Einst existierte eine wunderschöne Welt voller Farben und Magie.
Einsam leuchtete sie zwischen einem Meer aus Dunkelheit, lediglich bewohnt von wilder Natur, Tieren und einem scheuen aber liebevollen Volk mit schimmernden Flügeln – den Funken-Feen.
Eines Tages öffnete sich ein Portal auf der Welt der Feen.
Inmitten einer Waldlichtung, verborgen in einem Tal auf der Spitze des höchsten Berges. Menschen betraten die Welt, angelockt von ihrem magischen Schein und gleichzeitig auf der Flucht vor dem Untergang ihrer eigenen gespaltenen Welt.
Die Funken-Feen, welche neugierig aus ihren Verstecken die Menschen beobachten, stellten schließlich fest, dass von den neuen Bewohnern keine Gefahr zu kommen schien. So offenbarten sich die Funken-Feen eines Tages den Menschen. Zur Begrüßung ließen sie am Morgen die reinsten Lüfte wehen, am Mittag die wohltuensten Sonnenstrahlen scheinen, am Abend erfrischende Regenschauer mitsamt Regenbögen aufziehen und in der Nacht unter klarem Sternenhimmel Blumen sowie Gesteine erstrahlen – an jenem Tag leuchtete die Welt heller als je zuvor.
Verblüfft und zugleich tief berührt tauften die Menschen jenes Ereignis auf den Namen »Calysso«, was in der damaligen Sprache »Funkelnacht« bedeutete. Jahre später wurde die Welt seitens der Menschen liebevoll »Calysso« benannt. Sie wollten ihre Gastgeber damit ehren und die Schönheit ihrer neuen Heimat festhalten.
Menschen und Feen, Tiere und Natur lebten friedvoll Seite an Seite. Die Funken-Feen lehrten den Menschen, wie man Hand in Hand mit Mutternatur leben konnte und die Menschen boten sich immerzu als Helfer an, wenn die Feen jeden Tag auf ein Neues die ehrenvolle Aufgabe antraten die Welt und ihre Magie rein zu halten.
Calysso sollte für viele weitere Jahrhunderte zwischen der Dunkelheit des Kosmos leuchten, gar für die Ewigkeit – doch nichts wehrt ewiglich.
Schatten zogen bereits ihre Furchen durch unzählige Welten. Hinterließen zertrümmerte Reiche, zersplitterte Welten und letztlich pure Dunkelheit.
Als die Menschen als erstes bemerkten, wie Schatten sich zunächst flüchtig auf Calysso einschlichen, wurden sie schnell unruhig. Erinnerungen und Erzählungen zu ihrer ursprünglichen Heimat keimten wieder auf, säten Furcht und Sorge. Was, wenn Calysso das gleiche Schicksal überkommen würde, wie der einstigen Heimatwelt?
Bald wandten sich die Menschen an die Funken-Feen, deuteten zaghaft zu den sich immer mehr einfindenen Schatten, welche augenscheinlich nur so darauf lungerten die Quellen des Lichts zu verspeisen. Doch die Feen verstanden nicht was für eine Gefahr die Neuheit mit sich bringen sollte. Sanft aber bestimmt gaben sie den Menschen zu verstehen, dass sie den Schatten doch nicht abweisend gegenüber sein sollten. Wie einst die Menschen selber, seien die Schatten nun neue Gäste, die ebenso ein Recht hatten Calysso zu bewohnen.
Die Zeit verstrich und misstrauisch beäugten die Menschen den Neuzugang, doch aus Respekt gegenüber den Funken-Feen unternahmen sie nichts, sondern konzentrierten sich darauf die alternde Welt aufrechtzuerhalten.
Und die Schatten breiteten sich Stück für Stück weiter aus. Die Menschen sträubten sich innerlich angesichts dieser Veränderung, doch sie taten weiterhin nichts. Auch als der nächtliche Himmel von Mal zu Mal finsterer wurde, rissen sich die Menschen mühevoll zusammen – sie wollten ihr gutes Verhältnis zu den Funken-Feen nicht riskieren, selbst wenn die Furcht sie noch in den Wahnsinn treiben würde.
Den Funken-Feen jedoch entgingen die Bemühungen nicht.
In der Hoffnung die Menschen beruhigen zu können erzählten sie in der nächsten Funkelnacht ein Geheimnis ihres Volkes. Die Feen erzählten den Menschen von »Ekyria«.
Ekyria war eine sagenumwobene Persönlichkeit der Funken-Feen, welche die Menschen als eine Art Gottheit verstanden – die Gottheit des Mondlichtes. Gespannt lauschten also die Menschen, als eine Funken-Fee des Nachts zu erzählen begann und ein auserwählter Schreiber jene Niederschrift verfasste:
»Einst, als die Welt Calysso am Anfang ihrer Zeit war, war sie noch kein in der Dunkelheit strahlender Ort. Denn als die Funken-Feen auf der Welt erwachten gab es weder Dunkelheit noch existierte Licht und nur vereinzelt lebten hier und dort erste Feen, welche damals ihrem jetzigen Namen noch nicht gerecht wurden.
Ohne zu wissen, wer sie zu sein hatten, lernten die Funken-Feen allmählich die doch überraschend lebendige Natur Calyssos kennen. Wer horchte, konnte die Blätter rascheln hören, wer sich vorantastete, konnte die Rinde der Bäume unter den Händen fühlen. Zaghaft huschten die Feen also umher, erkundeten voller Neugierde die Welt und verfolgten fasziniert das Gefühl von der Natur mit ihrer ganz eigenen Magie.
Eines Tages kehrte mit einem Mal Dunkelheit ein und es erstrahlte am finsteren Himmel ein pulsierendes Licht. Keine Fee wusste, was geschehen war und ängstlich versammelten sie sich auf einer Waldlichtung in einem Tal auf dem höchsten Berg der Welt. Was war nur geschehen? Was war dieser unbekannte Zustand? Und was war, das nur dort über ihnen? Schließlich hielt das grelle Licht am Himmel inne. Ein wunderschöner Mond prangerte nun dort oben, spendete der Welt sein Licht und den Feen ein Gefühl des Trosts sowie der Geborgenheit.
Erst nach einem Moment des stillen Staunens bemerkten die Funken-Feen, wie sie sich zu verändern schienen. Ihre Flügel begannen zu strahlen und zu funkeln, als wären sie selber kleine Monde.
Doch auch die Flora Calyssos begann sich zu wandeln. Steine erglühten, Blumen öffneten ihre schimmernden Blüten und auf einmal blitzte am Horizont ein heller Strahl auf. Zum ersten Mal ging auf Calysso die Sonne auf und der Mond unter. Zum aller ersten Mal konnten die Funken-Feen ihre Heimatwelt sehen.
Gerade als sie mit Freudentränen in den Augen und wild pochenden Herzen ihren ersten Sonnenaufgang zwischen der Bäume Kronen hervorscheinen sahen, vernahmen sie allesamt eine sanft säuselnde Stimme.
»Hört her kleine Feen«, sprach sie, »Ich bin Ekyria des Mondes aus dem in Dunkelheit umhüllten Reich. Ich schenke euch den Tag und die Nacht – auf das Winde und Farben, Wärme und Liebe, Magie und Frieden auf eurer Heimat herrschen sollen.« Wärmende Sonnenstrahlen trafen die Gesichter der Funken-Feen und mit geschlossenen Augen genossen sie das neue Gefühl, während sie aufmerksam lauschten.
»Haltet die Natur in Ehren, sie wird euch ihre leuchtenden Schätze zeigen. Begrüßt das Unbekannte mit offenen Augen und Ohren, ihr werdet Freunde finden. Und wenn unzählige Jahre vergangen sind, dann erinnert den Namen »Ekyria«, denn wenn die Ewigkeit endet wird sich eine Fee mit Flügeln aus buntem Kristall erheben und meinen Namen tragen.«
Ein letzter Wind strich wie zum Abschied über das Land, den Feen fast schon aufmunternd entgegen und jene öffneten ihre Augen wieder.
Vor ihnen erstreckte sich das magische Antlitz der in Sonnenlicht getauchte Natur. Wie in Gold getunkt erstrahlten vereinzelte Wolken am blauen Himmel. Das saftig grüne Gras glitzerte im Schein des Morgentaus und voller Freude begannen die Funken-Feen ihren ersten Tag zu erleben.
Die Welt Calysso erstrahlte nun als heller Tupfer im dunklen Kosmos.«