„Bach ist Astronom und entdeckt die schönsten Sterne. Beethoven zweifelt das Universum an. Ich versuche nur, die Seele und das Herz des Menschen auszudrücken.“ - Frédéric Chopin
1837
Er benötigte kaum, seine Empfindungen erstarken zu lassen, bis sie sein Handeln durchtrieben, übermannten sie doch bereits gänzlich seine Sinne und den Geist. Seine Brust erzitterte vor Tatendrang, flüsterte sowohl in dem eiligen Takt des Frohsinns, als auch in dem bedrohlichen Pochen süßer Seelenwundheit; und wenngleich er nicht wusste, welcher Stimmung er sich zu ergeben hatte, so war ihm gewiss, dass er keine zu ersticken vermögen würde. Der Gedanken glühende Gestaltungen füllten seinen Leib an, liefen über Schultern und Arme hinab zu seinen Fingern, welche ihn endlich zu beginnen hießen.
Er wünschte, das frühlingshafte Frohlocken der Vögel - sie glichen in ihrem feinen Federkleid derart in Ballroben tanzenden Mädchen - abzubilden. Er wünschte, die Pein, wenn herbstliches Tosen einen noch nicht herangereiften Apfel allzu früh von dem mütterlichen Zweig riss, in die schwarzen Köpfen der Noten zu füllen.
Kaum auf die Linien des frischen Papiers blickend, schrieb er die schwingende Leidenschaft tragenden Triolen nieder.
Heute
Das Stück strömte sogleich über sie, sodass ihre Sinne in den wehmütigen, wunderhaften Wogen niedergingen. Das Sprudeln klang, als eröffnete sich ihr ein grenzenloser Garten. Felder von Rosenbüschen schwammen inmitten des samtigen Grases, über welches wie im Walzer schimmernde Insekten zu dem natürlichen Takt des Ortes tanzten; alles lachte, pries die innewohnende Kraft eines jeden sich einfindenden Lebewesens. In der Ferne, unwirklich jedoch, beinahe unkenntlich in frostigem Nebel verborgen, umschloss gliedriges Geäst eine finstere Lichtung.
Leise lächelte sie ob der eigentümlichen Erscheinung. Welch warmen Wahn doch alleinig das Gehör zu erschaffen vermochte. Sie lauschte dem gleitenden Gesang der Melodie, welche auf der regelmäßig taumelnden Begleitung ruhte, welche scheinbar das reinste Wort des Komponisten trug. Ein jedes Hinaufsteigen glich einem Sehnen, ein Hinabfallen einer anhaltenden Hoffnung, als zeichnete, sang, beschrieb er in geringster Nähe zu ihr - in ihrem gebannten Geist, auf der aufsprießenden Haut - seine weltliche Wahrnehmung. Gerne würde sie sich in ebendieser verlieren, um unter seiner Führung sich durch den bezaubernden Garten seines Geistes zu drehen.
Jäh, noch bevor der letzte Akkord aus den Lautsprechern seufzte, entsann sie sich ihrer Gedankenlosigkeit. Sie hatte sich der traumhaften Schaffung hingegeben, wenngleich sie sich ihrer lediglich zu beflügeln lassen gedacht hatte.
Kaum auf das reine Tal frischen Papiers blickend, versah sie es der ersten Striche einer grauen Skizze.