Schön, dass du vorbeischaust.
Ich habe mir gedacht, dass ich dir erzähle, wo ich schreibe. Es ist nämlich ein zauberhafter Ort. In meine Luftschlosserei ziehe ich mich zurück, wenn ich schreiben möchte. Es ist nicht weit von mir, egal wo ich gerade bin, was sehr kommod ist. (Ab und zu mag ich ein altmodisches Wort.)
Und jeder Immobilenfritze sagt, dass es das Wichtigste ist: Lage, Lage, Lage.
Die Luftschlosserei hat sich nicht entschieden, ob sie Bauhaus oder Schinkel ist, das ist manchmal etwas seltsam, aber in der Summe passt es. Wenn du mich besuchsen willst - die Türen stehen außer bei einer Zombieapokalypse immer offen - gibt bitte acht, dass du den Babydrachen, den ich letztes Jahr im Wald gefunden habe, nicht ärgerst. Wenn er in den nächsten Tagen aus seinem Winterschlaf erwachen wird, hat er sicher einiges an Spannweite zugelegt und ist vermutlich ein pubertierender Jungdrache und nicht mehr ganz so niedlich. Doch meistens ist er friedlich und hauptsächlich frisst er Fische. Ab und zu mal eine Ente. Er braucht einen Namen.
Hinten im Garten gibt es einen Pool. Wenn der Drache Lust hat, heizt er ihn mit seinem heißen Atem an. Ich hätte es toll gefunden, wenn er das auch den Winter über für das Haus getan hätte, aber er wollte ja schlafen, dieses Faultier.
Der Pool ist toll, aber nicht ungefährlich. Schwimm nicht so weit raus, denn es könnte passieren, dass er hohe Wellen schlägt und dich hinauszieht in das Meer und dann bist du verloren.
Nach einem erfrischenden Bad komm doch in die Küche. Die ist riesig, und es gibt immer etwas zu essen und zu trinken. Neben dem Herd ist eine schwere Tür, die zu dem Vorratskeller hinabführt. Die steilen Treppen mag ich nicht hinabsteigen. Es ist etwas gruselig da unten und so genau weiß ich nicht, wer oder was da unten haust. Manchmal, wenn ich eine düstere Szene schreiben will, setze ich mich für ein paar Minuten auf die dritte Stufe von oben und horche in das Dunkel hinein. Zuverlässige Inspiration. Wie die Vorräte dann nach oben gelangen? Keine Ahnung. Das ist eines der Geheimnisse der Luftschlosserei.
Sie hat sehr viele Zimmer. Einige sind klein und adrett, mit Blümchentapeten und Biedermeiermöbeln, andere herrschaftlich pompös, da spiegeln sich die violetten Seidenbahnen an den hohen Fenstern im schwarzen Marmorboden. Drei Zimmer sind geradezu mönchisch. (Ich weiß nicht, wo die herkommen, ich habe mir die nicht ausgedacht!) Einen Raum mag ich besonders gerne; er hat alte Douglasiendielen, die noch duften und quietschen, wenn ich darüber gehe und dunkelgrün gestrichene Wände.
Es gibt auch eine Bibliothek mit gemütlichen Sesseln vor dem Kamin - der beste Ort im Winter! Du hast also die Qual der Wahl.
Aber mein Lieblingszimmer ist das mit dem Fenster zum Meer. (Es gibt auch eines mit Blick auf die Berge.) Wie das geht? Wo doch die Luftschlosserei, würde man sie auf einer Karte suchen, irgendwo zwischen den Käfigen von Lamberti und dem Hermannsdenkmal verzeichnet sein müsste? Aber es ist halt die Luftschlosserei und die hat ein riesiges Fenster zum Meer, weil ich das so will. Du weißt schon - so eines von oben bis unten, von links nach rechts über die ganze Wand mit einem schmalen Rahmen und einer gepolsterten Bank davor. Das Polster ist aus orangerotem Samt und passt sowohl zu den Sonnenunter- als auch den -aufgängen und zu den trüben Tagen, weil es sie erheitert.
Meistens zeigt das Fenster zur Nordsee, aber ab und zu gibt es auch weißen Sandstrand und Palmen. Oder die Almalfiküste. (Da wohnen übrigens die stylischten Meerjungfrauen. Natürlich, niemand sonst trägt seine Schuppen so lässig elegant wie die italienischen Meerjungfrauen.)
Ab und zu gibt es hier auch Workshops. Hubertus, der Zwerg, ist regelmäßig hier (er hat es ja nicht so weit) und unterrichtet in der Schmiede. Seltener, weil seine Anfahrt kompliziert ist, schaut auch Gannian herein und wenn es irgendetwas über Klamotten aus den 60ern zu wissen gibt, dann bist du bei ihm an der richtigen Adresse. Und er schneidert die besten Fluganzüge. Lireïs hat über Heilkräuter referiert. Leider gab es einen Unfall, weil jemand nicht aufgepasst hat und die Mengen verwechselt hat. Auf der Tapete ist ein rosa Fleck, der sich nicht entfernen lässt und es gibt nun einen kleinen Hügel in dem Beet hinter dem Gewächshaus. Wir sprechen einfach nicht mehr darüber.
Das Gewächshaus liegt auf dem halben Weg zum Pool. Diese Gebilde hat sich noch nicht entschieden, ob es nicht vielleicht doch eine vornehme Orangerie sein möchte. Mit ein bisschen Glück findest du hier im Herbst also einen kleinen Sitzplatz unter Palmen - oder eben nur eine Reihe Gemüsebeete und Kräuter, das weiß man nie so genau. Dafür sind die späten Erdbeeren spitze.
Einen Stall gibt es nicht, obwohl es manchmal praktisch wäre, ein Pferd zur Hand zu haben. Vielleicht baue ich einen diesen Sommer, mal sehen. Auch, damit ich die Tiere meiner Besucher gut untergebracht weiß. Wenn sie in der großen Eingangshalle stehen, ist das nicht optimal und manchmal riecht es im ganzen Haus etwas streng.
Vor der Tür, unter der jungen Eiche liegen drei meiner Hunde begraben. Es ist ein guter Platz für sie, die weltbesten Hunde. Immer sonnig und hier krabbeln die ersten Tulpen und Hyazinthen aus dem Boden. Im Sommer sitze ich gerne hier, auf der schwarzen Bank, und arbeite an meinen Texten. Der Yuri liegt dann neben mir im Gras und träumt. Manchmal bellt er im Schlaf. Yuri ist ein nervöses Hemd. Darum ist nun Brontë die Furchtlose eingezogen, damit er eine starke Freundin an seiner Seite hat. Sie hat es nicht so mit dem faul Herumliegen, sie geht lieber jagen. Die Kaninchen und die Rehe haben sich schon bei mir beschert.
Solltest du also einmal bei deiner Schreiberei ein großes Haus am Wegesrand sehen, von dem man nicht weiß, ob es eine Werkstatt, ein Schloß oder eine Bruchbude ist - zieh an der Klingel am Tor, sie wird dir geöffnet - außer bei einer Zombieapokalypse.
Der Pool ist auch fast ganzjährig geöffnet, von Drachenatem erwärmt ab April. (Dienstags ist nacktbaden.)