Hope
In der Mittagspause begebe ich mich mit Isabelle und Carly im Schlepptau in die Mensa, damit wir alle einen Happen essen können. "Holt euch am besten sofort was zu essen, sonst wird die Schlange zu lang und ihr wartet Jahre", erkläre ich den beiden Mädchen. Sowas sollte man nämlich wissen, sonst verschwendet man seine ganze Zeit.
"Okay, danke", lächelt Carly, was mich irgendwie überrascht, da sie bisher verhältnismäßig selten mit mir gesprochen hat. Wahrscheinlich würde ich an meinem ersten Schultag aber auch nicht anders reagieren. Denn obwohl ich nicht total schüchtern bin, hat es mir noch nie gefallen 'die Neue' zu sein.
Gemeinsam stellen wir uns an, reden aber kein Wort miteinander bis wir alle unsere Teller in den Händen halten. "Wo sollen wir uns hinsetzen?", fragt Isabelle nach und lässt ihren Blick umherschweifen. "Irgendwo, wo Platz ist", antworte ich, füge dann aber noch etwas hinzu: "Aber Achtung, manche von denen werden nicht sonderlich begeistert von euch sein."
"Warum?", hakt Isabelle nach. "Sie mögen einfach irgendwie keine Leute, die nicht so sind wie sie", erkläre ich, mir auf die Lippe beißend. Diese Einstellung geht mir langsam wirklich auf die Nerven. Nicht jeder kann so viel Geld haben, wie die anderen. Zumal es nicht mal, deren Geld ist, sondern das ihrer Eltern. Einbilden sollten sie sich darauf, also nichts.
"Wie sie?", fragt nun auch Carly nach. "Reich und verwöhnt", erkläre ich knapp mit dem Wunsch das Ganze nicht weiter auszuführen. "Ich verstehe schon", sagt Isabelle schnell und verhindert so, dass Carly noch weitere Fragen stellen kann.
"Gut, ich gehe nach da hinten zu einer Freundin. Nur falls ihr mich sucht", ich deute in eine Richtung des Raumes und trenne mich dann von den beiden.
An meinem üblichen Tisch angekommen, lasse ich mich auf den letzten freien Platz fallen und stelle mein Tablett ab. Heute gibt es zu meiner Enttäuschung etwas, was nicht gerade meiner Lieblingsmahlzeit entspricht.
Spinat, oder wahlweise auch Sauerkraut, und etwas, was sich 'Kohlrabischnitzel' nennt. Alleine die beiden Wörter 'Kohlrabi' und 'Schnitzel' passen für mich nicht zusammen. Mir ist zwar klar, dass es sich bei dem Gericht um etwas Vegetarisches handeln muss, da mein Dad versucht es hier allen recht zu machen. Für mich ist das aber nichts.
Ich lasse jeden so leben, wie er es für richtig hält, solange er mich auch so sein lässt, wie ich will. Für mich ist aber das Problem bei den meisten Vegetariern und Veganern, dass sie dieses Konzept nicht verfolgen und jede Chance ergreifen, um es einem unter die Nase zu reiben.
"Hey, Hope", begrüßt Rachel mich. Ich hebe den Kopf und lächele das Mädchen freundlich an. Sie hat ihr schwarzes Haar zu einem tiefen Zopf gebunden und trägt ein schwarz-weißes Kleid. "Hey, Rachel", erwidere ich.
Wir sind zwar nicht total eng miteinander, verbringen aber ziemlich viel Zeit in der Schule. Nach der Schule lebt aber jede von uns ihr eigenes Leben, was wohl daran liegt, dass sie ziemlich viele Hobbys hat. Sie hat mir nämlich schon ziemlich oft von ihrer freiwilligen Arbeit im Kinderkrankenhaus und dem, was sie in der Tanzschule tut, berichtet. Meistens bewundere ich sie ziemlich dafür, wie sie es schafft das alles mit der Schule unter einen Hut zu bringen.
"Na, wie schlagen sich die Neuen bisher so?", fragt Rachel mich interessiert, während ich mein Essen langsam an die Lippe führe. Ich lege den Kopf ein wenig schief: "Bisher haben sie, soweit ich weiß, noch keinen Streit mit irgendwem begonnen. Also würde ich mal sagen, ganz gut." "Da bin ich mir nicht so sicher", Rachels Blick hat sich fest auf etwas hinter mir gerichtet.
Ich drehe mich mit fragendem Blick in besagte Richtung und starre geradewegs auf Isabelle und Carly, die am Tisch von Tessa und ihren Freundinnen stehen. Als ich Tessas Blick bemerke, würde ich am liebsten sofort aufspringen und die beiden Mädchen zu mir holen. Sie ist nämlich keine, die wirklich Lust darauf hat Zeit mit Leuten zu verbringen, die sich ihr nicht sofort unterwerfen.
"Oh Shit", fluche ich, die Situation aufmerksam verfolgend. Wie haben die beiden es geschafft sich genau diesen Tisch auszusuchen! Egal wie sehr ich ihnen helfen möchte, bleibe ich trotzdem sitzen. Diesen Kampf, ihren ersten, müssen sie alleine gewinnen, sonst werden sie es auch für den Rest des Schuljahres nie können.
Zu meiner Verwunderung ist es Carly, die Isabelle nach einigen Sekunden am Arm packt und dazu bringt ihre Gedanken für sich zu behalten. Zwar hätte ich es lieber gesehen, dass sie Tessa mal richtig ihre Meinung sagt, aber so ist es wohl besser. Ein Streit zwischen den ganzen Schülern würde sicher nicht gut enden.
Ich beobachte wie beide sich vom Tisch entfernen. Als unsere Blicke sich treffen, winke ich ihnen herzlich zu und biete ihnen so unseren Tisch an. Was die anderen dazu sagen, ist mir egal. Schließlich ist das auch mein Stammplatz. Und obwohl ich will, dass die beiden hier auch alleine klar kommen und sich von mir lösen, will ich ihnen jetzt helfen. Ein paar mehr Freunde können auch nicht schaden.