„Ist hier noch frei?“ Ein wenig verwirrt nickte die junge Frau, kein Wunder bei all den freien Bänken. Was dann kam war mir zu diesem Zeitpunkt bereits klar. Es war immer das selbe Muster. Zunächst legte er seine lange Strähne hinter sein linkes Ohr und lächelte sie unsicher an. Gefolgt von ein paar unnützen Fragen, ein paar schlechten Flachwitzen, dem Angebot, ihr den Kaffee auszugeben, und dem Angebot, sich doch zu irgendeiner dämlichen, Party vermutlich heute Abend, zu treffen, auf der er dann zum Glück zumeist vergeblich versuchte, sie abzuschleppen. Allerdings, und das war wohl eine der Regeln, niemals mit nach Hause. Die offene Beziehung zwischen Lui und Zoe war ein leider nur einseitiges Tabuthema. Während Lui nicht aufhören konnte, damit anzugeben und herumzuprahlen, ist Zoe vermutlich nicht einmal bewusst, dass wir überhaupt davon wissen. In ihrer Anwesenheit war er plötzlich ein ganz anderer Mensch und nicht im Ansatz so sexbesessen, ein paar schlechte, nicht mal mehr zweideutige Witze ausgenommen. Immer wieder stellte ich mir damals die Frage, ob Zoe auch mit jedem in die Kiste sprang, gemerkt hatte ich davon allerdings nie etwas. Sie ist auch eher ein schüchterner Typ.
„Hey?“ Wie aus einem Traum gerissen schreckte ich auf. Ludwig starrte mich enthusiastisch an und zappelte etwas seltsam mit seiner linken Hand. Meine Begeisterung, als ich mich zu den beiden setzte, hielt sich dezent in Grenzen und – welch Wunder – es folgte dasselbe Verhalten, wie jedes Mal, wenn wir irgendwo, beziehungsweise war es wohl nur ich, versuchten, in Ruhe etwas zu trinken. Seine linke Hand glitt durch seine Haare und enthüllte das dahinter versteckte, unsichere Lächeln.
„Wie ist der Kaffee so?“ Bei solch unnötigen Fragen musste ich mir meinen inneren Konflikt, ihm gegen sein Schienbein treten zu wollen, eingestehen.
„Kein Interesse!“ Verdutzt schreckte er leicht zurück. „Lass mich raten, du bist dieser typische Ich-bezahle-den-Kaffee-und-lade-dich-auf-ein-paar-Drinks-ein-wobei-ich-dich-nur-in-die-Kiste-bringen-will-Typ-Mann. Natürlich nicht einmal bei dir zuhause, sondern je nach Höhe des Alkoholpegels am besten direkt auf dem WC des jeweiligen Clubs, denn zuhause wartet möglicherweise meine Frau auf mich, die hiervon nichts wissen sollte. Entschuldige also, aber kein Interesse.“ Sein Blick schweifte ab und seine Augen spiegelten die Reflexion der Glühbirne wider, die am helllichten Tag vor sich hin brannte. Eigentlich irrelevant, aber es sah irgendwie lustig aus, fast wie bei einer Katze.
„Hey, das ist jetzt irgendwie unfair!“
„Willst du sagen, ich hätte unrecht?“ Erneut wendete er sich leicht beschämt ab.
„Ich wollte dir eigentlich nur Ben vorstellen. Ich habe das dumpfe Gefühl, ihr könntet euch mögen. Wenn ihr mich also entschuldigt, ich ertrage dieses schnulzige Rumgetue nicht mehr, viel Spaß euch beiden noch!“ Leicht wütend ließ er seine Kaffee zurück und stürmte aus dem Coffeeshop. Mürrisch richtete sie ihre Aufmerksamkeit zu mir.
„Und was ist dein Deal? Wenn du mit so jemanden rumhängst, müssen bei dir auch ein paar Schrauben locker sein.“ Jetzt musterte sie mich gründlich und offensichtlich überlegend ab.
„Ich bräuchte jemanden, der ein Taxi für mich ruft…“