Es war wieder einmal der 31. Oktober, Halloween. Süßes oder Saures. Von wo der Brauch genau ist, weiß ich nicht. Wenn ich an diese Geschichte zurückdenke, bekomme ich eine Gänsehaut.
Diese hat sich vor einiger Zeit ereignet, 25 Jahre ist her, morgen auf den Tag. Wir sind in Nordamerika, präziser in Kanada und noch genauer lokalisiert in Montreal. Eine sehr spezielle Stadt, zweisprachig, Englisch und Französisch wird hier gesprochen. Das Französisch versteht man beim ersten Hören kaum. Die Stadt ist geprägt von einem Zentrum mit Hochtürmen und einer unterirdischen Stadt aufgrund der sehr kalten Winter mit Temperaturen bis zu -35 Grad Celsius. Ach da flüstert mir jemand ins Ohr: „Fang, endlich mit dieser Geschichte an, dies soll doch kein Stadtführer werden.“ Alles klar, es kommt noch schnell genug.
In dieser Stadt spielt sich diese Geschichte ab. Für einen Herbsttag war es bereits recht kühl, mit Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt. Die Gärten waren wunderbar verziert mit Kürbissen, Beleuchtungen in allen Farben und weniger entspanntes mit Skeletten aus Plastik, die von einem Baum herunterhingen. Aber auch schwarze Kreuze mit einer RIP Gravur. In den Straßen liefen die Kinder von Haus zu Haus und klingelten an den Türen und wollten, Süßes oder Saures. Also der Brauch ist ein schöner. Glückliche Gesichter waren überall zusehen.
Ein oder zwei weitere Straßenzüge weiter, im obersten Stock eines Hochhauses trafen sich an diesem Abend die Banker aus dem Bankenviertel. Die Geschäftsleitung hatte zu einer Party eingeladen, um den Abschluss und das super Jahresergebnis zu begießen. Das Licht war schummrig. Die Musik, die lief, war rockig. Es war lustig anzusehen, wie die Mitarbeiter sich fein gekleidet hatten. Stopp, besser gesagt verkleidet. Sie waren kaum wieder zu erkennen. Der Geschäftsleiter lief als Skelett herum. Die Chefsekretärin als Fee! Sie sah mit ihren blonden Haaren und grünen Augen noch hübscher aus, als sonst. Ich wagte mich vor und meinte scherzhaft; „Habe ich drei Wünsche offen?“ Sie grinste schelmisch zurück. Ich muss eingestehen, dass sie mir sehr gefiel. Die Stimmung war ausgelassen. Wir stießen an auf ein noch besseres Jahr.
Das durfte nicht wahr sein, der Geschäftsleiter hielt sein Glas hoch und mit einem Teelöffel schlug er dreimal darauf. Ein sehr schöner, zarter Ton erklingelte. Und er fing an zu reden: „Chers collaborateurs et collaboratrices“, ich werde auf Deutsch die weitere Rede wiedergeben: „In dieser ungewohnten Aufmachung sind wir heute versammelt, um das tolle Geschäftsergebnis zu feiern. Ich weiß ihr arbeitet das ganze Jahr hart und viele Entbehrungen liegen hinter euch. Mit diesem Anlass in ungewohnter Atmosphäre möchte ich mich für euren riesigen Einsatz im vergangenen Geschäftsjahr bedanken. Ich möchte euch nicht länger von euren interessanten Gesprächen aufhalten, cheers.“ Na, wie immer klatschten alle. Fast heuchlerisch und sie wollten sich einschmeicheln. Mein Plan war gefasst! Nur noch den richtigen Zeitpunkt abwarten!
Die Kellner tätigten immer wieder ihre Runden und man konnte feine Fingerdips nehmen. Die Leute lachten viel und machten auch lustige Witze. Ich grinste höflich mit, aber es waren bei Leibe nicht alle lustig. Meine Zeit bei dieser Bank war abgelaufen. Die letzten Jahre wurde ich immer wieder geplagt. Bei den interessanten Arbeiten wurde ich meist übergegangen. Auf den Beförderungslisten war ich trotz meiner exzellenten Arbeit nicht aufgelistet. Jahrelang hatte ich die Faust im Sack gemacht. Ich lächelte immer wieder und versuchte mit allen ein paar Worte zu wechseln.
Bei den Getränken machte ich mich zu schaffen. Unauffällig nahm ich das Weiße etwas und ließ es langsam in das Glas gleiten. Ich drehte mich um, um das Glas abzudecken. Ich nahm zwei Gläser und lief direkt auf den Geschäftsführer zu und murmelte scheu: „Ich würde auch sehr gerne mit ihnen persönlich anstoßen. Außerdem auch bedanken für die außergewöhnlich gute Stimmung in der Firma.“ Er lächelte mich sympathisch an und meinte: „Mach ich gerne Herr Dupont, nein, da trägt jeder mit seinem Teamgeist, dazu bei, danke noch für das Glas.“ Die Gläser klirrten wunderschön. Ich lächelte ihn ein letztes Mal an und nahm einen Schluck.“ Er lächelte zurück. Ich hatte das Gefühl, dass er erblasste, seine Augen wurden glasig. Aber irgendwie hatte ich einen Hustenanfall, mir wurde schlecht. Ich schaute mein Glas genauer an und erbleichte und fiel zu Boden.
Fortsetzung im nächsten Kapitel