"Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über dieses nervige Geräusch freuen könnte."
"Ich auch nicht…"
"Hör auf zu weinen! Du weißt, er würde das nicht mögen."
"Es ist nur… Ich kann nicht."
"Erinnerst du dich noch, was er damals immer wieder gesagt hat?"
"Lebt jeden Tag und sammelt Erinnerungen, die es wert sind, sich daran zu erinnern."
"… Und lebt nicht des Geldes wegen oder in der Trauer nach vergangenen Zeiten."
"Wie kannst du jetzt lächeln?"
"Ich habe mich gerade nur an eine seiner Gutenachtgeschichten erinnert."
"Welche meinst du?"
"Warte, ich versuch‘ mich zu erinnern."
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Die Welt besteht aus einem endlosen Kreislauf, Tage und Wochen vergehen, das endlose Zahnrad nimmt seinen Lauf, ein junger erfolgshungriger Mann in China lief zu hektisch und verschüttete seinen morgendlichen Kaffee. Er wischte seine Kleidung mit einem Tuch ab und kam zwei Minuten zu spät an seinen Schreibtisch. Kaum angekommen gab er sofort eine Lieferung frei, allerdings zu spät und diese verschob sich um einen Tag. Der gute Fahrer, der dieses Paket eine Woche später an den Mann bringen musste, erhielt dieses demnach verspätet. Gestresst fuhr er eine Route, die er an diesem Tag nie genommen hätte. An dem Haus angekommen weckte die Klingel des Nachbarn Hunde und ich verließ verkatert mein Haus, um dem Lärm zu entkommen, folgte still dem Pfad neben den Feldern. Plötzlich hielt ein Auto, öffnete die Türe und ich wurde von einem meiner besten Freunde herein gewunken.
"Hey, was geht? Hätte nicht gedacht das du schon wieder unterwegs bist nach gestern Abend." Lachend drückte er auf's Gas. "Wohin darf es gehen? In der Nähe wäre ein guter Swinger Club wenn wir noch ein paar Stunden…" Es folgte ein Blick auf die Uhr. "…viele Stunden warten!"
"Was würde deine Freundin dazu sagen?"
"Meinst du die von gestern?"
"Gestern? Schon wieder? Weiß Zoe davon?"
Auf diese Frage gab es jedes mal die selbe Reaktion. Ein sehr langes "Was" gefolgt von den Worten "Offene Beziehung, biatsch!"
"Biatsch? Dir ist bewusst, dass du keine 15 mehr bist, richtig?"
"Hast du nicht gewusst, dass 30 das neue 15 ist, bitch?" Natürlich musste er das mit einer Fistelstimme sagen, bei seinen mathematischen Fähigkeiten hätte ich ihm aber geglaubt, wenn er gesagt hätte, da wären kaum zwei Jahre dazwischen.
Verträumt richtete sich mein Blick auf die Straße vor mir. "Wohin fahren wir überhaupt?"
"In die City, ich hab gehört, da warten ein paar Teens an der Universität auf zwei Reiche Gentlemen, die gerade zufällig auf dem Campus rumhängen und eine wichtige Spende, die über den Erhalt ihres Lehrgangs entscheidet, tätigen."
"Jura?"
"Es ist immer Jura, Ben"
"Dir ist bewusst, dass gerade Semesterferien sind, oder?" Es folgten eine Vollbremsung, natürlich ohne auch nur einen kurzen Moment in den Spiegel zu schauen, und lautes Hupen, ausgelöst durch Ludwigs nach vorn gekippten Kopf.
"Dann lass uns hier wenigstens einen Kaffee trinken!"
"Gerne, aber…" Erneut schnitt mir das laute Geräusch das Wort ab. "Lass uns doch wenigstens vorher einen Parkplatz suchen."
"Wir haben einen, direkt am Eingang!"
"Lui, mitten auf einer Hauptstraße?" Knurrend parkte er schließlich drei Straßen weiter und hetzte mich, meine Kopfschmerzen ignorierend, lautstark durch die Gassen.
Beim Bezahlen brachte Ludwig wieder seine übliche Masche und drückte der gut aussehenden Kassiererin unter anderem eine Goldmünze in die Hand. Auf ihren verwirrten Blick hin lächelte er verlegen sagte etwas, wie "Mein Fehler, für mich sehen die inzwischen gleich aus." Im Anschluss gab es viel zu viel Trinkgeld und hier folgten auch wieder zweieinhalb Möglichkeiten: Entweder er bekommt sein Geld wieder mit dem Kommentar "Ich darf des eh nicht behalten, Betriebsanweisung" oder das Geld verschwindet binnen weniger Sekunden in ihrer Tasche. Nur ein Mal wurde es bisher wirklich in eine Spendenbox gelegt, noch nie hatte ich Lui so genervt erlebt. Dieses mal verschwand es mal wieder, immerhin erntete er ein Schmunzeln dafür.
"Hat das jemals funktioniert?"
"Du meinst, ob es jemals nicht funktioniert hat?"
Auf meinen genervten Blick bekam ich ein mürrisches "Zweimal."
Das heiße Getränk in der Hand glitt sein Blick über die überschaubaren Sitzgelegenheiten. Natürlich setzte er sich nicht an einen leeren Tisch, wie es ein normaler Mensch tun würde. Nein, es muss direkt der sein, an dem eine junge Brünette alleine träumend aus dem Fenster starrte. Ich folgte ihm genervt.