„Herzlich Willkommen am Tokyo International Airport!“ dröhnte es aus der
Sprechanlage, als ich versuchte mich durch die Menschenmengen zu drängen,
um zum Ausgang zu kommen. Immer wieder blickte ich auf die Uhr. ‚Mist, ich hab
schon eine Ewigkeit damit verschwendet, um mein Gepäck zu finden.
Und hier ist es so groß, dass man sich verirren kann. Kagome wartet schon seit über
eine Stunde auf mich. Und alle Menschen schauen sich hier so ähnlich. Wie soll ich
sie da nur finden?“ Nervös und überfordert sah ich mich um, bis ich ein Mädchen
entdeckte, welche eine Pappe vor sich hielt, wo mein Name darauf stand.
Lächelnd ging ich auf sie zu. Sie sah genauso aus wie auf dem Foto.
„Ich dachte schon ich werde dich nie finden. Hi! Schön dich endlich persönlich zu
treffen.“ sagte ich etwas außer Atem. „Mit deinen strohblonden Haaren hätte ich
dich gleich sehen müssen. Ich freue mich so sehr, dass du da bist. Das wird dann
der normalste Sommer seit langem.“ überglücklich umarmte sie mich.
„Normalste Sommer? Sind die Sommer in Japan so unnormal?“ fragte ich erstaunt.
„Äh…das ist zu kompliziert zu erklären. Nur die letzten Sommer, eher die letzten
Jahre waren sehr turbulent.“ fing sie nun zu stottern an und lief rot an.
Ich beließ es dabei. Jeder hatte sein Privatleben und seine Geheimnisse.
Und obwohl wir schon seit Jahren Brieffreundinnen waren, war das unser erstes
Treffen und da erzählte man sich nicht gleich die ganze Lebensgeschichte.
Schweigend verließen wir den Terminal. Ich war so überwältigt von allem.
Dabei hatte ich bis jetzt nur den Flughafen gesehen.
Vor dem Eingang standen die Leute gemütlich herum und plauderten.
Wir gingen schnurstracks zu einem Auto und ich wurde zugleich von einer zierlichen
Frau begrüßt. „Es ist schön dich kennenzulernen Mia. Ich war mir ja nicht sicher
ob du überhaupt auftauchst. Du hast ja eine lange Anreise auf dich genommen.“
Sie umarmte mich herzlich bevor ich überhaupt antworten konnte.
Überrumpelt strich ich mir durch mein Haar. Mit so viel Herzlichkeit hatte ich nicht gerechnet.
„Ja, ich reise gern und gehe gern Risiken ein.“
Wir stiegen ins Auto und fuhren los.
Die Fahrt ging wegen des starken Verkehrs nur langsam voran.
Aber das war mir ehrlich gesagt egal. So weiter wir uns vom Flughafen entfernten, umso
mehr Wolkenkratzer erschienen wie aus dem nichts.
Ich war so überwältigt und schaffte es kaum meinen Mund geschlossen zu halten.
An fast allen Gebäuden hingen digitale Werbetafeln. Obwohl es schon längst dunkel geworden war,
leuchtete die Stadt als wäre sie die Sonne selbst. Hunderte Menschen überquerten immer wieder die Straßen,
was auch der Grund war, warum wir immer
wieder zum Stehen kamen. So viele Menschen sah man bei uns vielleicht mal
auf einem Konzert. Wir bogen in eine Seitenstraße ein und das Auto hielt an. „Ihr
könnt gleich mal aussteigen und zum Haus gehen. Ich parke nur schnell noch ein
und komme dann nach.“ lächelnd beobachtete uns Kagomes Mutter vom Rückspiegel
aus. Wir stiegen aus und vor mir erschien eine riesengroße Treppe, die endlos schien.
„Kommst du endlich oder willst du draußen übernachten?“ lachend deutete mir Kagome
ihr zu folgen. Erst jetzt bemerkte ich, dass Kagome schon längst oben angekommen war
und ich noch immer dämlich die Treppe anstarrte. Kopfschüttelnd setzte ich mich in Bewegung.
Ich war echt erstaunt. Obwohl wir mitten in Tokyo waren, sah es hier ganz
anders aus als in der übrigen Stadt. Rechts neben dem Haus stand ein riesen Baum und
auch sonst war es sehr grün. Liebevoll, gepflegte Bonsai standen neben dem Hauseingang
und auf den Fensterbänken. Kagome hatte mir mal erzählt, dass ihr Opa ganz vernarrt in
diese Pflanzen war. Plötzlich fiel mir eine Scheune auf, welche links vom Haus stand.
„Was ist das für eine Scheune?“ ich deutete auf das alte Ding bevor wir das Haus betraten.
Ich könnte mich täuschen, aber als mich Kagome jetzt anschaute, sah sie erst erschrocken aus.
Paar Sekunden später fing sie zum Lachen an. „Das ist doch keine Scheune. Das ist
ein sehr alter Schrein. Ich habe dir doch mal geschrieben, dass mein Großvater so eine Art
Hütter des Schreins ist. Aber jetzt genug mit den Geschichten. Großvater und mein Bruder
sind einkaufen. Also hast du ungefähr eine Stunde Pause bevor der Willkommensansturm weitergeht.
Ich zeig dir dein Zimmer.“ Wir gingen die Treppe hinauf in den 1. Stock und betraten ein Zimmer.
„Das ist dein Zimmer für die Zeit die du bei uns verbringst. Mein Zimmer ist gleich links neben deines
und das Badezimmer liegt gegenüber, wenn du dich
nach der langen Anreise frisch machen willst. Ich lass dich mal alleine und helfe unten
in der Küche das Abendessen zuzubereiten.“ Bevor sie das Zimmer verließ, blieb sie
nochmal kurz stehen
und drehte sich grinsend zu mir um. „Ich bin echt froh, dass du da bist. Wirklich. Nicht nur, dass wir eine super
Sommer haben werden. Ich habe auch zurzeit
etwas Stress mit ein paar Freunden und habe so einen Grund ihnen aus den Weg zu gehen.“
Mit diesen Worten verließ sie mein Zimmer. Perplex blieb ich zurück. Sie sprach echt in Rätseln und
gleichzeitig war sie sehr ehrlich. Um ehrlich zu sein war ich ja auch hergekommen um vor meinen Problemen
davonzulaufen. Ich ging zum Fenster und blickte hinaus. Es war stockfinster. Nur ein paar Lampen erleuchteten
das Grundstück. Mein Blick fiel automatisch auf den Schrein. Ohne jeglichen Grund bekam ich eine Gänsehaut.
Dieser Schrein hatte etwas Unheimliches an sich.