Fröhlichen Flauschebärentag! :3 Hiermit wünsche ich allen Lesern viel Spaß mit dieser absolut oberflauschigen Geschichte!
Die Nachricht verbreitete sich langsam auch im Meer. Die Seehunde trugen sie unter die Wellen, ein paar Delfine schnappten sie auf, und langsam, wie sich warmes Wasser mit kaltem vermengt, erfuhr es jedes Tier.
Ein kleiner Oktopus schwamm neugierig herbei. „Worüber redet ihr?“
„Über Flauschigkeit!“, sagten die drei kleinen, weißen Robbenbabys und sahen ihn mit schwarzen Kopfaugen an.
„Flauschigkeit? Was ist denn das?“
Die Robben wechselten einen Blick untereinander.
„Na, da oben … am Festland … da gibt es so ein Wesen …“, begann die erste.
„Der Flauschbär!“, warf die zweite mit glänzenden Augen ein. „Der ist ein richtiger Gott!“
„Er verbreitet wundervolle, flauschige Flauschigkeit!“, schwärmte die dritte. „Und jeder darf mitmachen!“
Der kleine Oktopus fühlte sich von der Freude angesteckt, die die drei Robben aussprühten. Aufgeregt sah er von der einen zur anderen zur dritten. „Ich auch?“
Doch die Robbenbabys verstummten und wechselten unsichere Blicke.
„Ähm …“, sagte die erste.
„Ich weiß es nicht“, gestand die zweite.
„Vielleicht?“ , murmelte die dritte.
Der kleine Oktopus sah zwischen den drei hin und her. Seine Unterlippe bebte und seine großen Augen füllten sich mit Tränen – die man im Salzwasser natürlich nicht sah. „Aber … was ist denn das Problem?“
Nach langem Herumgedruckse – sie wollten den kleinen Oktopus ja auch nicht enttäuschen – entschieden sich die Robben schließlich, ihre Zweifel zu äußern.
„Du hast kein Fell“, sagte die erste. „Und … na ja …“
„Fell ist flauschig“, sagte die zweite, deren Pelz das beste Beispiel dafür war.
„Und wir glauben, man braucht Fell, um flauschig zu sein“, sagte die dritte. Schnell fügte sie hinzu: „Aber sicher sind wir nicht, wir wissen es auch nur von dem jungen Eisbären, und der weiß es vom Polarfuchs.“
Ratlos sahen die drei Robben den kleinen Oktopus an.
„Wer weiß es denn?“, fragte der Kleine unglücklich. „Wen kann ich fragen?“
„Keine Ahnung“, erwiderten die Robben. „Aber … vielleicht kannst du den weißen Wal fragen! Er ist das weiseste Tier in allen sieben Ozeanen – wenn einer deine Frage beantworten kann, dann er!“
Da schluckte der kleine Oktopus, denn er wusste, dass der weiße Wal weit draußen im Meer lebte, weit, weit weg von der Sicherheit des sandigen Bodens. Ein weiter Weg für einen kleinen Oktopus. Aber er wollte unbedingt flauschig werden! Also entschloss er sich, die weite Reise zu wagen.
Am nächsten Morgen brach der kleine Oktopus ganz alleine auf. Er packte eine kleine Muschelschale mit Leckereien und stopfte oben noch seinen Lieblingskiesel hinein.
Der kleine Oktopus schwamm hinaus ins große, offene Meer. Er war noch nicht sehr weit geschwommen, und kam nur langsam voran, als plötzlich ein Schatten auf ihn fiel.
Erschrocken wollte der Oktopus zum Boden schwimmen und ein Versteck suchen, aber er war ja schon draußen im Ozean und der Boden lag viel zu tief unten. So hatte er nichts, um sich zu verstecken. Nervös drehte er sich um und zog die acht Tentakel an, um den Feind vielleicht wenigstens zu boxen. Er erstarrte vor Angst – ein gewaltiger Hammerhai blinzelte ihn aus den weit auseinanderstehenden Augen an und schwamm direkt auf ihn zu!
„Hilfe!“ Der kleine Oktopus schoss vor Schreck in die Höhe und jagte davon. Der Hammerhai war aber größer und viel schneller.
„Bitte!“, flehte der kleine Oktopus. „Bitte friss mich nicht.“
Der Hammerhai glitt pfeilschnell an ihm vorbei und schwamm eine Kurve. Dann kreiste er um den kleinen Oktopus. „Du bist komische Beute. So einen wie dich habe ich im weiten Ozean ja noch nie gesehen.“
Der kleine Oktopus schwamm auf der Stelle inmitten des Kreises, den der Raubfisch zog. Vor Schreck erzählte er seine ganze Geschichte: „Ich möchte so unglaublich gerne flauschig sein, aber die Robben waren nicht sicher, ob ich es sein kann, also wollte ich zum weißen Wal und ihn fragen, ob das geht!“
„Bis zum weißen Wal!“ Der Hammerhai staunte nicht schlecht. „Das ist ja selbst für mich ein weiter Weg. Und das willst du kleines Wesen schaffen?“
Traurig erwiderte der Oktopus: „Jetzt wird es ja sowieso nichts mehr.“
„Wieso das?“ Dann zuckte der Hai zusammen. „Oh, nein, ich bin nicht gekommen, um dich zu fressen! Verzeihung, ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Du bist so klein, das würde sich doch für mich nicht lohnen. Außerdem gehört es sich nicht, mit seinem Essen zu sprechen.“
Der kleine Oktopus sah hoffnungsvoll auf. „Echt?“
„Na logo!“, versprach der Hammerhai. „Ich war nur neugierig, wer hier so alleine und einsam durch das Meer schwimmt.“
Erleichtert gestattete der kleine Oktopus es sich, sich zu entspannen.
„Du, hör mal, kleine Beute“, sagte der Hammerhai. „Ich möchte zum tiefen Graben. Der weiße Wal lebt noch weit dahinter, aber ich kann dich ein Stück mitnehmen.“
„Das würdest du tun?“, fragte der kleine Oktopus überrascht.
Der Hammerhai zog seine Kreise enger. „Gerne doch. Halt dich an meiner Flosse fest. Dann sind wir in Nullkommanichts da!“
Mit sieben Tentakeln klammerte sich der kleine Oktopus an die Seitenflosse des Hais, mit dem achten hielt er die Muschelschale fest – und ab ging die wilde Fahrt! Der Hammerhai jagte durch das Wasser, dass der kleine Oktopus sich kaum noch festhalten konnte. Und immer tiefer ging es. Plötzlich spürte der kleine Oktopus, dass er Kopfschmerzen bekam und ihm wurde übel.
„Langsamer, bitte!“
Der Hai bremste. „Was hast du denn?“
Der Oktopus klagte ihm sein Leid. Verwundert schwamm der Hai nun ganz langsam vorwärts.
„Oh, ich glaube, ich weiß, was du hast! Das ist die Tiefenkrankheit. Manche bekommen sie, wenn sie es nicht gewohnt sind, so tief zu schwimmen.“ Sofort stieg der Hai ein bisschen auf und es ging dem kleinen Oktopus auch gleich besser. „Das ist aber schlecht“, erzählte sein neuer Freund. „Denn der weiße Wal wohnt ganz tief unten im Meer, wo die Menschen ihn nicht mehr finden können.“
„Aber … wenn ich nicht so tief tauchen kann, wie soll ich ihn dann je erreichen?“, fragte der kleine Oktopus verzweifelt. „Und wie soll ich dann wissen, ob ich auch flauschig sein kann?“
Der Hammerhai überlegte. „Weißt du … der Wal muss immer mal wieder zur Oberfläche, um zu atmen. Du könntest weiter oben auf ihn warten. Du musst nur die richtige Stelle finden.“
„Und wo ist die richtige Stelle?“, fragte der Oktopus.
„Ich habe es nie gesehen, aber ein Stück unter der Wasseroberfläche soll ein großes Wrack auf einer hohen, spitzen, einsamen Felsnadel liegen. Dort musst du warten.“
Der kleine Oktopus sah zweifelnd in den riesigen, dunklen Ozean hinaus. Ein Wrack war dort nirgends zu sehen.
„Schwimme an den Quallenwäldern vorbei und dann kommst du in einen warmen Aufwärtsstrom, dem du folgen musst. Das sollte dich direkt zum Schiff bringen“, riet der Hammerhai und wies den kleinen Oktopus dabei auf die fernen, bunten Wolken, die sich bei näherem Hinsehen als Schwärme der unterschiedlichsten Quallen entpuppten. „Aber halte dich ja von ihren Tentakeln fern“, warnte der Hammerhai noch, dann nahmen die beiden widerstrebend Abschied.
So schwamm der kleine Oktopus vorsichtig los. Entlang der riesigen Quallenwälder, die in allen Farben schimmerten und glänzten. Es gab riesige, blaue Quallen und kleine pinke und schillernde grüne und strahlende gelbe. Manche pulsierten sogar.
Der kleine Oktopus staunte nicht schlecht über diese Kreaturen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie sahen fast wie Oktopoden aus, die ja auch lange Fangarme hatten und auch in bunten Farben schillern konnten. Doch der kleine Oktopus merkte schnell, dass die Quallen viel schweigsamer waren. Und er hörte auf die Warnung des Hammerhais und schwamm nicht zu dicht heran. Solche wunderschönen Dinge waren manchmal sehr gefährlich, hier im wilden Ozean.
Dann spürte er einen warmen Sog im Wasser und ließ sich von der Strömung in die Höhe tragen. Ringsum wurde es immer heller, und der kleine Oktopus bemerkte grün leuchtenden Krill im Wasser. Bald drangen sogar Sonnenstrahlen durch die Fluten, und ein besonders großer fiel direkt auf das alte Schiff, das mitten auf der Spitze der einsamen Felsnadel schwebte.
Alle acht Arme strengte er an, und so schwamm der kleine Oktopus zu dem großen Schiff, die Muschelschale noch immer fest im Griff. Auf dem Deck des versunkenen Schiffes ruhte er sich schließlich aus und aß ein paar Knabbereien aus seiner Muschelschale. Dann ruhte er sich etwas mehr aus. Und als er fertig ausgeruht war, schwamm er etwas über das Deck, da er sich langweilte. Schließlich schwamm der kleine Oktopus auch unter Deck. Den weißen Wal würde er schon hören, wenn der aufstieg, aber wann käme er wieder dazu, ein echtes Schiff zu erkunden?
Da entdeckte der kleine Oktopus etwas Leuchtendes auf dem Boden – und das war ein großes, sauberes Goldstück, das aus einer der vielen Schatztruhen gefallen war. Bewundernd hob der kleine Oktopus es auf und drehte es hin und her. So wunderschön! Er konnte sich selbst darin sehen, und auch ein Stück des Schiffes, der kleinen Fische, die hier drin lebten, und die Seepocken und Schnecken am Holz.
Zum Glück hatte er gerade etwas gegessen, denn so war in der Muschelschale Platz für das schöne Goldstück. Zufrieden schwamm der kleine Oktopus wieder nach oben, als er auch schon ein tiefes, dröhnendes Lied hörte.
Der weiße Wal stieg auf!
Eilig schwamm der kleine Oktopus vom Schiff. Und da war er: Der große, groooße weiße Wal, der wie ein Eisberg zur Oberfläche stieg. So schnell er konnte, schwamm der kleine Oktopus zu ihm und winkte schon von Weitem mit allen Tentakeln.
„Hallo! Hallo! Weißer Wal!“
Der Wal hielt inne und sah den kleinen Oktopus aus einem großen Auge an. „Na, hallo, kleiner Oktopus.“
„Ich habe eine Frage.“ Bescheiden faltete der Oktopus sechs Tentakel übereinander. „Hast du vielleicht kurz Zeit?“
„Sofort“, erwiderte der Wal. „Ich muss nur kurz an die Oberfläche und atmen.“
„Aber natürlich!“, sagte der kleine Oktopus und freute sich sehr, dass er mit dem weißen Wal reden würde.
Der große Herrscher der Tiefsee schwamm nun nach oben und blies Wasser aus dem riesigen Atemloch. Das war vielleicht eine Fontäne! Sie ging bis zu den Wolken! Der kleine Oktopus riss die Augen auf. Dann atmete der weiße Wal tiiief ein und tauchte wieder ab. Er schwamm zu dem kleinen Oktopus. „Was war deine Frage?“
Der kleine Oktopus erzählte, wie er über die Robben vom Flausch gehört hatte. „Ich möchte auch so gerne flauschig sein und Flausch verbreiten, aber niemand weiß, ob man das als Oktopus machen kann, da ich ja kein Fell habe.“
„Und das wolltest du mich jetzt fragen“, kombiniert der weiße Wal und guckt sehr traurig. „Ich kann es dir leider auch nicht sagen. Der Flauschbär, das ist ja ein Gott des Landes. Ich lebe aber fast immer in der Tiefe. Ich weiß nichts über die Welt außerhalb des Wassers.“
Entmutigt ließ der Oktopus die Greifarme hängen.
„Aber ich weiß jemanden, der dir vielleicht helfen kann!“, sagte der Wal da plötzlich. „In den Mangrovenwäldern gibt es einen Einsiedlerkrebs, der auch viel am Land ist und mit vielen Tieren redet. Suche ihn und rede mit ihm. Er weiß sehr, sehr viel über das Land. Wenn dir einer helfen kann, dann er!“
„Die Mangrovenwälder?“, fragte der kleine Oktopus neugierig. „Wo ist das?“ Seinen Traum vom großen Flausch wollte er jedenfalls nicht aufgeben.
„Du musst immer mit den warmen Strömungen schwimmen“, sagte der weiße Wal.
Der kleine Oktopus bedankte sich sehr artig bei dem großen, weisen, weißen Wal, ehe dieser wieder in die kalte, dunkle Tiefsee zurücktauchte.
Dann schwamm der kleine Oktopus mit den warmen Strömungen los. Aber bald merkte er, wie er immer müder und müder wurde. So müde, dass er bald kaum noch vorwärtskam. Die Reise war wirklich sehr weit! Kraftlos schwamm er weiter, als er einen dunklen Schatten bemerkte, der sich ihm näherte. Der kleine Oktopus schreckte auf. Wieder ein Hai? Nein, diesmal kam aus der Tiefe des Meeres …
… eine Muräne!
Dem kleinen Oktopus blieb fast das Herz stehen und er schwamm, so schnell er konnte. Doch die große Muräne war viel schneller. Schon war sie heran und öffnete das große Maul mit den vielen spitzen Zähnen ...
… und schwamm an dem kleinen Oktopus vorbei, um ihn dann zu umkreisen.
„Hallo!“
„H-hallo“, stammelte der kleine Oktopus. Er musste sich erst noch von dem Schreck erholen.
„Du bist der kleine Oktopus, der flauschig werden will, nicht wahr? Der Hammerhai hat mir von deiner Reise erzählt. Ich bin neugierig – was hat der weiße Wal gesagt?“
Der kleine Oktopus freute sich, dass er im kalten Ozean eine Freundin getroffen hatte und nicht gefressen worden war. Er erzählte, dass der weiße Wal ihn zu dem Einsiedlerkrebs geschickt hatte.
„Das ist aber schade – dann hast du noch einen weiten Weg vor dir“, sagte die Muräne. „Komm, ich will dir helfen. Halt dich fest – ich bringe dich bis zum Korallenriff vor den Magrovenwäldern.“
Das ließ sich der erschöpfte Oktopus nun wirklich nicht zweimal sagen, und so hielt er sich mit sieben Tentakeln an der Muräne fest. (Im achten hielt er ja die Muschelschale mit den Leckereien, seinem Lieblingskiesel und der Goldmünze.) Schon schoss die Seeschlange vorwärts und der Oktopus – hui! – wurde fast von ihrem Rücken gespült.
Nach einem Tag und einer Nacht sah der Oktopus vor sich ein buntes Fleckenmeer, und als sie näherkamen, erkannte er unzählige Korallen in den buntesten Farben und wildesten Formen. Viele, viele, viele Fische schwammen durch Höhlen und Seeanemonen und Tangwälder. Farbenfrohe Muscheln lagen auf dem Boden verstreut. Ein paar hungrige Raubfische gab es auch, doch sie hatten alle Angst vor der großen Muräne, die über dem Korallenriff langsamer wurde.
„Hier muss ich dich verlassen“, sagte sie. „Bei den Mangroven beginnt Süßwasser, und davon kriege ich Migräne. Aber ich wünsche dir viel Glück bei deiner Reise, kleiner Oktopus.“
Er bedankte sich bei der lieben Muräne, dann schwamm er mit seiner Muschelschale im Schlepptau los. Die Nacht über hatte er auf dem Rücken der Muräne schlafen können, so war er jetzt wach und voller Tatendrang. Wie der weiße Wal es ihm gesagt hatte, folgte er den warmen Strömungen. Bald schmeckte das Wasser ganz anders. Es wurde auch immer flacher, der Boden war sandig, und dann ragten lange, gewundene Wurzeln ins Wasser. Der kleine Oktopus bekam sogar etwas Kopfschmerzen, aber tapfer schwamm er weiter.
„Hallo? Einsiedlerkrebs?“, rief er dabei immer wieder.
Plötzlich bekam er eine Antwort: „Wer sucht mich?“
Der kleine Oktopus sah sich um. Die Stimme hatte so nah geklungen! Aber er konnte nichts sehen.
„Ich habe eine Frage zur Flauschigkeit!“, antwortete er. „Einsiedlerkrebs? Der weiße Wal sagte, du kannst mir vielleicht helfen.“
Da bewegte sich plötzlich eine hübsche, bunte Muschel am Boden, und zwei Stielaugen sahen darunter hervor. Der kleine Oktopus erschrak vor den großen Kneifzangen des Einsiedlerkrebses.
„Flauschigkeit also?“, fragte der Krebs. Er erhob sich auf sechs Beinchen – das Muschelhaus stemmte er dabei auch hoch, so stark war er – und besah sich den kleinen Oktopus genauer. „Du kommst von weit her.“
Der kleine Oktopus erzählte dem Einsiedlerkrebs seine ganze Geschichte – wie er mit den Robben gesprochen hatte, von der Reise zum weißen Wal und wies er letztendlich hier gelandet war.
„Was für eine Reise!“ Der Einsiedlerkrebs staunte. Dann wurde seine Stimmung düster. „Und leider ist sie noch nicht an ihrem Ende. Ich weiß vieles von Land und Luft, aber genau das kann ich dir nicht sagen. Ich habe vom Flauschbären auch nur Geschichten gehört. Aber eines weiß ich“, fuhr er fort, als der kleine Oktopus sich unglücklich auf den Boden sinken lassen wollte, „es gibt auch schon flauschige Tiere ohne Fell! Die Pinguine gehören nämlich auch zum Flausch! Und das sind Vögel, die haben Federn. Wenn dir jemand also eine Antwort geben kann, dann sie!“
Diesen Satz hörte der kleine Oktopus nun schon zum dritten Mal. Und dreimal hatte man ihm keine Antwort geben können. So war er mehr als entmutigt und war sich nicht sicher, ob er den weiten Weg bis ins Eismeer auf sich nehmen wollte. Das war eine halbe Weltreise! Dafür war er nun wirklich viel zu klein. So gerne er auch flauschig sein würde, er musste wohl weiterhin mit der Unsicherheit leben, nicht zu wissen, ob das jemals möglich gewesen wäre. Und überhaupt – was, wenn es unmöglich war? Dann wäre er um die halbe Welt geschwommen, nur um zu erfahren, dass er seinen Traum niemals leben könnte.
Er dankte dem Einsiedlerkrebs mit sehr leisem Stimmchen, und dann schwamm er langsam und still davon, zurück zum Korallenriff und dann am Strand entlang, bis er eine dunkle Sandkuhle fand, in die er sich setzte. Traurig umarmte der kleine Oktopus seine Muschelschale. Er wiegte sich hin und her und knabberte an seinem letzten bisschen Vorrat aus der Muschelschale.
Da schwammen zwei Fische vorbei, die den Boden absuchten und sich dabei stritten.
„Ich sage dir, Gold, das ist es, was die Frauen mögen!“, sagte der eine. „Mit Gold macht man nichts falsch.“
„Aber nicht doch!“, widersprach der andere. „Meine mag nur Naturdinge, die glitzern. Die sind also auf jeden Fall besser.“
Böse starrten die Fische einander an – und schwammen gleich in den kleinen Oktopus hinein! Die drei kugelten durcheinander und kamen auf dem Sand zu liegen.
„Oh, Entschuldigung“, sagte der eine Fisch.
„Tut mir wirklich leid“, sagte der andere. „Mein Freund hier ist schuld!“
„Bin ich gar nicht!“, erwiderte der erste Fisch erbost.
Der kleine Oktopus hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen. Dass die Fische sich stritten, machte ihn traurig. Leider gab es kein Versteck in der Nähe, und es hätte bestimmt auch nicht geholfen.
„Warum streitet ihr denn?“, fragte er die Fische.
Die beiden zögerten. Dann antwortete der zweite. „Oh, tut mir leid, das stört dich sicher sehr. Aber weißt du … wir sollen für unsere Frauen schöne Glitzerdinge suchen. Und wir sind uns unsicher, welches die Hübschesten sind. Meine Frau mag nichts, das bearbeitet ist. Aber er …“
„Ich weiß es besser!“, prahlt der erste Fisch. „Meine Frau liebt Gold über alles. Das kommt zwar von den Menschen, aber es glänzt, und das reicht ihr. Hah – Loser!“ Das war an den anderen Fisch gerichtet.
„Jetzt wartet doch mal“, sagte der kleine Oktopus und hob beschwichtigend zwei Tentakel. „Wisst ihr denn nicht, dass beides richtig sein kann? Was schön ist, das entscheidet doch jeder selbst. Die eine Frau mag Gold mehr, und die Andere mag Natursteinchen.“
Die Fische dachten darüber ein bisschen nach.
„Das heißt“, sagte also der erste Fisch, „Gold ist nicht besser?“
„Für deine Frau ist es besser als für seine“, sagte der Oktopus.
„Und für meine Frau sind dann Steinchen besser, kein Gold?“, fragte der zweite Fisch.
„Genau!“ Der kleine Oktopus freute sich. „Ihr habt beide recht.“
Verwundert sahen die Fische sich an.
Der erste Fisch sagte: „Dann müssen wir ja nicht streiten – das ist sicher auch viel besser für alle anderen und wir schwimmen nicht mehr blindlings in so kluge, kleine Oktopoden hinein!“
„Aber“, da wurde der zweite Fisch traurig, „die Erkenntnis hilft uns wenig, solange wir weder Gold noch ein Steinchen haben!“
Da kam dem kleinen Oktopus ein Geistesblitz. Er schwamm ganz schnell zu seiner Muschel und holte das große, glänzende Goldstück und seinen Lieblingskiesel heraus. Andächtig strich er noch einmal über das Goldstück. Und dann umarmte er seinen glänzenden Lieblingskiesel ein letztes Mal.
Beides brachte er den Fischen.
„Oh, für uns?“, fragte der erste überrascht und nahm das Goldstück ganz vorsichtig in die Flossen.
„Wie können wir dir jemals danken?“, fragte der zweite Fisch. Er sah, dass der kleine Oktopus ein wenig weinte – obwohl man im Salzwasser ganz genau hinsehen musste, um das zu erkennen – und nahm den Kiesel andächtig entgegen.
Der kleine Oktopus lächelte. „Sie sind sowieso sehr schwer für mich. Macht euren Frauen damit eine Freude, ja?“
Die Fische hörten kaum auf, sich zu bedanken. Dann schwammen sie zu ihren Frauen zurück.
Der kleine Oktopus blieb mit einem komischen Gefühl zurück. Er war traurig, dass er die wunderschöne Münze und den liebgewonnenen Kiesel weggegeben hatte. Aber irgendwie fühlte er sich auch viel, viel reicher als vorher. Dabei hatte er jetzt nichts mehr, nur eine leere Muschelschale, die er im Sand liegenlassen konnte.
Langsam schwamm er los, sich auf den langen Weg nach Hause zu machen. Da hob sich plötzlich der Boden an! Der kleine Oktopus purzelte vor Schreck hintüber. Ein großer Rochen hob sich vor ihm aus dem Sand und sah ihn neugierig an. „Bist du der kleine Oktopus, der flauschig werden möchte?“
Erstaunt sah der kleine Oktopus den Rochen an. „Bist du ein Freund vom Hammerhai? Oder von der Muräne?“ Hatte er hier einen neuen Freund gefunden, der ihn nach Hause bringen konnte?
„Weder noch“, sagte der Rochen aber zum großen Erstaunen des kleinen Oktopusses. Und dann erzählte der Rochen eine wirklich unglaubliche Geschichte! Unglaublich jedenfalls für unseren kleinen Oktopus. Denn die drei Robbenbabys hatten anderen Robben von dem Wunsch des kleinen Oktopusses erzählt, und davon hatten dann die Delfine erfahren und bald auch die Möwen. Damit wussten es dann schnell alle Seevögel. Dann war der Hammerhai im tiefen Graben angekommen und hatte den anderen Haien und natürlich den Muränen und den Tiefseefischen davon erzählt. Und der weiße Wal hatte später dann noch mit dem Riesenkraken gesprochen, der es den anderen Tiefseemonstern erzählt hatte. Von ein paar Quallen hatten es dann die Seeschildkröten gehört und deren Reise führte kreuz und quer durch das Meer. Auch am Korallenriff hatten ein paar Seeschlangen von der Muräne die Geschichte erfahren. Während der kleine Oktopus in der Sandgrube verzweifelt war, hatte der Einsiedlerkrebs den Hummern und Schlammspringern und sogar den Tieren des Landes von der Reise des kleinen, mutigen Oktopusses erzählt.
„Jetzt weiß es der ganze Ozean!“, endete der Rochen, „und an Land verbreitet sich die Nachricht fast so schnell wie die Botschaft des Flauschbären. Ich habe auch davon gehört und ich möchte dir helfen, zu den Pinguinen zu kommen.“
Der kleine Oktopus war ganz ergriffen. „Aber … warum?“
„Weil uns interessiert, wie die Geschichte ausgeht“, antwortete der Rochen. „Viele andere Fische möchten jetzt auch flauschig werden. Für uns hängt da viel mit drin.“
Wo so viele Fische auf ihn zählten, konnte der kleine Oktopus nicht länger niedergeschlagen sein und aufgeben wollen! Er atmete einmal tief durch – denn vielleicht würde er ja bei den Pinguinen nur schlechte Neuigkeiten hören – und kletterte dann auf den Rücken des Rochens. „Dann auf zum Eismeer!“
„Juhuuu!“, rief der Rochen und – wuuusch! – da ging es los.
Und was war das für eine Reise! Wo immer sie anderen Wassertieren begegneten, jubelten diese laut und winkten dem kleinen Oktopus. Und viele riefen auch ermutigende Worte zu wie „Für uns bist du schon flauschig!“ Der kleine Oktopus war ganz gerührt.
Als der Rochen müde wurde – es war eine wirklich weite Reise – kam ein Schwarm fliegender Fische, die nahmen den Oktopus mit. Und dann war es ein Albertross. Danach ein großer, gefährlicher Orca. Sie alle wollten dem kleinen Oktopus gerne helfen.
Das letzte Stückchen musste er aber alleine schwimmen. Die vielen Eisberge waren so dicht, dass der Orca dort nicht mehr schwimmen konnte. Ganz alleine im kalten Wasser machte sich der kleine Oktopus an den Weg nach oben zu den Wasserlöchern.
Dort warteten die Pinguine schon ungeduldig, denn sie wussten natürlich längst, dass der kleine Oktopus kommen würde. Und so standen ganz viele Pinguine am Eisloch herum und schnatterten aufgeregt und watschelten auf ihren kurzen Füßen hin und her. Als der kleine Oktopus aber unter den Wellen auftauchte, wurden sie still und dann wichen sie auseinander.
Oh, was staunte der kleine Oktopus, als sich durch die Menge der Pinguine ein wirklich großer, flauschiger, brauner Bär schob! Was war der riesig!
Er kam direkt ans Wasser und sah den kleinen Oktopus mit seinen braunen Augen an, die so voller Wärme waren, dass der Oktopus das kalte Eiswasser nicht mehr spürte.
„Wenn du flauschig sein willst, so sind die Worte des großen Flauschbären, so bist du es bereits“, sagte der Bär mit dunkler Stimme, die im Wasser widerhallte wie das beruhigende Lied eines Wals. „Alle Tiere hörten von deinen Taten, kleiner Oktopus. Du hast Flausch verbreitet, ehe du wusstest, dass du es tatest. Du hast die Herzen der Tiere berührt. Zuerst des Hais, zu dem du so freundlich warst, und zuletzt der beiden Fische, deren Streit du geschlichtet hast. Doch mehr noch, du hast den ganzen Ozean vereint, und du hast vielen Hoffnung oder Frieden gebracht, die ihn brauchten. Wenn einer flauschig ist, so bist du es!“
Der kleine Oktopus war überglücklich. Er hatte wirklich große Angst gehabt, dass der Flauschbär ihn am Ende doch ablehnen würde. „Aber ich bin wirklich flauschig?“, fragte er aufgeregt nach. „So ganz ohne Fell?“
Da lachte der Bär gutmütig. „Flauschigkeit, das hat doch nichts mit dem Fell zu tun! Das wolligste Schäfchen kann unflauschig sein und der stacheligste Kaktus kann flauschig sein. Flausch ist mehr als nur die Oberfläche.“ Und dann beugte der Bär sich ganz tief zum Wasser. „Den wahren Flausch, kleiner Oktopus, den hast du ganz tief in dir drin.“