unbeschadet.
Der Sog des sinkenden Schiffes zog Suryan hinab in die Tiefe. Doch dieser erwachte nicht sogleich aus seiner Bewusstlosigkeit. Er sank, sank immer tiefer und… über die Weiten dieser wirbelnden Tiefen erhob sich der entsetzliche Ruf einer zutiefst bösen, verlorenen Kreatur: „Schmerz! Qual! Mein Hass, brennt sich durch die Untiefen der Erde!“…
Suryan zuckte zusammen, spürte die kühlen Fluten um sich herum, der Druck des Wassers, der in dieser Tiefe schon etwas erhöht war. Einen Moment lang, wollte er in Panik ausbrechen, so schnell wie irgend möglich wieder nach oben schwimmen, doch dann besann er sich anders. Er konnte dank des Zaubers normal atmen, wie an der frischen Luft, auch wenn sich das Atmen hier etwas anders anfühlte. Er blickte nach oben. Der Wasserspiegel schien ihm sehr weit weg und doch drang noch genug Helligkeit zu ihm vor. Sein Körper schmerzte immer noch überall, besonders sein Kopf. Wo nur war er hier gelandet? Er blickte sich um. Gewaltige, grüne Wasserpflanzen, welchen einen Art Unterwasserwald bildeten, wuchsen hier. Einige Frackteile von Schiffen lagen herum. Er schwamm langsam zwischen den gewaltigen, biegsamen Stämmen der Pflanzen hindurch. Vor ihm befand sich ein gewaltiges Riff, das in allen Farben schimmerte. Korallen verschiedenster Arten, überwachsen mit Seeanemonen, Seeigeln und verschiedensten, exotischen Pflanzenarten, ragten empor Da und dort gab es mächtige Muscheln und Seesterne, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Und… unten in diesem Riff, befand sich eine dunkle Öffnung!
Suryans Herz setzte einige Schläge aus. Vielleicht, gab es dort eine Unterwassergrotte, in der er Zuflucht finden konnte, bis er genau herausgefunden hatte, wo er sich befand! Er musste es versuchen. Mit schnellen Schwimmbewegungen hielt er darauf zu. In allen Farben glitzernde Fische schwammen um ihn herum, es war zauberhaft. Vor dem Höhleneingang, hielt er nochmals inne und tastete selbige mit seinen schamanischen Fähigkeiten ab. Er drang geistig tief in die Grotte vor und… tatsächlich, sie war in der oberen Hälfte trocken. Hier würde er die Nacht verbringen können. Keine feindlichen Lebensformen, schienen sie zur Zeit zu bewohnen. Doch Leben spürte er trotzdem. Das Echo einer Energie war ihm erstaunlich vertraut, doch er konnte sie noch nicht richtig einordnen. So nahm er sich ein Herz und schwamm in die Höhle hinein. Einige glitschige Leiber, streiften seine Haut, vermutlich irgendwelche Meeresbewohner, Muränen etc. welche sich hier eingenistet hatten. Doch Suryan fürchtete sie nicht. Seine tiefe Verbindung mit den Elementen und der Natur hatten ihn gelehrt, dass nur die wenigsten Lebensformen eine wirkliche Gefahr für den Menschen darstellten, wenn man nur damit umzugehen verstand.
Blind, sich nur auf seine Sinne verlassend, schwamm er weiter durch einen zum Glück ziemlich breiten Zugang und kurz darauf, tauchte er aus dem Wasser auf und stand auf dem steinernen Boden der Höhle! Er beschwor die Geister des Feuers und eine flammende Kugel erschien zwischen seinen Händen. Er hob sie hoch und sah sich um. Die Höhle war nicht sonderlich gross, aber gross genug. Ein kleiner Wasserfall lief auf einer Seite herab.
Instinktiv probierte Suryan das Wasser und… oh Wunder, es schien sich dabei um Süsswasser zu handeln! Irgendwo tief im Fels, musste sich eine unterseeische Quelle befinden. Wenigstens war nun das Problem mit dem Trinkwasser gelöst und etwas zu Essen, würde sich auch noch auftreiben lassen. Er gedachte ja nur eine Nacht hier zu bleiben und dann wollte er an die Meeresoberfläche zurück, um sich zu orientieren. Er hatte keine Ahnung, wohin es ihn verschlagen hatte.
Suryan sah sich weiter um und stellte fest, dass noch ein paar alte Holzfässer auf dem Höhlenboden herumlagen. Es musste also schon mal jemand vor ihm hier gewesen sein.
Er dachte an die vielen, die mit dem Schiff untergegangen waren und immer wieder musste er an die grausame Stimme denken, die er im Zustand zwischen Bewusstsein und Unterbewusstem wahrgenommen hatte: „Schmerz, Qual! Mein Hass brennt sich durch die Untiefen der Erde!“ Was für eine schreckliche Kreatur hatte da gesprochen? Suryan hatte deutlich wahrgenommen, wie die Elemente vor Schmerz aufschrien, als sie erklang, oder vor Zorn? Ach es war alles so verwirrend! Wie nur hatte es soweit kommen können, dass er hier gelandet war? Was war aus all dem armen Geschöpfen geworden, welche das Schiffsunglück miterlebten, das so plötzlich, so grausam über sie hereingebrochen war? Was war es gewesen, das solches Chaos anrichtete? Der Draenei wusste, dass das alles irgendwie zusammenhing und… er hatte auf einmal das komische Gefühl, dass ein Unheil über seiner neuen Heimat Azeroth schwebte, wie ein schwarzer, schrecklicher Totenvogel… Gerade als er das dachte, hatte er eine seltsame Vision! Der schwarze Totenvogel verwandelte sich auf einmal und aus ihm… wurde ein schwarzer Drache, welcher von innen heraus zu glühen schien! Er flog direkt auf Suryan zu und dieser schrie entsetzt auf und fiel rücklings auf den harten Höhlenboden. Er keuchte auf, doch dann war alles auch schon wieder vorbei und er erhob sich wieder. Die Elemente waren in Aufruhr, das spürte er auch an den Flammen, mit welchen er gerade ein Feuer zu entfachen suchte. Die Bretter der alten Fässer dienten ihm dabei als Feuerholz. Die Flämmchen flackerten unruhig, beinahe ängstlich und Suryan hielt Zwiesprache mit ihnen: „Was beunruhigt euch so, Geister des Feuers?“ Und die wispernden Stimmen der Flammen erwiderten. „Er ist ganz nahe, der Zerstörer ist ganz nahe. Er windet sich in den Tiefen der Erde, darum ist die grosse Welle gekommen, darum haben die Geister des Wassers sich aufgebäumt. Alles bäumt sich im Schatten seiner Schwingen auf, sei auf der Hut! Sei auf der Hut!“ Der junge Draenei atmete schwer, es kam ihm vor, als würde die ganze Welt auf seiner Brust lasten. So beklommen, so ängstlich hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt. Er suchte Zuflucht bei der lichtvollen Macht der Naruu und ein heller, bläulicher Lichtschein erschien über seinem Kopf.
Sogleich wurde es ihm leichter und er dankte den Naruu für ihre Gabe. „Seid ganz ruhig!“ sprach er zu den Flammen „hier droht uns keine Gefahr!“ Die Feuergeister beruhigten sich etwas, doch er spürte noch immer ihre Unruhe, denn dieselbe Unruhe hatte auch von ihm Besitz ergriffen. Was war gemeint mit dem Zerstörer, was war damit gemeint, dass er sich in den Tiefen der Erde aufbäumte? Der junge Schamane, versuchte noch etwas mehr von den Elementen zu erfahren, doch er bekam keine richtige Antwort mehr. So entschloss er sich, erstmal etwas auszuruhen. Danach würde er weitersehen. Er legte sich ans Feuer und schneller als er gedacht hatte, schlief er ein.
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Die Nacht bracht herein und mit ihr die Dunkelheit, über die Weiten des farbenprächtigen Ozeans. Ihre glitschigen, stromlinienförmigen Körper glitten vollkommen lautlos durch das Wasser. In der nun vollkommenen Dunkelheit, hätte kein lebendes Wesen sie wahrgenommen, wären da nicht diese seltsamen Augen gewesen. Grünleuchtend, so wie sie die Blutelfen besassen. Dies kam von der mächtigen, arkanen Magie, welcher sie schon seit ihrem tiefen Sturz vor Äonen, verfallen gewesen waren. Ihre Gier nach der Magie des Sonnenbrunnens war es gewesen, welche sie dazu veranlasst hatte, sich mit den dunkelsten Mächten zu verbünden, die es jemals im Universum gegeben hatte. Diese Mächte wurden verkörpert vom mächtigen, verderblichen Titanen Sargeras, der damals mit seiner brennenden Legion in die Welten eingefallen war. Sie hatten die Pforte geöffnet… damals, seither waren sie verflucht und mussten ihr Dasein als schlangengleiche Kreaturen, mit nur wenigen Überbleibseln der Menschlichkeit in ihren Gesichtern fristen.
Sie waren die gefallenen Hochgeborenen, einst die mächtigsten Elfen der Welt, nun jedoch waren sie zu etwas anderem geworden: Zu den Naga!
Seit langer Zeit, hatten sie stets in den Tiefen der Ozeane, oder an nur wenigen Plätzen in Azeroth ihr Unwesen getrieben. Nun jedoch hatte sich etwas grundlegend verändert. Das grosse Verderben, das die Welten erneut zu zerreissen drohte, hing diesmal jedoch nur indirekt mit dem Sonnenbrunnen zusammen. Es war etwas anderes. Eine verderbliche Kreatur, besessen von einem uralten Bösen, dass schon Sargeras gerufen hatte und dem sie nun ebenfalls dienten. Nun sahen sie ihre Zeit gekommen.
Schon seit Tagen streiften sie als kleine Gruppe, von zwei Männern und zwei Frauen, durch die weiten unterseeischen Landschaften, immer auf der Suche nach jenen, die sie zu stoppen suchten: Abgesandte der Allianz, wie der Horde. Durch die vielen Beben, welche den Ausbruch des Zerstörers bereits in aller Macht ankündigten, waren diese freiwillig oder auch unfreiwillig in das Hauptterritorium der Naga eingedrungen und diese hatten bereits Verwendung für sie. Sie wollten die Sterblichen versklaven. Da waren sie sie gleich los und konnten dennoch einen Nutzen aus ihnen ziehen. Diese niederen Wesen, würden ihnen ungewollt zu gewaltiger Macht verhelfen.
Der Anführer der sechköpfigen Truppe, sein Name wa Ik’riss, hatte eine weitere Fährte aufgenommen. Nagas sahen und hörten sehr gut, ausserdem war ihr Geruchssinn wie bei den Schlangen bestens ausgeprägt. „Irgendwo in der Nähe befindet sich ein Sterblicher. Ich glaube, es ist einer der Draenei.“ „Draenei sind sehr mächtig“, gab eine der weiblichen Naga zu bedenken. Sie besass wie Ik’riss, smaragdgrüne Schuppen und man hätte ihr Gesicht beinahe als hübsch bezeichnen können, wären da nicht die entstellenden, schlangengleichen Züge und die schuppige Haut gewesen. „Er scheint zu schlafen“, erwiderte der männliche Naga ruhig „ich nehme keinerlei Bewegung wahr. Dort… in der Höhle! Seid leise!“ Die andern der Gruppe taten wie ihnen geheissen und glitten ohne das geringste Geräusch in die Höhle hinein.
Sie erblickten den grossen kräftigen Körper des Draenei, welcher an einem beinahe erloschenen Feuer lag. Auf dem Land konnten sie sich nicht gar so lautlos bewegen, aber dank ihrer schlangengleichen Körper, kamen sie trotzdem gut voran. Ik’riss, machte ein paar Handbewegungen und die sechs Nagas versammelten sich um den Schlafenden…
Suryan hatte schwere Träume, all die schrecklichen Erlebnisse der letzten Stunden, suchten ihn wieder heim. Er sah vor sich Bilder voller Schrecken und Grausamkeit. Der schwarze Drache, der sich auf ihn zubewegte… Andere Kreaturen tauchten auf. Es waren Nagas! bedrohlich bewegten auch sie sich auf ihn zu und dann… schreckte Suryan hoch!
Kalter Stahl an seiner Kehle, liess ihn jedoch sogleich in seinen Bewegungen innehalten. Zu Stein erstarrt, begriff er langsam, dass sich seine Alpträume wenigstens zum Teil bewahrheiteten. Die schrecklichen schlangengleichen Wesen- die ihm so bekannten Naga, standen wirklich um ihn herum und der Grösste von ihnen, hielt ihm sein mächtiges Breitschwert an den Hals. Ihre grünen Augen funkelten unheilvoll in der nun beinahe vollkommenen Dunkelheit der Höhle. „Ach, ein Schamane!“ zischte eine der Frauen in gebrochenem globalisch. „Die entwickeln sich ja zu einer richtigen Pest die letzte Zzzeit. Nun wenigstensss beherrschen sie die Wasseratmung, das erspart uns viel Arbeit.“ „Passst gut auf ihn aufff!“ zischte die andere Frau. „Errr darf seine Hände nicht bewegen. Fessselt ihn gleich!“ Die Männer gehorchten ohne Murren. Die Frauen schienen eindeutig intelligenter und mächtiger zu sein, auch wenn der Grosse die ganze Gruppe, wenigstens augenscheinlich anzuführen schien.
„Losss, auf die Beine. Schamane!“ zischte dieser nun „wirrr bringen dich von hier weg!“ „Aber… wohin?“ wagte Suryan zu fragen. „Dasss, wirrrst du noch früh genug sehen!“ Die männlichen Naga, rissen den jungen Draenei auf die Beine und hielten ihn mit ihren Waffen in Schach. Die Frauen besassen vier Arme. In zwei Händen trugen sich leichte Stangenwaffen und um die beiden andern herum, ballte sich bläulich- magische Energie. Sie waren zu einem Zauber bereit, sollte Suryan versuchen zu fliehen. Doch viel konnte er doch nicht tun, wenn er seine Hände nicht bewegen konnte. Die Naga stiegen mit ihm ins Wasser, zwei von den Männern, packten ihn mit kräftigem Griff unter den Armen und dann… schwammen sie in einem unglaublichen Tempo los. Suryan war gar nicht darauf gefasst, ihn schwindelte, als er durch das Wasser gerissen wurde, hinter sich eine weisse Schaumspur herziehend.
Die Umgebung jagte an ihm vorbei, er konnte keine Einzelheiten mehr erkennen. So konnte er auch nicht genau feststellen, wohin er gebracht wurde. Es ging alles einfach zu schnell.
Silhouettenhaft tauchten nun noch mehr der riesigen Wasserpflanzen auf, welche teilweise bis zur Wasseroberfläche reichten. Alles um ihn herum, wurde zu einem Wirbel von bunten Farben und Suryan musste sich anstrengen, nicht noch einmal bewusstlos zu werden, denn der Widerstand des Wassers und der veränderte Druck hier, setzten ihm zusätzlich zu. Vor ihnen tauchte nun ein grosser bewegungsloser Schatten auf, der Draenei glaubte die Umrisse eines mächtigen Schiffes auszumachen. Die Naga wurden jetzt zum Glück langsamer und Suryan kam wieder etwas zu Atem. „Hierrr rasten wir kurz,“ meinte der Anführer. Die andern Nagas nickten und tauchten, Suryan noch immer festhaltend, hinein in das grosse Wrack. „Hierrr drin gibt es einen Luftraum“, sprachen sie. Tatsächlich war im oberen Bereich des Schiffes eine Luftblase entstanden. „Esss sind noch mehr hierrr,“ meinte einer der Nagamänner. „Noch mehrrr Gefangene. „Derrr Konflikt zwischen Horde und Allianz macht uns unsere Arbeit leicht. Die beiden Fraktionen bekriegen sich und versenken sich gegenssseitig ihrrre Schiffe. Auch die Kräfte desss Zerstörers setzen ihnen zu und wirrr müssen nur noch die Früchte pflücken. „Wer… ist eigentlich der Zerstörer?“ wagte Suryan zu fragen. Der Naga lachte ein schmutziges Lachen und sein kaum noch menschliches Gesicht wurde dabei noch mehr entstellt: „Du weissst wirklich nicht, werrr der Zerstörer ist? Woher kommst du bloss?“ „Von der Azurmythosinsel.“ „Und nie etwas von Todesschwinge gehörrrt?“ „War das nicht einst der Wächter der Erde?“ Der Naga lachte erneut dreckig auf. „Allerrrdings, doch nun nennt man ihn nur noch den Zerstörrrer.“ „Aber… er ist doch schon lange tot.“ „Das glaubst auch nurrr du! Er ist lebendiger denn je und wirrr, haben uns mit ihm verbündet.“ Als Suryan das hörte verspürte er plötzlich Zorn in sich aufsteigen. Er zischte: „ Das ist natürlich klar, ihr habt euch schon immer für die falsche Seite entschieden. Dabei, war euer Volk mal so gross, so wunderbar und schön. Jetzt seid ihr nur noch verdammte Kreaturen, die das Licht nie mehr schauen werden. Ich bemitleide euch.“ Die Nagas lachten alle auf. „Wir sind unsss Beleidigungen von den niederen Wesen gewöhnt. Dasss berührt uns schon lange nicht mehrrr.“ „Ihr seid die niederen Kreaturen hier!“ erwiderte Suryan kalt. „Wir wissen um die Arroganz der Draenei“, sprach eine der Frauen nun. „Sie hielten sich schon immer fürrr etwas Besonderes. Dabei sssind sie, wie ihr Name schon sagt, die im Exil Lebenden. Sie sssind auf der Flucht vor jenen, die ihnen zu gewaltiger Macht verholfen hätten. Kil’Jaeden und die anderen grossen Eredar jagen sie, weil sie zu dumm waren sich ihnen anzuschliessen, nur weil irgendein Prophet das nicht wollte. Wir… werrrden nicht so dumm sein.“ Nun staunte Suryan doch. Die Naga wusste eine ganze Menge, dagegen wusste er sehr wenig. Er war bisher noch nie weiter als bis zur Blutmythosinsel gekommen. So schwieg er leicht beschämt. Die Naga lächelte spöttisch und er war froh, als sie den oberen Raum des Wracks erreichten. Dort befanden sich noch mehr der schleimigen Nagas und… wie angekündigt, einige weitere Gefangene. Es waren Mitglieder der Horde und der Allianz gleichermassen, ein Troll, ein Orc und zwei Menschen. Alle schwer bewacht. Suryans Blick fiel auf den eindrücklichen, mächtigen Orc, mit smaragdgrüner Haut schwarzen, zu zwei Zöpfen geflochtenem Haar und herben Gesichtszügen. Seine Kleidung wies ihn als einen Schamanen aus, was den Draenei irgendwie beruhigte. Sie wechselten einen Blick. Der Orc sah ihn misstrauisch, aber zugleich irgendwie neugierig an.
Die Naga liessen Suryan los und schubsten ihn zu den andern Gefangenen. Er landete neben dem Troll und einem Mensch. Die Naga scherten sich nicht darum, dass hier Erzfeinde direkt nebeneinander sassen. Der Mensch, der eine ziemlich zerzauste Uniform trug einen dunklen, kurzen Bart und dunkle Haare hatte, sprach mit lauter Stimme zu den Naga: „Zündet ihr Missgeburten wenigstens diese Nacht ein Feuer an?“ Die Naga wandten sich mit verachtender Mine an ihn und einer der Männer sprach: „Nein, es gibt hier kein Feuer, wir mögen Feuer nicht, ausserdem gibt es zu viele Schamanen hierrr.“ Der Orcschamane sagte etwas in seiner kehligen Hordensprache, es klang zornig. „Sprich globalisch, Deinen Mitgefangenen zuliebe!“ meinte der Naga. „Wir verstehen wasss du sagst. „Auch wenn deine Hände gefesselt sind, kannst du uns gefährlich werrrden.“ Der Orc stiess einige weitere Worte in seiner Sprache aus, es war als würde er sie mit tiefster Verachtung ausspuken. Vermutlich eine Beleidigung, doch der Naga liess sich nicht davon beeindrucken. „Dir wirrrd deine Aufmüpfigkeit schon noch vergehen, wenn du erstmal die Perlen von Nespirah abbauen musst.“ Nespirah? Was war das? Suryans Neugier war geweckt, doch er wollte die Nagas nicht danach fragen. „Nespirah, ist eine Halbgöttin, sie hat die Gestalt einer gewaltigen Muschel“, erklang auf einmal eine Stimme in seinem Kopf. Er schaute den Orcschamanen erstaunt an. Ohne Zweifel, hatte dieser mit ihm auf telepathischem Wege Verbindung aufgenommen. Das war eine Gabe, die alle Schamanen, egal welcher Rasse sie angehörten, gemeinsam hatten. Sie konnten sich so immer und zu jeder Zeit verständigen, auch über weite Distanzen hinweg. Suryan freute sich, dass der Orc mit ihm sprach. „Du kennst dich hier aus?“ fragte er zurück, möglichst darauf bedacht, den Orc nicht zu sehr anzustarren, um keinen Verdacht zu erwecken. „Auch nicht sonderlich gut, aber ich kenne einen andern Schamanen: Erdheiler Duarn, einen Tauren. Er berichtete mir von Nespirah und dass die Nagas ihre Perlen abbauen, Sklaven der Allianz und der Horde, sollen ihnen dabei helfen. Wie wir z.B. Was genau sie vorhaben, wissen wir noch nicht. Wir sollten zusehen, dass wir baldmöglichst hier verschwinden!“ „So einfach wird das nicht sein Wie heisst du eigentlich?“ „Ner’mul und du?“ „Suryan.“ „Du bist ein Draenei, nicht wahr?“ „Genau. Aber zurück zu unserer Flucht! Mir ist da eine Idee gekommen.“ Der Orc schien erfreut und fragte: „Was für eine Idee, du weisst wir sind gefesselt, wir können unsere magischen Kräfte nicht nutzen, wenn wir unsere Hände nicht frei haben.“ „Einen Zauber jedoch, können wir auch so wirken.“ Der Orc überlegte: „Meinst du vielleicht den Geisterwolf?“ „Ja genau. Wenn wir uns in ihn verwandeln, werden unsere Fesseln abfallen und dann können wir unsere Kräfte wieder voll nutzen.“ „Diese Naga Weiber sind aber sehr gute Zauberinnen. Ich weiss nicht, ob wir alle besiegen können.“ „Wir sind zu zweit, wir könnten unsere Kräfte vereinen und einen Zyklon erzeugen, der dieses Schiffswrack hier an die Wasseroberfläche trägt. Zuerst müssen wir als Geisterwölfe aber die beiden Magierinnen ausschalten, sie sind die einzigen die uns wirklich gefährlich werden können, dann befreien wir die andern, dass sie uns bei den restlichen Naga helfen können. Wir müssen sehr schnell sein und darauf achten, dass keinem der Gefangenen etwas passiert.“ „Gut, wann schlagen wir also zu?“ „Ruhen sich diese Nagas auch mal aus?“ „Ja, meistens halten zwei von ihnen Wache, während die anderen ruhen, doch sie haben einen leichten Schlaf.“ „Dann müssen wir besonders auf der Hut sein. Warten wir also, bis der grösste Teil von ihnen schläft.“
Die Stunden vergingen viel zu langsam. Suryan beobachtete wie es immer finsterer wurde. Kein Feuer erhellte die Dunkelheit, die im Wrack noch intensiver war. Schliesslich erlosch auch der letzte Lichtschimmer, die helleren Vierecke der Fenster, waren bald kaum mehr vom Rest der Umgebung zu unterscheiden. So konnte er sich wiederum nur auf seine mentalen Fähigkeiten verlassen. Er und der Orc hatten die letzten Stunden, immer wenn sich eine gute Gelegenheit ergab, den andern Gefangenen vielsagende Blicke zugeworfen, damit sie wussten, dass sie einen Plan hatten. Doch die Nagas waren sehr aufmerksam, besonders der grosse Anführer der Gruppe, die Suryan hergebracht hatte und es war deshalb nicht einfach keinen Verdacht zu erregen. Dann jedoch schien der richtige Moment gekommen. 5 von den nun gesamthaft 7 Naga, legten sich zur Ruhe nieder. Sie zogen sich ins Wasser unterhalb der Luftblase zurück. Ab und zu sah Suryan noch ihre magischen, grünen Augenpaare durch die Finsternis funkeln, doch dann erloschen auch diese Lichter nach und nach, als die widerlichen Kreaturen hinüberglitten in das Reich der Träume, was auch immer das für Träume sein mochten. Vorsichtig tastete er mit seinen Sinnen jeden der Naga einzeln ab, achtete darauf wie sich ihr Atem beruhigte und es immer stiller um sie wurde. Die Aufmerksamkeit der beiden Nagas, einer Frau und einem Mann, die Wache hielten, blieb jedoch nach wie vor ungebrochen. Es entging ihnen nichts und Suryan vermutete, dass sie im Dunkeln auch noch ziemlich gut sahen. Er spürte, wie Ner’Mul dasselbe tat wie er. Die beiden Schamanen, blieben stets im Geiste miteinander verbunden und als der richtige Moment endlich gekommen schien, waren beide bereit loszuschlagen.
Als sich auch bei den wachenden Nagas nach und nach etwas Müdigkeit einstellte und sie ein wenig ihre Aufmerksamkeit von den Gefangenen abzogen, rief Suryan im Geiste: „Jetzt!“ Zur genau selben Zeit, wirkten die beiden Schamanen ihren Zauber. Die Transformation in den durchschimmernden Geisterwolf ging blitzschnell vonstatten!
Die Fesseln lockerten sich und glitten durch den nun de-materialisierten Körper des Tieres hindurch. Mit einem gewaltigen Satz, schnellten die beiden Schamanen nach vorne und durchtrennten, ebenfalls fast gleichzeitig, die Halsschlagader eines ihrer Bewacher. Die andern Naga erwachten nun auch, aber sie waren noch leicht benommen. Suryan verwandelte sich nun zurück in seine alte Gestalt, während der Orc, sich noch immer in Wolfsgestalt auf die zweite Magierin stürzte. Er war als Geisterwolf viel schneller als sonst und so setzte er auch ihrem Leben ein blitzschnelles Ende, ehe sie nur einen Zauber wirken konnte. „Das war ja einfacher als ich dachte“, freute sich Suryan. Er packte das Schwert des ersten Nagas, den er getötet hatte und schnitt dem schwarzhaarigen Menschenmann die Fesseln durch. „Befrei die andern!“ befahl er. Dann wandte er sich um und sandte einen Kettenblitzschlag gegen drei der Naga, welcher sie alle nacheinander mit blauem Licht durchzuckte. Die Schlangenwesen, wurden zurückgeschleudert und blieben einen Moment lang liegen. Danach begann der Draenei mit erhobenen Armen den geplanten Zyklonzauber zu wirken.
Das Schiffswrack begann zu ächzen und zu stöhnen. Suryan rief die Macht der Luftgeister herab, welche das Wasser um sie herum aufwühlten. Das Schiff erzitterte und schwankte bedenklich hin und her, als der Strudel sich anfing darum herum aufzubauen. Die andern drei Gefangenen waren nun alle frei. Beim Troll handelte es sich um einen Priester, bei den Menschen um zwei Soldaten. Ziemlich schnell waren sie an Waffen gelangt und halfen nun so gut es ging im Kampf gegen die Naga mit. Ner’Mul, der jetzt wieder seine Orcgestalt angenommen hatte, erschlug einen weiteren Feind mit seiner Axt und wob den Zauber der Frostschocks, welcher die Gegner für kurze Zeit an der Stelle einfror. Sie schrien schmerzerfüllt auf, denn sie waren sehr empfindlich gegen Frost. Darauf begann Ner’Mul Suryan zu unterstützen. Das Schiffswrack schwankte immer mehr. Die Luftblase verschwand und Wasser strömte herein. Nun kam es darauf an. Suryan versuchte sich den veränderten Bedingungen anzupassen, ebenso wie die andern. Doch er hielt den Zauber, zusammen mit dem Orc, aufrecht. Das Wasser schäumte und wurde von den heftig Kämpfenden aufgewirbelt. Keiner der Gefangenen gab auf, der Ruf der Freiheit war stärker als alles andere. Die schlangengleichen Leiber der Nagas hatten einen Vorteil, sie bewegten sich schnell und wendig durch das Wasser jedoch nur so lange, bis das Schiff noch mehr angehoben wurde und durch die wirbelnden Bewegungen des Zyklons immer mehr nach oben gesogen wurde. Auf dem trockenen rauen Boden waren die Schlangenwesen schwerfällig und nicht so flink.
Die Fliehkräfte wurden immer stärker, ebenso auch die Anstrengung der beiden Schamanen. Sie schwitzten und ihre Muskeln schmerzten, doch sie baten die Windgeister um noch mehr Kraft. Die Geister erhörten sie und das Schiff stieg höher und höher. Suryan sah die gewaltigen Wassermassen, die sich um sie herum drehten. Das Innere des Wracks wurde immer trockener und nun waren die Zweibeiner gegenüber den Nagas in Vorteil. Einer nach dem andern fiel unter ihren Hieben und den zerschmetternden Zaubern des Priesters, der zugleich seine Mitstreiter immer wieder heilte. Suryan und Ner’Mul liessen nicht nach, bis das Schiff die Wasseroberfläche erreichte. Sie riefen nun den Winden zu, ihre Kraft ein wenig zu drosseln und schliesslich verschwand der Zyklon wieder. Das Schiff glitt nun, mit Hilfe der Wind und Wassergeister, über die Meeresoberfläche. Suryan und die andern atmeten erleichtert auf. Es war geschafft! In erstaunlich hellem Samtblau, glänzte der Nachthimmel über ihnen, mit tausenden von Sternen übersäht, die wie kostbare Kleinode auf sie herableuchteten. Das Meer unter ihnen war etwas dunkler. Schaum krönte seine Wellen.
Das eigentlich nicht mehr seetaugliche Schiff, fuhr wie auf Schienen auf einer scheinbar vorbestimmter Bahn. Suryan war ganz feierlich zu Mute und seinen Mitreisenden auch. Für einmal genossen einfach alle zusammen die Schönheit dieser unberührten Nacht, der Nacht, in der sie ihre Freiheit wiedergewonnen hatten, knapp dem Sklavendasein entronnen. Für diesen kostbaren Augenblick, waren alle Differenzen zwischen Horde und Allianz vergessen. Nichts zählte mehr, ausser dass sie alle zusammen hier waren, dass sie es zusammen geschafft hatten sich zu befreien. Ihre Wege würden sich bald wieder trennen, aber diese magische Nacht würde für alle unvergesslich bleiben. Die Nacht in der Allianz und Horde vereint, den schrecklichen Naga getrotzt hatten.
Suryan blickte nun zu dem Orc herüber der nahe neben ihm stand und ihm wurde klar, das er gar nicht auf herkömmliche Weise mit ihm sprechen konnte. Er konnte die Sprache von Ner’Mul nicht und Ner’Mul seine nicht, nur über den Geist konnten sie miteinander kommunizieren und dem junge Draenei wurde bewusst, dass dies eigentlich bei allen sterblichen Wesen hätte möglich sein müssen. Es war das Innere das alle Schranken überwinden konnte, das Herz und das Bewusstsein darum, dass eigentlich alle dieselben Ängste, dieselben Nöte, dieselben Emotionen bewegten und es eigentlich keine Trennung gab. Dass Trennung nur existierte, weil die atmenden Wesen so viele Trennungen zuliessen. Sie glaubten an die Trennung, nicht an die Einheit allen Lebens. Den Schamanen und wohl auch den Druiden erschloss sich diese Einheit etwas mehr als den andern und ihnen war die Gabe verliehen worden, diese Einheit auch zu leben, dadurch dass ihr Geist Grenzen zu überwinden imstande waren, die sonst kaum möglich schienen. Aus dieser Gabe aber, erwuchs auch grosse Verantwortung. „Ich danke dir“, sprach der Draenei deshalb über telepathischem Wege zu dem Orc. „Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.“ „Ich habe zu danken“, erwiderte Ner’Mul und sein mit den mächtigen Hauer flankierter Mund, verzog sich zu einem Lächeln. Suryan lächelte zurück. „Wissen wir, wo wir sind?“ fragte nun der schwarzhaarige Mensch und blickte sich nachdenklich um. Suryan zuckte die Schultern und schaute Ner’Mul fragend an. Dann erwiderte er: „Es scheint, dass wir in Vashj’ir sind.“ „Das ist mir schon klar, wir sind ja auch hierher beordert worden. Diese Landmasse ist erst vor kurzem aufgetaucht, vermutlich durch die vielen Erdbeben und sonstigen Naturphänomene in letzter Zeit. Wir hätten es erforschen sollen, doch dann gerieten wir in die Fängen der Naga. Wo genau wir jedoch in Vashj’ir sind, hätte mich interessiert.“ Wieder schaute Suryan den Orc hilfesuchend an. „Das kann ich dir nicht sagen“, erklangen dessen Worte in seinem Kopf. „Wir müssen wohl die Geister befragen.“ Suryan nickte und trat an die Reling. Dort sah er hinunter ins dunkle Wasser. „Ihr guten Geister, “ sprach er zu ihnen „könntet ihr uns sagen, wo wir uns gerade befinden?“ Ziemlich bald kam eine Antwort diesmal von den Hütern des Wassers: „Wir befinden uns über dem Tang’thar Wald, südlich davon, befinden sich die Schimmernden Weiten, wo Nespirah haust. Ihr müsst weiter nach Nordosten, dort gibt es einen Flugpunkt, für Allianz wie Horde. Es ist der Sandstrand, ihr seid auf dem richtigen Kurs.“ Gerade als die Geister das sagten, erkannte Suryan einen weisslichen Streifen am Horizont. Die andern sahen diesen auch und Aufregung machte sich auf dem Schiff breit. „Dort ist Land!“ riefen die Menschen erfreut aus. „Ja, das ist der Sandstrand. Ein schmaler Landstreifen, welcher den Tang’thar Wald von den Schimmernden Weiten trennt. Dort hat es östlich einen Allianz Stützpunkt und westlich einen Hordenstützpunkt. Wir werden also in der Mitte dieses Strandes anlegen. Dann kann jeder seiner Wege ziehen.“ Er übermittelte diese Erkenntnis auch dem Orc doch dieser wusste bereits Bescheid und erklärte dem Troll den Sachverhalt. Dieser nickte und starrte ebenfalls auf das weisse Land, das immer näher kam.
Tiefe Erleichterung war in den Augen aller zu lesen, als das Schiff beinahe lautlos hinauf auf den Strand glitt und dort dann zum Stillstand kam. „Alles runter hier!“ rief Suryan und deutete auf den Boden unter ihnen „das Schiff wird kippen, sobald wir den Zauber zurücknehmen!“ Diese Anweisung verstanden alle, rafften noch die nötigen Habseligkeiten, welche noch nicht vom Meer verschlungen, oder von den Nagas geraubt worden waren zusammen und sprangen hinunter auf den weichen, weissen Sand. Als alle in Sicherheit waren, zogen die beiden Schamanen ihre Magie zurück und gaben die Elementargeister, die ihnen bisher behilflich gewesen waren, mit Worten tiefer Dankbarkeit wieder frei. Sogleich als das geschah kippte das Schiffswrack zur Seite. Dabei entstand ein ziemliches Getöse. Doch das alles zählte nun nicht mehr, im Angesicht der grossen Freude bald wieder zu Hause zu sein. Die Männer der Horde, wie der Allianz, nickten einander noch ein letztes Mal freundlich und dankbar zu, dann machten sie sich auf den Weg zu ihren Stützpunkten…
Suryan war es, als würde er auf weissen Wolken gehen, die beiden Menschen begleiteten ihn, niemand sprach ein Wort.
Auf halbem Wege, kamen ihnen bereits einige Allianzsoldaten entgegen, welche wohl das Getöse des kippenden Schiffes gehört hatten. Es tat gut wieder ein paar neue Gesichter zu sehen. Sogleich wurden die drei zu einigen Zelten geführt welche man hier notdürftig aufgebaut hatte. Man versorgte sie, gab ihnen zu Essen und zu trinken und hörte ihre Geschichte an. „Ihr seid nicht die Ersten, die hier Zuflucht suchen“, erklärte einer der Männer Suryan und seinen Begleitern. „Viele erlitten schon das gleich Schicksal wie ihr, manche sind gar ganz verschollen.“ „Bestimmt wurden sie nach Nespirah gebracht, wie es mit uns auch hätte geschehen sollen.“ „Ja, wir müssen Verstärkung anfordern, um dieser Sache auf den Grund zu gehen.“ „Wir wollen einfach nur noch nach Hause, “ sprach der schwarzhaarige Mensch. „Das verstehe ich, “ erwiderte der Soldat. „Leider jedoch haben wir zur Zeit keine Greife mehr, da es die letzte Zeit so viele Schiffbrüchige hier gab, sind alle im Einsatz.“ „Das heisst, wir müssen noch länger an diesem Ort bleiben?“ fragte Suryan erschrocken. „Vermutlich nur ein, zwei Tage, bis die Greife wieder zurückkehren. Wir werden euch euren Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten.“ „Ein schwacher Trost“, wollte der Draenei entgegnen, doch er liess es bleiben. Er wollte nicht undankbar erscheinen, so nickte er einfach zustimmend. Was blieb ihm auch anderes übrig?
Die Sonne ging nun langsam wieder auf und erleuchtete den Horizont mit rosafarbenem Licht. Dem jungen Draenei war es langweilig und so ging er etwas dem Meer entlang.
Als er sich ausser Sichtweite des Lagers befand, fiel auf einmal ein geflügelter Schatten über ihn. Es war nicht der Schatten eines Greifs, sondern eines Wyvern! Erschrocken schaute er nach oben. Er erblickte das gewaltige Flugtier, welches nun zur Landung ansetzte und auf seinem Rücken, sass ein ihm bekannter Orc! Dieser grinste vielsagend: „Mitfluggelegenheit gefällig?“ Suryan lachte laut und wohlklingend auf und nickte. Dann kletterte er ebenfalls auf den Rücken des Wyvern. „Leider kann ich dich nur mit ins Schlingendorntal nehmen“, sprach Ner’Mul „auch wenn Sturmwind natürlich näher wäre. Aber, ich wäre dort nicht sonderlich willkommen.“ Suryan nickte verständnisvoll. „Wir könnten nach Beutebucht, dort hat es einen neutralen Flugpunkt. Was meinst du? Von dort aus kannst du dann ein Schiff zurück in die Heimat nehmen.“ „Mir ist alles recht, wenn ich nur endlich von hier wegkomme!“ Der Orc lachte ebenfalls auf und liess den Wyvern wieder starten. Dessen mächtige Fledermausflügel rauschten, als er sich erneut in die Lüfte emporschwang und dann… ging es auf, Richtung Süden!