Wellness
Zum wiederholten Male beglückwünschte ich mich zu der Entscheidung, dass ich mich auf die Einladung ins Bad mit den Quellen eingelassen hatte. Seit jeher wurden sie Aquae Sulis genannt und wie es schien, waren sie tatsächlich die einzigen heißen Quellen in ganz Britannien. Justus hatte wahrlich keine Kosten und Mühen gescheut.
Nach dem kalten Bad lag ich nun hier auf dem warmen Marmor, der meinen müden kalten Knochen äußerst guttat. Fast war ich schon eingenickt, als ich mir wohl vertraute Schritte hörte. Nur mühsam öffnete ich meine Augen.
„Ave, Marce“, Justus grinste breit, als er mich derart liegen sah.
„Auch dir einen angenehmen Tag“, antwortete ich schläfrig auf seinen Gruß.
„Musst du immer so förmlich sein?“ Fragte ich ihn dann.
Lässig stand er da, nur ein Handtuch locker um seine schmalen Hüften geschwungen, wie ein griechischer Gott, einem Apollon gleich, kaum zu unterscheiden von den Statuen, die still in den Nischen weilten. Wieder erinnerte ich mich daran, wie wir von unserem Lehrer mit Caesars „De Bello Gallico“ geärgert wurden. Ovid wäre uns, in unserem Sturm und Drang, wahrlich mit seiner „Ars Amandi“ lieber gewesen. Genau deshalb ließ Justus auch nichts unversucht, diesem Martyrium zu entgehen, oder aber er ärgerte unseren alten Magister mit allerlei Schabernack. Wer hätte damals daran gedacht, dass wir nun hier an diesem Ort wären und uns tatsächlich für wahre Römer hielten.
„Ehre, wem Ehre gebührt“, er grinste breit.
„Warst du schon im Dampfbad?“ Wollte er dann wissen.
„Du Barbar“, entgegnete ich mit gespieltem Entrüsten.
„Zuerst das Pflegeprogramm mit Massage...“, suchend blickte ich mich um und ich fragte mich, wo nur der unnütze Gehilfe des Bademeisters blieb. Vermutlich versuchte er wieder, einen unerlaubten Blick auf die Damen zu erhaschen.
„Oder habe ich deine Einladung falsch verstanden?“ Ich sah ihn an.
Gelassen winkte Justus ab. Er hatte auf derlei Dinge noch nie Wert gelegt, trollte sich jedoch, um sich dann doch noch den Staub der Straße abzuwaschen, ehe er, wie es seiner Natur entsprach, ins große Becken sprang. Von wahrer Ars Vivendi hielt er wirklich nichts oder machte er sich nur nicht die Mühe, die Finessen zu verstehen? Vermutlich war dies der Grund, dass er mich immer einlud, damit ich ihn durch die Tücken der Etikette hindurch lavierte. Noch ganz in Gedanken trat der Bademeister an mich heran und begann sein Werk. Oh, wie tat es gut. Es schien mir, als wenn er die oberste Schicht meiner Haut abzöge, so dass ich hernach wie ein neuer Mensch wäre. Die Massage mit dem wohlduftenden Öl versetzte mich in ein seltenes Hochgefühl. Ich liebte es, mit allen Sinnen zu genießen, fehlte nur noch ein amouröses Erlebnis, um den Besuch komplett zu machen. Aber Justus hatte gewiss auch dafür Sorge getragen, so war er nun einmal.
Als das Öl vollständig eingezogen war, ging ich hinüber in den Warmbereich, wie wurde es noch gleich genannt? Ach ja, Tepidarium. Davor standen paarweise Holzpantinen in unterschiedlichen Größen und ich schlüpfte in ein passendes hinein, da der Boden meiner Erfahrung nach sehr heiß sein konnte. Während ich auf einer der Liegen ausgestreckt ruhte, kam ein junger Bursche mit Wein und Leckereien herein. Oh ja, darauf hatte ich gewartet, dann käme Justus gewiss auch bald oder besser doch nicht so bald, denn der Jüngling war höchst ansehnlich. Fast war ich enttäuscht darüber, dass er nicht errötete, als er meinen Blick bemerkte. Aber so wusste er immerhin, was zu tun wäre, um mir meine Wünsche zu erfüllen.
Irgendwann saß ich mit geschlossenen Augen herrlich ermattet in einem der heißen Becken des Caldariums, als sich endlich auch Justus zu mir ins heiße Wasser gleiten ließ.
„Wie ich sehe, war alles zu deiner Zufriedenheit“, sprach er mich mit süffisanten Unterton an.
„Du weißt eben, was ich nach einem Feldlager benötige“, bestätigte ich seine Vermutung.
Justus lachte: „Natürlich, dafür bin ich da, mein Freund.“
Doch dann wurde er wieder ernst.
„Cornelia hat uns zu sich eingeladen.“
„Muss ich da hin?“ Fragte ich genervt.
„Sie hat ein Auge auf dich geworfen. Du solltest geschmeichelt sein, dass sie ausgerechnet dich will“, versuchte Justus mir die Einladung schmackhaft zu machen.
Eigentlich hatte er ja Recht. Cornelia war aus einer hoch geachteten Familie und eine Heirat mit ihr versprach sozialen Aufstieg und Ansehen, vielleicht sogar ein öffentliches Amt, Dinge, die mir gar nicht wichtig waren. Außerdem machte ich mir nichts aus Cornelia, auch wenn sie eine überaus gute Partie war.
„Deshalb hast du mich hierhin mitgenommen?“ Fragte ich ihn schließlich.
„Natürlich. Du musst doch für Cornelia gut aussehen.“ Justus grinste. „Und außerdem entspannst du dich sonst nie richtig. Was sagt sie noch immer zu dir? Amo te, ama me.“
„Wenn du meinst“, gab ich mich geschlagen, auch wenn mir die Ausführungen nicht plausibel erschienen.
„Denke immer daran, wenn du erst einmal verheiratet bist, wird sie deine Bedürfnisse respektieren“, versuchte er mich noch weiter zu beruhigen.
„Was hast du davon?“ Wollte ich dann wissen.
Jedoch diese Antwort blieb mir Justus schuldig, er lächelte lediglich.
„Manus manum lavat.“