Audio: Nicht Geli
Horn: Ifrit van Nox
Inmitten hoher Dornenranken,
durch deren Zweige Geister wanken,
liegt unter Knosp' und Blüt' ertrunken
wie tief in Grübelei versunken
ein Dorf aus Marmor, weiß wie Schnee,
am stille eingeschlaf'nen See,
auf dessen Zinnen Lichter blinken,
von den' noch heut' die Mythen trinken.
Denn auf der Trutzburg Zinnen
schauten wache Augen nach vorn.
Nach drüben und nach hinnen
erscholl mit Macht das Horn:
Pjöööööhhh!
Zu Zeiten, als dieses Reich noch am leben,
Hörnerklang oft ließ die Berge erbeben.
Man wusst' fern und nah und auf allen Wegen,
dass die Hornbläser auf alles Acht würden geben.
Jene Krieger, sie bliesen gar meisterlich,
ihr Horn war die Feder, ihr Atem der Strich.
Die Nacht schlief man durch, nie graut's vor dem Morgen.
In Schlummerruh lebte man fern aller Sorgen.
Denn auf der Trutzburg Zinnen
schauten wache Augen nach vorn.
Und drohte Gefahr von hinnen
dann erscholl mit Kraft das Horn:
Tröpööt!
Es war, dass eines Nachts herschritt
der böse Fürst mit schnellem Tritt;
sechs Heeresscharen bracht' er mit,
die siebte folgt' mit wildem Ritt.
Dem Königreich droht Untergang,
denn Schlummerruh im Schlaf gefang'.
Nur eine Chance noch nicht entglitt:
Wenn Hornes Ruf den Schlaf durchschnitt!
Und auf der Trutzburg Zinnen
schau'n wache Augen nach vorn.
Von drüben und von hinnen
soll erklingen mit Schall das Horn:
Pppffffrrp-p-p!
So trug ein jämmerlicher Ton!
Kein Warngeschrei, nur stumpfer Hohn.
Der Bläser starrt entsetzt ins Horn,
guckt hinten rein und guckt von vorn',
doch kann er keinen Pfropfen finden,
die letzte Chance droht, zu entschwinden.
So sei es denn, er muss es wagen,
des Hornes Klang zum Tale tragen!
Und vor der Trutzburg Zinnen
schau'n wache Augen nach vorn.
Von drüben und von hinnen
soll erklingen mit Schall das Horn:
Fffffhhhhfhhhffhh!
Der Bursche keuchend rennt ins Tal,
die Dringlichkeit ist größte Qual,
er muss sie wecken, keine Wahl!
Und starrt auf's Horn, das schwieg fatal.
Wo ist der majestätisch Klang?
Na gut - wo ist der Krötensang?
Denn nein, sehr schön das Horn nie war,
doch laut - oh ja, der Lärm war klar!
Damals auf den Zinnen
schauten wache Augen nach vorn.
Von drüben und von hinnen
erklang quälend laut das Horn:
BOOOÄÄÄKKK!
Das Dorf ist nah, der Jüngling fällt
am Waldesrand beim weitem Feld.
Das Horn er vor die Lippen hält.
"Weck sie, um alles auf der Welt!"
Er bläst hinein, noch längs am Liegen
inmitten grüner Wiesen Wiegen
und schließt die Augen, betet still,
dass dieser Ruf sie wecken will.
Und auf der Trutzburg Zinnen
schau'n wache Augen nach vorn.
Hier drüben und da hinnen
hör'n die Feinde den Schall vom Horn:
Phphphphhh!
Erneut kein Ton, welche Schande!
Der Junge sieht sich schon in Banden,
sieht das Land unter glühendem Feuer,
das frisst, was lieb und was teuer.
Verlor'n atmet wütend und grimmig er ein,
schmeißt fort das Horn, um verzweifelt zu schrei'n.
Da ist's, als ob Flammen entspringen der Nacht,
als allüberall man die Lichter anmacht.
Und auf der Trutzburg Zinnen
schau'n der Feinde Augen nach vorn.
Von drüben und von hinnen
klingt's lauter als jedes Horn:
GEFAAAAAAAAAAAHHHHHH!
Der Kampf war nicht mehr zu verhindern,
die Zahl der Opfer jedoch konnt' man mindern.
Der Schlachtenlärm scholl über Tage
und Schlummerruh in furchtbarer Lage.
Zu des Hornbläsers endlosem Verdruss
verlor das Königreich den Kampf am Schluss.
Das lag jedoch nicht am verstummten Gebläse,
sondern weil im Schloss kein Heer ist gewesen.
Denn auf der Trutzburg Zinnen
schauten wache Augen nach vorn.
Doch drohte Gefahr von hinnen,
war ihr einziger Schutz das Horn:
Pödöm!