Kapitel 23
„So freundlich habe ich dich noch nie mit ihm erlebt“, empfing Brombeere ihre schwarzweisse Freundin, nachdem Donner mit der Arbeite beendet. „Ja, ich musste ihm das Hinterteil einreiben, das Hinterteil“, murmelte Donner und turnte in einer Gabelung umher. Brombeeres Schnurhaare vibrierten, ihr Brustkorb zog sich zusammen und sie grölte laut hinaus. Donner schnaubte leicht, blieb aber ruhig und lauschte lieber dem Rascheln der Blätter als dem dumpfen Gelächter. Brombeere kringelte ihren Körper vor Lachen und verlor bei einer Zuckung an Gleichgewicht. Panisch versuchten ihre braunen Pfoten, Halt zu kriegen, doch bei einer bemoosten Stelle am Holz rutschte sie aus. Sie fiel gefährlich zur Seite, konnte sich aber im letzten Moment mit einer Pfote am Holz festkrallen. Donner vergass ihre Wut und stürzte zu der hangelnden Brombeere hinüber. „Nimm meine Pfote“, schrie Donner, Panik stieg in ihr auf. Brombeere angelte mit der baumelnden Vorderpfote nach der entgegengestreckten Pfote. Sie erwischte Donners Bein. Donner zuckte vor Schmerz zusammen, als Brombeeres Krallen sich unter ihre Haut gruben. Lass nicht los! , kreischte eine laute Stimme in Donners Kopf. Mit jeder Kraft, die Donner besass, zog sie Brombeere hoch. Brombeere und Donner lagen erschöpft vor Schock auf dem Stamm und atmete schnell. „Verzeihe mein Verhalt von vorher“, entschuldigte Brombeere sich bei Donner. „Aber du und Streif, ihr saht einfach zum Lachen aus.“ Donner schmieg sich an ihrer warmen Wange, ein leichtes Lächeln verformte Donners Mundwinkel und berührte anschliessend Brombeeres Nase. „Na gut, es sah wirklich etwas ulkig aus“, gab Donner leicht beschämt zu. „Fast runter geplumpst?“, spottend balancierte Teiger über den Stamm. In seinem Fell hingen Kletten und er roch nach einem fremdartigen Geruch. „Und du hast nur zu gesehen“, knurrte Donner wütend. „ Dabei hätten wir deine Hilfe brauchen können!“ Teigers Augen blinzelten frech und er machte quer über den Ast kehrt. „Nur falls es euch interessiert, Katzen landen auf allen vier Pfoten“, miaute er auf mit zu gewandtem Rücken. Donner peitschte sich den Schweif gegen die Stirn. Wenn Brombeere gefallen wäre, hätte sie sich wieder auf allen Vieren aufgefangen. Aber so lange sind wie eben noch nicht mit unserem neuen Körper vertraut. „
Hallo, ihr da oben“, rief eine fröhliche Stimme vom Bodenreich. Brombeere und Donner blickten nach unten und entdeckten Stern, die eine fette Beute im Maul trug. Sie kletterte anschliessend den dicken Stamm hinauf, balancierte geschickt über den Eichenast und strahlte ihnen breit entgegen. „Erfolgreiche Jagt?“, miaute Donner zur Begrüssung. „ Jawohl, ziemlich erfolgreiche Jagt“, erwiderte Stern stolz und legte das Eichhörnchen auf den Ast. „ Ich musste nur einige Schritte laufen und schon ist es mir ins Maul gestiegen.“ Brombeere lief das Wasser im Mund zusammen, als der intensive Geruch des Eichhörnchens in Brombeeres Geruchsinn verirrte. Sofort griffen die wilden Krallen beherzt zu und genossen jeden einzelnen Happen mit vollen Zügen. Unterdessen warf die Eiche einen langen Schatten und die meisten Katzen bestiegen um diese Abendzeit den sicheren Baum.
Stern hielt sich den wohlgenährten Bauch. „Ich glaube Eichhörnchen mag ich am meisten, die haben einen würzigen Abgang im Gaumen.“ „Kaninchen schmecken mir besser“, gab Donner zurück und wusch ihren schwarzweissen Pelz. „Und mein Lieblingsgericht sind Mäuse“, Brombeere streckte ihre schlaffen Glieder.
Sie sammelten noch ein wenig Moos, um den harten Ast zu überdecken, bis der Himmel schwarz verfärbt wurde.
Stern schaute zum Himmel empor. „Ich liebe die Sterne“, hauchte sie, während sie die Himmelskörper atemlos beobachtete. Donner war bereits zusammen gerollt auf dem Ast und nickte schläfrig, zu müde um den Sternenhimmel zu betrachten. Brombeere gesellte sich neben Stern auf die Gabelung und warf den Kopf in den Nacken. „Für mich sind sie einfach...“, etwas hartes Spitzes traf Stern im Genick. Brombeere konnte nur das zersplittern eines Knochen am Waldboden hören. „Volltreffer“, johlte Nacht aus einem höheren Blätterdickicht. Stern fuhr wütend die Krallen aus, wirbelte herum und würde den Flegel am liebsten Vierteilen. Ein lautes Schnarchen von Donner lenkte Stern ab und sie fuhr entschlossen die Krallen wieder ein und murmelte: „Vergessen wir diese Rüpel.“ „Du hast ein bisschen an Temperament gewonnen“, miaute Brombeere zu ihrer besten Freundin. Stern starrte in die nächsten Baumkronen. „Ich habe als Katze gelernt wie man Krallen ausfährt und trotzdem süss Schnurrt“, gab sie stolz zu. Eine leichte Brise zerrte an Brombeeres Fell, dass sie leicht fröstelte. Auf einmal schwirrten vor ihren Augen helle Glühwürmchen umher, zuerst eines, dann zwei, ein ganzes dutzend und schliesslich hunderte. Sie erfüllten die ganze Eiche mit einem goldgelben Licht und Brombeere wurde es allmählich wieder warm. Sie wollte freudig nach einem Würmchen greifen aber Stern patschte ihr die Pfote weg. „Lass doch die armen Kerlchen fliegen.“ „Entschuldigung, mein Jagtinstinkt“, murmelte Brombeere. Stern lehnte ihre Schulter an die von Brombeere und blickte verträumt in die weite Welt. Ihr Blick blieb bei dem weitentfernten Vulkan hängen, der trotz der Dunkelheit, leicht schimmerte. „In der Nähe dieses Vulkanes befindet sich die Schlucht des Dunkelns“, sagte Stern. „Glaubst du der feuerspuckende Berg wird eines Tages erneut ausbrechen?“, fragte sie Brombeere. „Vielleicht“, murmelte Stern besorgt. Das Rascheln der Eichenblätter ertönte und Fleck stolzierte auf einem schmalen Ast zu ihnen. „Jetzt aber langsam in die Heia!“, streng blickte Fleck sie an. Ohne zu widersprechen legten Brombeere und Stern sich auf ihre gepolsterten Äste, die sich nun ziemlich bequem anfühlten. „Ich hoffe ich wach morgen früh nicht am Boden auf“, flüsterte Stern im Lichte der langsam abziehenden Glühwürmchen. Brombeere grummelte ihr müde noch etwas zurück und döste ein.
Als Brombeere wieder die Augen öffnete, fand sie sich auf einem zartrosa Wolkenteppich, umgeben von einem tiefblauen, wolkenlosen Himmel. Kein Baum, kein einzige Katze, nicht einmal ein Termite war in Sichtweite. Sachte versuchte Brombeere den flauschigen Nebelboden aufzuwirbeln, doch keine Erde oder Gras liess sich blicken, der rosa Nebel schien unendlich dicht zu sein. Vor ihr türmte sich eine hohe Wolkenwand auf, als Brombeere sie genauer betrachtete, entdeckt sie einen Schatten an der Wand. Er bewegte sich und wurde nach jedem Schritt grösser. Ängstlich suchte Brombeere die Umgebung ab und fuhr die Krallen aus. „Hab keine Angst“, hallte eine feine Stimme über ihre Ohren hinweg. Zwischen einer Nebelbank trat ein Kater hervor, er hatte ein weisses Fell, welches schwarz gestreift war. Die gelben Augen von Brombeere strahlten vor Freude und Erleichterung auf. „Wolke!“ Wolke blinzelte ihr freundschaftlich entgegen. „Ich hoffe euch gefällt das Reich der Katzen“, miaute er, als er in voller Grösse vor Brombeere stand. Brombeere nickte heftig. „Ja, es ist hier fantastisch aber das Böse sollte ihr nicht leben“, antwortete Brombeere. „Verstehe, aber du musst wissen, alles was in dieser Welt lebendig ist habt ihr erschaffen durch einen Traum“, erwiderte er und seufzte. Brombeere guckte ihn verwirrt an. „Das heisst du bist eigentlich nur ein Produkt eines Traumes?“ „Natürlich bin ich echt aber einst war ich blosse zähflüssige Fantasie, doch sie konnte sich verwirklichen.“ „Dieser Kampf mit den Jäger des Waldes ist also alles unsere Schuld“, murmelte Brombeere kleinlaut. „Ja und ein“, gab Wolke zu. „Erinnere dich aber an die Donners Wort Gedanken: Oder eine Fantasiewelt wäre auch nicht übel?“ Brombeeres Augen wurden gross. „ Bastet, die Katzengöttin hatte einen Stein versteckt, damit diejenigen, die gerne eine Katzen werden möchten und sich zusätzliche eine andere Welt wünschten, werden von einem Traum heimgesucht, in dem sie die Welt selber kreieren können. Alles hier besteht aus euer persönlichen Vorstellungskraft, hast du dich nie gefragt warum du als Katze so muskulös bist, weil du es gewünscht hast.“ Brombeere starrte auf ihre eigenen Bauchmuskeln. Im Menschenkörper hatte eher eine zierliche Form. „Stern wünschte sich immer einen guten Kampfgeist und den Besitz sie nun“, läutete Wolke ihr ins Gedächtnis. „Es tut mir so leid“, murmelte Brombeere. „Das Böse hätten wir uns nie wünschen sollen.“ Wolke legte ihr tröstend die Pfote auf die breite Schulter. „Nein, wir danken euch dreien, ohne euch würden wir nicht existieren.“ Diese Worte erleichtern Brombeere wieder. „ Aber irgendwie kommt es mir so vor, als würde diese Welt schon seit Jahren existieren.“ Wolke senkte den Kopf. „ Wir haben eine andere Zeit, was bei euch nach meinem Traum einen Tag war, waren bei uns etliche Jahre. “ Wolke schritt davon. „Ich sollte langsam gehen.“ „Warte, du bist doch erst gerade gekommen, ich habe noch so viel Fragen!“, forderte Brombeere Wolke auf. Er drehte sich noch einmal um. „Weisst du wer mit Feuer, Luft und Erde gemeint ist?“, fragte sie neugierig. Er schwieg einen Moment und Brombeere wusste, er hatte bei dieser Weissagung die Pfoten im Spiel. „Wenn ich es dir verraten würde, dann würde es alles auf den Kopf stellen“, antwortete er schroff. Brombeere grunzte enttäuscht. „Eines kann ich dir sagen, sie deuten für Elemente“, miaute er. „Und wohin ist das vierte Element, Wasser?“, Fragen sprudelten aus ihrem Maul. Wolke zuckte mit den Schultern und lief über eine Wolkenbank, die wie eine Brücke geformt war. Noch ein letztes Mal drehte er den Kopf nach hinten. „Du kannst mich übrigens auch Jäger der Wolke nennen“, seine Stimme hing lange in Brombeeres Ohren. Wie kann man nur so dumm gewesen sein, nie ist mir in den Sinn gekommen, dass Wolke und Jäger der Wolke ein und dieselbe Katze sind!
Jetzt wusste sie warum Wolkenjäger und Blitz dasselbe Fellmuster besitzen, er war sein Grossvater, der Vorgänger, der ehemalige Alpha über den Wald. Brombeere sah wieder zur Wolkenbrücken hinauf aber Wolkenjäger war in den stillen Wolken verschwunden. Brombeere beschloss sich hier noch ein wenig umzusehen und wollte ihre Pfote neu setzten aber sie traf ins Leere. Alle ihre vier Pfoten fand kein Halt mehr und sie stürzte durch Wolkenbank. Die Fellhaare wurden vom Wind zerzaust und mit Entsetzten erkannte sie im Sturzflug ein dunkles Loch direkt unter ihrem Körper. Brombeere stürzte kreischend in die totenschwarze Leere, währendem sie tiefer und tiefer stürzte, nährte sich Brombeere ein weisser riesiger Schatten. Er wurde grösser und grösser bis er Brombeere fast küsste. Im Wirbelwind schlug Brombeere panisch nachdem Schatten. „Aua!“, kreischte eine Stimme. Brombeere schlug ruckartig ihre Lieder auf. Eine leichte Morgenbrise wehte um ihr verschwitztes Gesicht. Über ihrem Kopf auf einem Ast sang eine Kohlmeise ein Lied und verströmte einen Beutegeruch. Brombeere rappelte sich auf dem dicken Ast der Eiche auf, verheddert mit dem ganzen Moos. Stern kauert in der Nähe und hielt die Pfote an die Nase. „Bist du im Schlaf immer so aggressiv?“, fragte sie leicht wütend. Brombeere schluckte einen Kloss hinunter. Der Schatten ist bloss Stern gewesen. „Entschuldigung“, murmelte Brombeere und begann versöhnlich Sterns Nase zu lecken. Ein kleiner Bluttropfen lief über ihre Wange hinunter, hinterliess dabei einen rosaroten Strich auf dem Fell. „Alles in Ordnung?“, Nebel turnte auf einem Nachbarast umher. Stern nickte und leckte die letzten paar Blutstropfen von der Nase. „Lass uns runter gehen“, schlug Stern vor. „Donner ist bereits unten.“ Gemeinsam kletterten sie über die Äste, bis zum dicken Stamm. Stern sprang die letzten Höhenmeter hinunter, während Brombeere lieber kletterte. Sie schnaufte durch, als sie die feuchte Erde wieder unter den Pfoten spüren konnte. Donner nagte bereits an einer Ratte herum. „Schönen guten Morgen auch“, kam eine muntere Begrüssung.
Die beiden Freudinnen stillten ihre hungrigen Mägen mit dem zähen Rattenfleisch. Es erinnerte fast an Leder und war keine Delikatesse im Gegensatz zum Eichhörnchen. Donner musterte die Wange von Stern. „Hast du dich aufgekratzt?“, fragte sie. Stern warf einen Seitenblick auf Brombeere. „Im Schlafzustand hatte sie mich angegriffen“, berichtete Stern mit vollem Maul. „ Also wirklich Brombeere“, Donner schüttelte den Kopf. Brombeere hörte gar nicht zu, sondern dachte an die Begegnung mit Wolkenjäger. „Eine Erzählung bin ich euch beiden noch schuldig“, fing Brombeere an. „ Ich habe Wolkenjäger getroffen und…“, Brombeere erzählte das ganze Gespräch mit dem weisen Kater.
„Meine Güte, warum ist uns nicht eher eingefallen, dass Wolke und Jäger der Wolke, ein und dieselbe Katze sind.“ Den Ärger liess Donner bei einem Rattenknochen aus. Stern überlegte laut: „Hast du ihn noch über Weissagung ausgefragt?“ Brombeere nickte kurz. „Aber viel ist konnte ich nicht rauspressen.“ Donner seufzte und zermahlte einen Knochen. „Einen Tipp hat er mir jedoch gegeben“, miaute Brombeere. Donner Stimmung hellte sich wieder auf. „Feuer, Luft und Erde haben etwas mit den Elementen zu tun.“ Donner stand erfreut auf. „Besser als nichts. Eines Tages werden wir es sicherlich wissen, was damit gemeint ist.“ „Eines müsst ihr noch erfahren“, murmelte Brombeere und griff zum frustrierenden Teil. „Alles was in dieser Welt existiert haben wir uns mit einem Traum erträumt, sogar das Böse.“ Die erschrockenen Blicke von ihren Freundinnen trafen ihr ins Gesicht, doch auch sie waren sich im Klaren, sie mussten den Schaden widerbeheben.