Nach einer gefühlten Ewigkeit betrat der Hotelmanager mit einem weiteren Angestellten den Raum.
Zwar hatte der Security-Gorilla mich von dem Kabelbinder recht schnell wieder befreit, jedoch schmerzten meine Handgelenke und rote Striemen bildeten eine unschöne Verzierung.
“Miss Moore. Ich bedaure sehr, dass hier ein Missverständnis vorlag. Mr. Scott hat mich eben persönlich angerufen um mir mitzuteilen, dass es sich um einen Scherz handelte als er sagte er kenne sie nicht.“ Er tupfte sich die verschwitzte Stirn ab und räusperte sich. Oh der Herr hatte sich wirklich dazu herabgelassen persönlich anzurufen. Verleiht ihm einen Orden...
>>Mein Kollege wird sie jetzt zum Konferenzraum bringen. Natürlich ist auch das Hausverbot aufgehoben. Ich hoffe sie haben Verständnis dafür, dass wir bei solch hoher Prominenz im Haus strengere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen müssen. << Ich hatte keine Kraft mich über seine mehr als dürftigen Ausführungen aufzuregen. Meine Nerven waren am Ende nachdem ich hier eine halbe Stunde allein gesessen hatte und mich schon in einem Gefängnis hatte sitzen sehen. Ich rieb mir die Handgelenke. Es war also ein Scherz. Diese Tatsache verursachte mir einen Stich. Was hatte ich diesem Mann getan? War es wirklich nötig solch makabrere Scherze auf Kosten anderer zu machen?
Ich nahm meine Sachen und verließ ohne ein Wort den Raum um dem Hotelangestellten zu folgen. Im Aufzug tippte er einen Code ein um mich zum Konferenzraum zu bringen.
Scheinbar hatte die Crew kurz Pause gemacht, denn als ich im Flur zu den Besprechungsräumen ankam, herrschte dort reger Betrieb. Ich versuchte Jamie oder Kent zu finden, blieb jedoch vorerst erfolglos.
>> Leute die Pause ist in 5 Minuten zu ende. Bitte seht langsam zu, dass ihr wieder auf eure Plätze kommt. << Der junge Mann mit der nerdigen Brille auf der Nase und einem Stapel Unterlagen in der Hand, warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu und kam mir entgegen.
>> Hi. Du bist sicher Ava. Ich bin Max, Kent´s Assistent. << >> Ähm, ja ich bin leider etwas spät dran. <<
Mein Lächeln erreichte meine Augen nicht und ich hoffte Max würde das nicht bemerken.
>> Keine Sorge Ava. Ich weiß Bescheid. Ist wirklich blöd gelaufen. Aber sieh es doch so: Jetzt kann es doch nur besser werden. Na komm lass uns gehen. Jetzt kommt der interessante Teil an dem alle ihre Aufgaben zugeteilt bekommen. <<
Max schob mich durch eine große offene Flügeltür in einen riesigen Raum. Das Meeting war noch nicht fortgesetzt worden, denn alle sprachen durcheinander und tummelten sich in kleinen Grüppchen. Niemand nahm mich wirklich wahr und darüber war ich sehr froh. Ich war noch bedient von der ungeteilten Aufmerksamkeit der gesamten Lobby heute Morgen. Mein Blick streifte über all die unbekannten Gesichter, bis ich ein wohlbekanntes Lächeln wahrnahm. Jamie!
Er hatte sich auf einen der Tische gesetzt und vor ihm stand die unbekannte Schöne von gestern Abend. Sie waren in ihr Gespräch so vertieft, dass sie mich nicht bemerkten. Bevor ich darüber nachdenken konnte ob ich mich zu Ihnen gesellen könnte, betrat Kent den Raum und fuhr mit dem Meeting fort. Wir wurden in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe war für einen anderen Part des Films zuständig. Es war klar, dass Jamie mit seiner klassischen Tanzausbildung die Szenen des Films choreografieren sollte, in denen es um die Broadwaykarriere der Hauptfigur ging. Die anwesenden Tänzer, welche bereits in ihre Gruppen eingeteilt wurden, gingen sofort in die für sie bestimmten Proberäume. Als der Raum langsam leerer wurde, bemerkte ich Mason in einer der hinteren Bänke sitzen. Er war scheinbar im Laufe des Meetings reingekommen, denn ich hätte ihn sicher bemerkt. Mein Herz machte einen Salto. Ich wusste nicht weshalb sein bloßer Anblick meinen Körper jedes Mal auf eine Achterbahnfahrt schickte. Es war als habe er eine ganz eigene Anziehungskraft gegen die ich keine Chance hatte.
Als auch er eingeteilt wurde, bedachte Jamie mich im Vorbeigehen mit einem skeptischen Blick, sagte jedoch nichts und verließ mit Blondie und einigen anderen den Raum. Als auch die letzte Gruppe gegangen war, war ich mir ziemlich sicher, dass nun meine Kündigung erfolgen sollte.
Was war wohl der Kündigungsgrund, wenn man einem Megastar erst eine scheuerte und ihm gleich am folgenden Tag die Augen in der Lobby auskratzen wollte. Vielleicht hatte er mich zwischenzeitlich doch angezeigt? Panik stieg in mir auf und mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Mason saß mittlerweile allein im hinteren Teil des Besprechungssaales. Wahrscheinlich wollte er live dabei sein wenn Kent mich aus dem Team verabschiedete.
„Ava meine Liebe. Das Beste hab ich mir für den Schluss aufbewahrt.“ Ah ja er empfindet Kündigungen also als eine super Sache. Mein Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her. Mason Miene war völlig ausdruckslos.
“Ist alles okay bei dir Du scheinst mit deinen Gedanken nicht bei der Sache zu sein.“ Klar, ich überlegte ob ich genug Geld für einen Rückflug nach Chicago hätte. „Nein Kent, alles okay. Ich bin etwas nervös. Diese Sache heute früh tut mir so unglaublich Leid. Es ist nicht meine Art so unverlässlich zu sein.“
Kent lachte „Ach Ava dazu besteht überhaupt kein Anlass. Dass du keinen Ausweis hattest war mein Versäumnis. Wenn sich also wer entschuldigt, dann ich." Er warf Mason einen strengen Blick zu bevor er sich wieder zu mir wand und seine Züge wieder weich wurden. "Und nun lass uns das vergessen und uns auf die wirklich wichtigen Dinge fokussieren.“ Kent hatte scheinbar keine Ahnung wie schlimm der heutige Morgen aus meiner Sicht war. Auf der anderen Seite war ich froh, denn so wie es aussah wurde ich doch nicht gekündigt, also lächelte ich so gut ich konnte und nickte ihm zustimmend zu.
„Ich weiß nicht ob du dir darüber im Klaren bist, aber in Jamie hast du einen wirklich guten Freund." Mason gab ein Schnauben von sich welches Kent jedoch gekonnt überspielte. "Du hast keine klassische Tanzausbildung, so wie die meisten Tänzer die ich engagiert habe sie vorweisen können. Jamie hat mir stattdessen aber einige Videos der Meisterschaften im Poledance und HipHop zukommen lassen. Mädchen du hast Talent. Du hast genau das was ich für diesen Film suche und ich will, dass du eine der Schlüsselszenen für mich choreografierst.“ Er machte eine bedeutungsschwangere Pause und schien durch mich hindurch zu blicken. Ganz der Visionär, wie Jamie ihn beschrieben hatte. „Es ist die Szene in der die Hauptcharaktere das erste Mal aufeinander treffen. Andrew ist mit seinen Jungs unterwegs und Cecil ist diejenige die an diesem Abend für einen privaten Lapdance für ihn gebucht wirde.“ Andrew war dann wohl Masons Rolle und Cecil die von Katy. „Die Szene soll zunächst aus einer Solonummer an der Stange bestehen. Ich habe die Einflüsse von Balletttanz in deinen Videos gesehen Ava. So etwas stelle ich mir hier auch vor. Cecil wird Andrew in der Szene langsam verführen. Meinst du du kriegst das hin?“ Mir klappte die Kinnlade runter. Oh mein Gott. Ich dachte ich würde hier Kaffee kochen und Jamie eventuell mit dem Training der Tänzer unterstützen. „Kent ich weiß nicht was ich sagen soll.“ „Dann sag ja und geh in deinen Proberaum. Raum 7 ist für dich mit allem ausgestattet. Ich würde mir dann gerne zusammen mit Katy und Mason am Freitagabend ansehen was du dir überlegt hast, sodass du dann in der kommenden Woche mit Katys Training beginnen kannst.“ Ich kam mir vor wie in einer Seifenblase und hatte Angst, sie würde gleich platzen. Doch Kent sah mich so zuversichtlich an, dass das positive Gefühl in meinem Bauch sich weiter ausbreitete. „Ich danke dir so sehr. Du wirst es nicht bereuen Kent.“ Mit einem Hochgefühl machte ich mich auf zum Proberaum und hatte zum ersten Mal seit ich in New York war das Gefühl genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Später musste ich unbedingt Jamie finden um ihm zu danken.
"Jamie du lebst." Freudestrahlend steuerte ich in der Mensa auf ihn zu und setze mich neben ihn. "Ich wollte dir noch danken wegen der Aufnahmen die du Kent gegeben hast" weiter kam ich nicht. " Ava was bitte war das da heute morgen? Ich riskiere hier den Hals für dich, indem ich eine völlig unbekannte Tänzerin mit null professioneller Erfahrung hier rein schleuse und du hast nichts besseres zu tun als Mason Scott gegen dich aufzubringen." "Jamie dieser Mistkerl hat es auf mich abgesehen. Ich hab ihm nichts getan. Er war von der ersten Sekunde an total seltsam zu mir." Jamie schaute mich skeptisch an und runzelte die Stirn. "Ava das hier ist jetzt ernst. Reiß dich bitte zusammen, das ist meine Chance mir einen guten Namen zu machen." Dass Jamie mir scheinbar nicht glaubte und mich wie eine kleine verwöhnte Göre hinstellte tat weh. Natürlich wollte ich ihm nicht im Weg stehen. "Ich werde dir keine weiteren Probleme machen James. Es tut mir leid."
Ohne abzuwarten ob er noch etwas sagen wollte stand ich auf und ging zügig wieder zu meinem Proberaum. Der Hunger war mir vergangen und hätte ich nur eine Minute länger bei Jamie, einst meinem einzigen verbündeten hier, gesessen dann wäre ich wohl auch noch in Tränen ausgebrochen. Diese Blöße wollte ich mir nicht geben.