Prismin beschloss, als nächstes eine Maske zu suchen. In Masquera gab es unzählige Masken, doch sie durfte nicht einfach irgendeine Maske mitnehmen. In ihrem Visionstraum beim Vulkan war die Wahl der Maske wichtig gewesen – sie musste die richtige Maske finden.
Prismin besah sich hunderte von Masken. Das war nicht weiter schwer in Masquera – hier waren überall Masken zu sehen und viele davon konnte man käuflich erwerben. Keine der Masken war die richtige.
Am Abend beendete sie ihre Suche, erschöpft und unzufrieden. Ihr Blick wanderte an reich verzierten Häuserfassaden entlang und blieb bei einem alten Haus hängen. Dort stand in abblätternden Lettern Galerie der alten Masken. Sollte sie es dort versuchen?
Kurzerhand ging Prismin in die Seitengasse zur Tür der Galerie und klopfte. Vielleicht würde sie hier etwas finden.
Eine alte Frau öffnete die Tür. „Guten Tag. Was führt dich zu unserer schönen Galerie? Wir haben die schönsten und hässlichsten Masken ganz Masqueras.“
Prismin stutzte kurz. „Ich – ich suche eine besondere Maske und dachte mir, ich schaue mich einfach mal in Ihrer Galerie um.“
Ein gutmütiges Lächeln war die Antwort. „Tritt ein. Wir haben hier alte Masken. Schöne Masken, einfache Masken, traurige und freudige Masken. Jede hat ihre eigene Geschichte.“
Prismin bestaunte Reihe um Reihe von großen und kleinen Masken, die sorgsam gehegt und gepflegt zu sein schienen. Von all den Masken faszinierte sie eine besonders. Diese eine Maske war blau wie das tiefe Wasser eines Bergsees mit schwarz-roten Ornamenten wie erkaltende Lava. Der Ausdruck der Maske war zutiefst traurig.
Prismin fragte die alte Frau, was es mit dieser Maske auf sich hätte.
„Diese Maske ist eine Zwillingsmaske. Die zweite Maske ist vor langer Zeit verschollen, beide seien von einem ganz besonderen Blau gewesen. Die eine Maske fröhlich und lachend, die andere Maske traurig und trübsinnig. Uns ist nur die trübsinnige geblieben.“
Prismin sah die traurige Maske an und nickte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass diese Maske die richtige war.
„Darf ich sie mitnehmen? Es ist wichtig!“, fragte sie die alte Frau.
Diese schüttelte nur den Kopf. „Nein. Diese Masken gehören hierher, in die Ahnengalerie der Masken. Hier sollten sie bleiben. Der, dem diese Zwillingsmaske gehört hat, ist längst tot. Er war wichtig hier in Masquera, auch wenn sein Name längst vergessen ist. Diese Maske ist alles, was an Andenken an ihn bleibt.“
Prismin dachte nach. Sie konnte die Maske nicht einfach mitnehmen – und wer wusste schon, ob das hier wirklich die richtige Maske war? Vielleicht würde sie die richtige Maske woanders finden.
„Sagen Sie, was ist Maskenrauch und wo kann ich ihn bekommen?“
„Oh!“, sagte die alte Frau, „das ist einfach. Du nimmst eine Maske, die du einen ganzen Tag oder eine ganze Nacht getragen hast. Diese Maske legst du in eine Schale, du kannst sie auch auf den Boden legen. Dann zündest du die Maske an. Sie muss zu feiner Asche verbrennen. Diese Asche ist der Maskenrauch – das, was übrigbleibt, wenn alle Illusion ein Ende hat.“
Prismin dachte an die Maske, die sie die ganze letzte Nacht auf dem Lichter-Maskenfest getragen hatte. Sie dankte der alten Frau, die dritte Zutat zur Heilung der Pseudonyme würde sie bald haben.
„Wozu brauchst du Maskenrauch?“, fragte die alte Frau.
„Nun – ich weiß nicht, ob Ihr schon von den vergifteten Pseudonymen gehört habt?“
Der Blick der alten Frau verfinsterte sich. „Ja. Irgendetwas soll nicht stimmen. Eisblaue Augen und ein Fluch soll auf ihnen liegen.“
„Ich war dort, als es geschah. Diese Pseudonyme sind gefährlich, man darf ihnen nicht trauen. Doch wir haben einen Weg gefunden, wie man den Fluch lösen kann. Dazu brauche ich den Maskenrauch. Er ist eine von acht Zutaten für den Heilzauber.“
„Erzähl mir mehr“, sagte die alte Frau.
Prismin erzählte ihr alles, was geschehen war, auch von den acht Zutaten. Die alte Frau versprach, das Gehörte weiterzugeben und die Leute zu warnen. Vielleicht würden die einen oder anderen ebenfalls auf die Suche nach den Zutaten gehen. „Je mehr suchen, desto besser“, meinte sie.