Sie brüllte den Namen ihrer Freundin. Doch sie erhielt natürlich keine Antwort. Verzweifelt drehte sie sich im Kreis, suchte nach dem vertrauen Gesicht.
Zum Bahnhof. Sie musste dorthin, dort würde sie sicher auch Nadja finden. Doch als sie das Gebäude sah, bemerkte sie auch die Hundertschaft der Polizei, die davor Stellung bezogen hatte. Phoebe fluchte. Dort kam sie nicht durch, jedenfalls nicht unbemerkt und ungesehen! Sie drängte sich zurück, stieß Leute beiseite, die ihr im Weg waren.
Dann schubsten die Leute zurück, es entstand ein Gerangel, dann ein Handgemenge. Jemand zerrte an Phoebes kragen, jemand anderes brüllte ihr ins Gesicht, Füße traten gegen ihre Schienbeine. Sie schlug um sich. Panik stieg in ihr auf. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass sich Polizisten mit Schlagstöcken aufmachten, um den Kampf zu beenden. Alles um sie her eskalierte. Hass und Wut bahnten sich ihren Weg nach draußen.
Und kalter Schneeregen fiel Phoebe ins Gesicht, machte ihre Wangen und ihre Lippen taub. Unzählige Hände zerrten an ihr, deswegen brauchte sie eine Weile, bis sie merkte, dass eine Hand besonders hartnäckig war.
Sie sah sich um, und da war Nadja, die sie mit sich zerrte: „Was tust du da?“
„Ich -“, Phoebe fiel keine gute Antwort ein. Nadja bahnte ihnen einen Weg durch die Menge, sehr viel unauffälliger, als Phoebe es getan hatte.
„Der Bahnhof, wir – die Polizei!“
„Hör auf zu stammeln, Mädchen!“, fauchte Nadja: „Ich weiß, dass wir nicht weiter kommen. Und jetzt Mund zu und Beine anstrengen, wir müssen hier weg!“
Sie gruben sich aus der Demonstration und stolperten endlich in eine Seitengasse. Phoebe keuchte. Ihr ganzer Körper schien von blauen Flecken übersät. Aber das Schlimmste:
„Nadja! Du bist verletzt!“
Die Frau hatte eine blutende Wunde an der Seite: „Irgendein Idiot mit einem Messer. Ist halb so schlimm.“
„Wir müssen das verbinden!“, rief Phoebe und zerrte Nadja in die schwache Sicherheit eines Hauseinganges.
„Nein. Erst müssen wir … hier weg.“
Nadja presste beim Sprechen die Kiefer aufeinander. Offenbar ließ das Adrenalin nach, dass sie zuvor aufrecht gehalten hatte. Phoebe zögerte nicht, als sie sich einen Arm der Frau um die Schultern schlang: „Dann komm!“