von Martina Hoblitz
„Hoppla, was ist das denn?!“ rief Inka verwundert und bückte sich nach dem Foto, das aus dem Album gerutscht war, als sie dieses ins Regal stellen wollte.
Jörg blickte an ihr vorbei auf das Bild in ihren Händen. Er lachte ein wenig bitter. „Na, das Foto hat doch der verrückte Alf aus dem Heli geschossen. Erinnerst du dich nicht mehr an unsren total chaotischen Filmdreh in Neu-Guinea?“ – „Stimmt.“ nickte Inka und lächelte versonnen.
Doch dann umwölkte sich ihre Stirn „Er hat ja noch Witze darüber gemacht. Hat behauptet, das wär die perfekte Kulisse für 'ne Tarzan-Neuverfilmung. - Aber wie kommt das in unser Flitterwochen-Album?“ – „Naja, ich wollte es einkleben. Denn ohne dieses Foto hätte es doch gewissermaßen keine Flitterwochen gegeben.“
Nun verstand Inka, was Jörg meinte, und sie erinnerte sich …
***
Es war Inka Hallers erste große Filmrolle und dementsprechend aufgeregt zeigte sie sich, noch dazu an diesem exotischen Drehort – in Neu-Guinea. Außerdem war sie der junge Neuling unter lauter schon recht erfahrenen Schauspielern.
Anfangs kam sie sich ein bisschen verloren vor, doch ihre Unsicherheit legte sich schnell, als sie feststellen konnte, dass die Filmcrew sich gebärdete wie eine große Familie.
Als ''Vater“ entpuppte sich der Produzent Bernd Grünfeld, er hatte ein wachsames Auge auf alles und jeden, immer einen guten Rat parat und schlichtete Unstimmigkeiten schon im Keim.
Die ''Mutter“ war die Kostümbildnerin und zudem noch Regieassistentin, die alle nur Rosie nannten, wie sie mit Nachnamen hieß, wusste wohl keiner. Die resolute Rosie nahm Inka sogleich unter ihre Fittiche.
Und dann gab es da noch zwei junge Männer, welche die junge Frau gleichermaßen beeindruckten. Beim Einen handelte es sich um den Regisseur Jörg Wessel, und der Andere wurde von allen Alf genannt, hieß richtig Alfred Lauer und war der Kameramann. Jörg und Alf hatten schon einige Male bei Filmprojekten zusammen gearbeitet und waren fast so was wie Freunde. Doch als sich heraus stellte, dass beide ein Auge auf die junge Schauspielerin Inka Haller geworfen hatten, wurden sie zu Rivalen.
***
Jörg nahm Inka das Foto aus der Hand und steckte es zurück ins Album. Dabei murmelte er vor sich hin: „Irgendwie komisch … das mit dem Foto. Grad gestern traf ich Alf zufällig im Studio.“ – „Ach ja?“ horchte Inka auf. „Ich denke, er ist nicht mehr in Deutschland?“ – „Ist er ja auch nicht. Er lebt in USA. Vielleicht hat er hier zu tun?“ – „Hast du denn nicht mit ihm gesprochen?“ – „Nein, wir haben uns nur kurz Hallo gesagt.“
Inka warf Jörg einen misstrauischen Blick zu und glaubte ihm nicht so recht. Sie wusste genau, dass er manchmal ein jähzorniger, nachtragender Mensch sein konnte, und er hatte Alf, seinem ehemals guten Freund, eigentlich nie so richtig verziehen.
***
Als Alf am Abend im Verpflegungszelt Jörg das Foto zeigte, knisterte es schon gewaltig zwischen den beiden jungen Männern wegen Inka.
Zudem zogen sich die anstrengenden Filmarbeiten bereits über Wochen hin, ohne sonderliche Ergebnisse. Denn immer wieder machte das wechselnde Wetter dem Drehplan einen Strich durch die Rechnung. Fast alle zeigten sich nervös und angespannt, selbst der Produzent und die sonst so geduldige Rosie.
Auch an diesem Tag mussten sie den Dreh abbrechen, sodass Alf die freie Zeit genutzt hatte, sich die Umgebung vom Hubschrauber aus anzusehen, wobei er auf dieses interessante Fotomotiv stieß.
Jörg gegenüber äußerte er sich über eine eventuelle Filmkulisse und fügte hinzu: „Man müsste mal prüfen, wie haltbar die ganze Konstruktion ist.“ – „Du spinnst doch!“ sagte Jörg verächtlich. „So marode wie das schon von Weitem aussieht.“
Alf warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Bist du ein Feigling oder kletterst du mit mir da rauf?“
Tatsächlich zögerte Jörg mit einer Antwort. Schließlich meinte er achselzuckend: „Okay! Wann nehmen wir das in Angriff?“
Alf grinste hinterhältig. „Morgen Abend!“ – „Wieso denn abends?“ wollte Jörg verblüfft wissen.
„Weil wir da oben übernachten werden.“ – „Jetzt bist du wohl total verrückt geworden!“ – „Im Gegenteil. Ich seh die Sache ganz nüchtern. Da oben haben wir Zwei endlich mal Zeit und Ruhe, ausführlich miteinander zu reden.“ – „Worüber?“
Alf warf einen Blick in Richtung Inka, die von diesem ganzen Gespräch nichts mitbekam, weil sie sich angeregt mit Rosie unterhielt. Jörg war seinem Blick gefolgt und ungewollt entschlüpfte ihm ein verhaltener Seufzer. Er sah Alf eindringlich an und sagte ernst: „Wieso sollten wir über Inka sprechen? Überlass doch bitte ihr die Entscheidung!“
Da winkte Alf ab. „Wenn sie sich aber doch nicht entscheiden kann? Dann müssen wir das unter uns ausmachen!“ – „Ich weiß zwar nicht, was du dir davon versprichst, aber ich werde morgen Abend mit dir da rauf klettern!“ ---
--- Tatsächlich standen die beiden jungen Männer am folgenden Abend an der nicht sehr Vertrauen erweckenden Leiter. Alf stieß Jörg aufmunternd in die Rippen, rief: „Wer zuerst oben ist, kriegt das Mädchen!“ - und begann hinauf zu klettern.
Jörg erkannte sofort, dass die morsche Leiter niemals sie beide tragen würde und blieb unten stehen. Unwillig rief er hinauf: „Mensch, Alf, lass den Blödsinn! Das Ding hält dich nicht aus.“ – „Erbärmlicher Feigling!“ bekam er zur Antwort.
Dann brach die Sprosse, auf der er gerade stand, und Alf fiel … zwar noch aus geringer Höhe, aber direkt auf Jörg, welcher heftig mit dem Rücken aufschlug....
***
Es klingelte an der Haustür, und Inka ging hin, um zu öffnen. Draußen stand ein recht verlegener Alf mit einem großen Blumenstrauß, den er Inka entgegen streckte und dazu sagte: „Es ist zwar schon was her, aber trotzdem. Gratuliere zur Hochzeit!“
Da kam Jörg in seinem Rollstuhl um die Ecke gefahren und musterte seinen ehemaligen Freund kritisch von Kopf bis Fuß. Ihre Blicke drangen ineinander wie bei einem Duell.
Schließlich grinste Jörg. „Komm schon rein, du Armleuchter! Und erzähl uns, was du so treibst!“
ENDE