Sie stolperten in die Hölle hinein. Sie schienen im Jahr 1938 gelandet zu sein.
Wie ziemlich genau vor einem Jahrhundert brannten Flaggen auf dem Platz. Eine lärmende Menge zog mit Fackeln durch die Straßen und warf Fensterscheiben ein. Phoebe bremste den Rollstuhl entsetzt ab.
Das kam ich unwirklich vor, wie ein Alptraum. Ähnlich musste es den Menschen gehen, die aus den Häusern sahen. Ausländer. Dunkelhäutige, Türken, viele andere, die Phoebe nicht zuordnen konnte. Die Menschen auf den Straßen schienen ebenfalls zu zwei Gruppen zu gehören, die gegeneinander kämpften, und zwischen ihnen ritten Polizisten mit Schlagstöcken. Es war ein einziges Chaos. Nadja griff über die Schulter und nach ihrer Hand: „Zurück, Phoebe!“
„Aber Coleen...!“, beschwerte sich Phoebe.
„Der ist nicht so schlimm wie das hier!“, wies Nadja sie zurecht.
Phoebe wollte umdrehen, als Schreie erklangen.
„Da!“
Man hatte sie gesehen. Phoebe wusste nicht, was diese Menschen gegen sie hatten. Vielleicht waren sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Schon stürmte die Menge auf sie zu, und Phoebe hätte nur fliehen können, indem sie Nadja zurückgelassen hätte.
Was sie niemals tun würde!
Sie wurde überwältigt. Mehrere Hände packten sie, und sie wurde über den Boden geschleift. Irgendwo schrie Nadja.
Warum mussten sie nur immer dieses Pech haben?, fragte sich Phoebe. Jemand trat gegen ihre Rippen, aber ansonsten wurden sie beinahe in Ruhe gelassen, bis sie vor den Stufen eines Gebäudes abgeworfen wurden.
Flaggen waren an dem Haus gehisst, Flaggen mit dem Hakenkreuz darauf, jedenfalls links.
Rechts brannte eine andere Flagge, eine schwarze Flagge mit arabischen Schriftzeichen über einem weißen Kreis, in dem ebenfalls etwas Unlesbares stand.
Die Menge schien zweigeteilt. Es wurde gekämpft, es krachten sogar Schüsse. Irgendwo sah Phoebe die Polizei, was ihr im Moment noch als der beste Ausweg erschienen war.
„Was ist hier los?“, fragte sie, als Nadja neben ihr landete.
„Im Fernsehen war irgendwas von wegen Großdemo“, erklärte die Frau, die ihren Rollstuhl verloren hatte und auf den Ellbogen zu ihr robbte.
„Das ist keine Demo, das ist ein Krieg!“, fluchte Phoebe, als auch schon jemand mit einer Pistole vortrat, ein breiter Mann, der offensichtlich betrunken war. Zuerst erstarrte Phoebe vor Angst, dann griff Nadja nach ihrer Hand.
Und Phoebe sprang auf. Sie griff nach dem schlaffen Körper ihrer Freundin und hievte sie auf ihre Schultern, dann stolperte sie auf die Tür des Gebäudes zu, betete und hatte Glück. Die Tür war offen und Phoebe stolperte hindurch, gerade als der erste Schuss fiel.
Aber es gab Innen keine Möglichkeit, die Tür zu verschließen.
„Halt dich fest!“, warnte Phoebe und Nadja klammerte sich an ihre Schultern. Ihre Freundin huckepack schleppte Phoebe sich auf den Aufzug zu.