20.11.2019
Sonnenfinsternis
Heute war es endlich soweit. Mike und Daniel waren auf dem Weg zur See, um ihren diesjährigen Jahrestag zu feiern. Mike hatte vergangene Woche spontan ein Chalet gemietet und gemeint, dass sie auch mal was anderes hätten machen können als immer nur im Restaurant zu sitzen. Er, Daniel, war sofort von diese Idee begeistert gewesen und freute sich ungemein auf die niederländische Küste, an der sie gemeinsam schon zahlreiche Urlaube erlebt hatten. Gegen fünfzehn Uhr würde eine Sonnenfinsternis zu sehen sein, und sie beide wollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen.
»Hast du deine Badesachen eigentlich eingepackt?«, fragte Mike seinen Freund, »ich möchte unbedingt mit dir zusammen im Meer treiben und Champagner trinken.« Er legte Daniel die Hand auf den Oberschenkel. Angesprochener hob vielsagend eine Augenbraue und blickte Mike mit süffisanter Miene an. »Uuh ... na, das klingt ja spannend. Natürlich habe ich die dabei«, lachte er und streichelte Mikes Hand, die ihm leicht schwitzig vorkam.
»Was du wieder denkst ...« , witzelte Mike und schlug ihm verspielt gegen den Arm, während sie beide das Ortsschild erkannten.
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»Hilfst du mir eben mit den Taschen? Dann brauche ich nicht zweimal laufen«, rief Daniel und Mike kam schnellen Schrittes aus dem kleinen Häuschen. Um nichts in der Welt wollte der Ältere die Tasche in Daniels Obhut wissen, und riss sie ihm förmlich aus der Hand. Verdutzt und mit einem ungläubigen Kopfschütteln tapste der Dunkelblonde seinem Freund hinterher, der im Chalet gerade verschwand.
Die Inneneinrichtung war gemütlich in sanften Brauntönen gehalten. Ein großeS Bett stand am Fenster – das einen fantastischen Blick auf das Meer bot, einer kleinen dunkelbraunen Couch an der linken Seite und einen ebenso farbenen Kleiderschrank auf der anderen.
Mike war bereits damit beschäftigt, die Sachen aus dem Koffer in den Schrank zu packen. Häufig schaute er Währenddessen auf die Uhr, während Daniel, gelassen wie immer, seine Tasche auf den Boden warf und sich selbst aufs Bett fallen ließ. »Hm ... das nenne ich mal ein Bett«, schwärmte der Dunkelblonde und streckte sich einmal in alle Richtungen.
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Schatz. Zieh' dir bitte deine Badeshort an, ich möchte unbedingt ins Wasser, mir ist unglaublich warm.« Mit diesen Worten begann er sich umzuziehen. Daniel betrachtete Mike argwöhnisch und wunderte sich über seine plötzliche Hektik, begann aber auch die Kleidung zu tauschen. »Wieso haben wir keine Zeit?«, fragte er, "wir sind doch gerade erst angekommen und die Sonne verschwindet erst in zwei Stunden ...«
Mike bließ bereits die Luftmatratze auf und schaute unsicher zu seinem Freund. »Mir ist wirklich warm, und ich möchte ins Wasser ... schau' doch mal wie ruhig die See ist«, er zeigte mit dem Finger auf das große Panoramafenster, »außerdem will ich die Zeit nicht mit trödeln verschwenden. Bist du fertig?«
Daniel stöhnte genervt und dachte, dass sie vorher noch zur Promenade hätten gehen können, welche schon damals einen perfektem Blick auf das Wasser und den verwegenen Dünen dargeboten hatte.
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Später lagen beide am Strand und genossen die
Sonne und das Urlaubsfeeling. Mike füllte gerade zwei Gläser mit Champagner auf, während Daniel eine Möwe beobachtete, die immer wieder im noch feuchten Sand herumstocherte.
»Hier, lass’ uns anstoßen.« Mike reichte seinem Freund ein Glas, dass dieser mit einem freudigen Blick entgegennahm. »Auf uns und auf viele weitere Jahre mit dir« , begann Mike und beide stießen an. »Auf uns und auf das wir für immer zusammenbleiben werden« , lächelte der Dunkelblonde und trank einen Schluck der prickelnden Flüssigkeit.
Mike räusperte sich und richtete sich auf, stellte sein Glas an die Seite und zog Daniel mit einem Kuss in eine feste Umarmung. »Ich freue mich, dass du das auch so siehst«, meinte Mike glücklich und drückte seinen Freund ein wenig von sich, um ihn im die Augen schauen zu können.
»Daniel ... weißt du noch vor zehn Jahren, als wir genau an dieser Stelle unseren ersten Jahrestag gefeiert hatten?« , fragte der Ältere.
»Ja, ich weiß es noch. Damals hatte dir doch diese blöde Möwe aufs Bein geschissen« , lachte der Dunkelblonde herzlichst und zeigte auf die besagte Stelle. Mike schmunzelte.
»Das wirst du auch in hundert Jahren noch erzählen, was?«
»Auch noch in Tausend!« Noch lachend setzte Daniel sich auf, suchte die Möwe und zeigte auf sie. »Die hat es bestimmt auch auf dich abgesehen.« Mit diesen Wortem drehte er sich zu seinem Freund um, der jedoch ziemlich angespannt dreinblickte. «Daniel ...es hat einen besonderen Grund, warum ich zeitig mit dir hier sein wollte ...« Er schluckte nervös und zog einen kleinen Gegenstand aus seiner Tasche. Daniel erblickte das kleine Teil und bekam einen trockenen Hals.
»Damals an diesem Tag, um diese Uhrzeit und an dieser Stelle, hatte ich mir geschworen, dich nicht mehr gehen zu lassen«, sagte Mike sanft. Daniel wurde nervös und führte mit zittrigen Fingern sein Glas an den Mund und trank den gesamten Inhalt in einem Schluck.
»Daniel ...ich liebe dich über alles und du würdest mich zum glücklichsten Menschen machen, wenn du mein Mann werden würdest ...« Mike öffnete die kleine Schatulle mit zwei glänzenden Ringen und hielt diese seinem Freund entgegen. » Daniel ... Möchtest du mich heiraten?«, fragte Mike nervös lächelnd. Daniel rüttelte sich aus seiner Starre und fiel seinem Freund um den Hals. »Ja ... Ja, natürlich will ich das!« Er küsste seinen jetzt Verlobten und konnte sein Glück kaum fassen. Sämtliche Nervosität fiel in einem Rutsch von Mike, und mit noch zittrigen Fingern steckten sie sich gegenseitig die Ringe auf.
Wenig später lagen sie zusammengekuschelt auf ihrer Decke und blickten gen Himmel, während der Mond sich langsam vor die Sonne schob.
ENDE