„Der Himmel stürzt ein!!! Der Himmel stürzt ein!!“
„Bringt euch in Sicherheit!!“
Die panischen Schreie hallten in den Straßen von Sturmwind wider und Faelyrin hob den Kopf. Sie hatte bis vor wenigen Tagen noch Jagd auf die verbliebenen Anhänger der vielen Zwielicht-Kulte gemacht und war daraufhin in die Hauptstadt der Allianz zurückgekehrt um zu regenerieren. In Sturmwind selbst hatte sie erfahren, dass es einer Gruppe von Helden gelungen war, den alten Gott N'zoth endgültig zu besiegen und somit zu verhindern, dass der Wahnsinn Azeroth befiel.
Jetzt machte sich nach wenigen Tagen der Ruhe erneut Angst breit. Faelyrin starrte nach oben. Das helle Blau des Himmels wurde von dunklen Wolken plötzlich verdeckt.
Mit einem tiefen Grollen und Rumpeln splitterten plötzlich der ganze Himmel. Er glich einem Meer aus Kristallen, das ein Abbild der Eiskronenzitadelle widerspiegelte, verzerrt wie ein Mosaik.
„Bei Illidan ...“, flüsterte sie entsetzt. „Was ist das?“ Plötzlich stießen schattenartige Wesen zwischen den dunklen Wolken herab und drangen mit einem ohrenbetäubenden Kreischen in den Luftraum über Sturmwind ein. Faelyrins Flügel brachen aus ihrem Rücken hervor und sie hob mit einem kräftigen Sprung vom Boden ab. Sie landete auf dem Dach der Kathedrale und hielt sich an der Turmspitze fest.
Von hier hatte sie einen guten Überblick über die Stadt. Die Wesen schienen sich direkt über dem Hafen zu sammeln und Faelyrin konnte sehen, wie sie auf die Grabstätte des gefallenen Königs Varian Wrynn zuflogen. Im ersten Moment erinnerten diese Wesen sie an gefallene Engel, doch die schwarzen Partikel, welche sie umgaben, jagten ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. So sehr sich Faelyrin auch bemühte, sie war nicht in der Lage zu erkennen, woher diese Energie stammte. Die Intensität der Macht die diese Gestalten verströmten war nichts, was sie auf Azeroth oder den anderen Welten bisher gespürt hatte.
Faelyrin ließ sich aus ihrer Position fallen und fing sich in der Luft ab. Mit kräftigen Flügelschlägen flog sie den Wesen hinterher und konnte nur noch sehen wie zwei von ihnen in die Tiefe rasten. Zwei Schattenpfeile jagten auf eine Person neben dem Grabmal herab. Als diese Ihr Ziel erreichten wurden die Geschosse plötzlich zu Ketten und Faelyrin stellte mit Entsetzen fest, dass die beiden Wesen sich den jungen König, Anduin Wrynn, den Sohn Varians gepackt hatten und verschleppten.
Sie hörte Genn Graumähnes schrei, als Anduin davon getragen wurde. Ohne zu Zögern schoss Faelyrin durch die Luft, den fliegenden Wesen hinterher.
„Helft Ihm Dämonenjägerin!“, schrie Genn und sie beschleunigte in ihrer Verfolgung.
Anduin wehrte sich gegen die Ketten und gerade als Faelyrin nah genug war um ihn zu erreichten, konnte sie aus den Augenwinkeln ein weiteres purpurnes Geschoss erkennen, dass auf sie zuraste.
„Achtung!“, rief der junge König ihr entgegen und Faelyrin musste ausweichen. Das Geschoss drang in ihre Flügel ein und ein unerträglicher Schmerz ließ sie in der Luft erstarren.
Die Lederhaut ihrer Schwingen begann sich zu teilen und hing nur noch in Fetzen zwischen den Flügelgliedern. Wie Papier über einer Kerzenflamme verkohlten einzelne Elemente und Faelyrin stürzte mit einem Schmerzensschrei in die Tiefe.
Hektisch versuchte sie sich abzufangen. Ihr gelang es in einen gleitenden Sinkflug überzugehen und schließlich unkontrolliert in Genns nähe aufzuschlagen. Sie stürzte, stolperte und rollte mehrere Meter über den Boden und blieb schwer atmend und tief kehlig grollend auf allen vieren liegen.
Ihre Flügel dampften und mit vor Zorn verzerrtem Gesicht sah sie nach oben. Die Wesen waren mit Anduin verschwunden und das langgezogene „Nein!“ von Genn folgte ein hasserfülltes: „Sylvanas!“
Faelyrin hatte keine Zeit sich Gedanken darüber zu machen, sie kämpfte gegen den Schmerz in ihren Schwingen an. Was auch immer sie getroffen hatte, etwas Vergleichbares war ihr bisher noch nie passiert. Sie biss sich selbst in den Unterarm und schrie dumpf in ihre Armbeuge. Plötzlich fühlte sie wie der Schmerz nachließ. Ihre Augen weiteten sich und sie hob nur vorsichtig den Kopf.
Dicht neben Faelyrin stand ein ihr bekannter Nachtelf, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
„Ar- ... Araneth?“, flüsterte die Dämonenjägerin heißer. Er lächelte und der grüne Schimmer, der über seinen Händen lag und auf ihre Flügel überging, war einer der Heilzauber, welche der Druide beherrschte.
„Sie haben den jungen Löwen mitgenommen“, krächzte sie auf Darnassisch und er nickte nur. „Das hab ich gesehen“, antwortete er bitter.
„Graumähne! Was hat die Banshee damit zu tun?“, rief Faelyrin plötzlich dem Berater des Königs in der Gemeinsprache der Allianz zu.
Der Mann mit dem grauen Haar sah sie finster an und grollte tief: „Es ist ihr Werk! Es muss ihr Werk sein!“ Er schnaufte und blickte verzweifelt gen Himmel. „Wir müssen Jaina und die Anderen warnen. Noch können wir Anduin retten!“
Die beiden Elfen sahen sich kurz verwirrt an und Genn begann bereits loszulaufen.
„Folgt mir! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“, rief er beinahe bellend.
Araneth half Faelyrin auf die Füße und auch wenn sie noch etwas wackelig auf den Beinen war folgten die beiden schließlich dem Menschen.