Drehen wir die neununddreißig Jahre zurück. Januar 1981eine wunderbare Zeit um Eisblumen zu züchten. Es war wirklich bitterkalt und der Ausrüstungsstandard der Trachtengruppe Oliv reichte gerade bis Temperaturen von etwa minus fünf Grad Celsius. Unser Halbgott Herr Bundesverteidigungsminister Hans Apel fand es nette uns einen Ausflug nach Munster Heide Süd zu finanzieren. Hey, die haben sich viel Mühe gegeben um uns an die Grenzen der physischen Belastbarkeit zu führen.
Dieses bedeutete, dass wir Campingurlaub unter freiem Himmel machten durften. Also in einer Dackelgarage, das ist ein Zelt mit einer Bauhöhe von etwa 50 cm, gut gepolstert mit einer Lage Stroh von drei cm und zumeist einer privaten Isomatte, die dienstrechtlich verboten war. Heizung gab es keine, sondern man nächtigte in voller Montur, weil ansonsten die Sachen morgens etwas unterkühlt den Start in den Tag versauten.
Wer dieses nicht kennt, der wird überrascht sein, was es für liebevolle Begriffe es doch für eine Katastrophe gab. So ein Staatssekretär machte auch einen Abstecher in so einem warmen Benz zu unserer Einheit, um sich nach den Gründen für die Ausfälle zu erkundigen. Nun gut, ich gebe es zu, aber diese Papnase wirkte irgendwie weltfremd und jenseits jeglicher Realität. Natürlich wurden uns nette Fragen gestellt. Was denken sie, warum so viele Wehrpflichtige erkrankt sind?" Oder! "Können Sie uns sagen woran es vorrangig mangelt?" Oder! "Könnten Sie uns Vorschläge machen, wie man zügig Abhilfe leisten könnte?" Ich möchte nur nebenher erwähnen, dass es in den Nächten kälter als minus zwanzig Grad war und der Schlafsack eben nur bis Temperaturen von minus drei Grad geeignet war. In der kältesten Nacht sank das Thermometer sogar auf minus 27,2 ° C. Tagsüber war es nicht so schlimm, weil man ja unter Anleitung schwerste Bewegungsübungen machte und manche Panzer mit einer Heizung (Schwingfeuerheizung) ausgestattet waren. Man fror dann nicht so arg, weil das Transportieren von Murmeln (Artilleriegranaten) mit einem Gewicht von dreiundvierzig Kilogramm die Muskulatur erwärmte und im Gegensatz zu den Wehrpflichtigen die Granaten mollige plus zehn Grad hatten. Im Laufschritt durfte man diese Metallkörper aus der Munitionsniederlage zum Geschütz tragen. Es waren jeweils nur Läufe von achtzig Metern, Dabei hatte man immer die persönliche Ausrüstung, also das komplette Gerödel von etwa zwanzig Kilo. Also vom Klappspaten, der ABC Schutzausrüstung, Stahlhelm, kleine Kampftasche und dem Gewehr und anderer Kleinigkeiten.
Nach vier oder fünf Tagen waren ja erst dreißig Prozent der Soldaten ausgefallen, weil so belanglose Krankheiten wie Frostbeulen, Erfrierungen, Atemwegserkrankungen, festfrieren am Panzer, Lungenentzündung und Mangelernährung. Leider neigten die Lebensmittel bei diesen Temperaturen dazu nach spätestens zehn Minuten unangenehm fest zu werden, so dass man sie nur mit dem schweren Essbesteck, also Beil und Lötkolben essen konnte. Sogar ein Snickers verlor durch diese Temperatur die Eigenschaft essbar zu sein. Das wunderbare Alugeschirr der Bundeswehr neigte leider auch dazu die Speisen länger als einige Minute vor dem Frost zu schützen. Auch das Reinigen dieser Ausrüstung war ungemein schwierig, denn Wasserleitungen mit warmen Wasser gab es nicht. Es war also extrem entspannend ein Konglomerat aus kalter Erbsensuppe, Nato-Pamps mit Gemüse und erfrorenen Fischstäbchen zu genießen. Tagsüber versuchte man, mit dem Taschenmesser diverse Essensreste von dem Alu zu entfernen, um neue Geschmacksrichtungen kennen zu lernen..
Der gesellschaftliche Höhepunkt war nach sechs Tagen ein Ausflug zu einer Militärduschanlage. Wir durften uns nach sechs Tagen duschen, ein wahrer Luxus, den man dazu nutzte um auch das Alugeschirr zu reinigen und die Kleidung aufzuwärmen. Ich gebe es zu, ich Weichei zog mir eine Bank unter die Dusche und genoss das warme Wasser, die Körperpflege und man konnte sich auch die Zähne mit temperierten Wasser waschen. Als Sahnehäubchen gab es für alle auch noch warmen Kaffee, also dieses dunkle Getränk, welches einen beleben soll mit einer Temperatur weit oberhalb von dreißig Grad Celsius. Selbstredend nutzten wir auch die Gelegenheit auf einem richtigen Keramikklo die körpereignen Abfallstoffe zu entsorgen, denn eine Feldtoilette, auch unter freiem Himmel, bestehend aus einer Dachrinne und einem Donnerbalken zwangen kluge Menschen immer zu raschem Handeln.
Abends gab es immer den Truppen-Lumumba, der aus siebzig Prozent Kakao und dreißig Prozent Rum bestand. Da ich nicht zu den alkoholresistenten Personen zähle, reichte für mich stets ein warmes Getränk. Andere genossen dazu in geselliger Runde auch noch Gerstenkaltschale und Köm. Nach Cola stand mir auch nicht der Sinn, so dass ich mich nach einigen Tagen und diversen Fieberschüben krankschreiben ließ. Ich meine ja nur, so ein Fieber von über vierzig Grad macht einen irgendwie Schlapp und wenn sich dazu noch andere Krankheiten gesellen, dann geht einem das wirklich nicht so gut, wenn man unter freiem Himmel schlafen darf. Ich versteh bis heute nicht, was Leute am Campingurlaub schätzen. Verzeiht, aber ich verwöhntes Menschlein schätze es nicht bei Frost draußen zu nächtigen.
Fazit: Erst fünfzehn Jahre später gab es nach diesem Desaster gab es winterfeste Ausrüstung, da war meine Wehrdienstzeit bereits zu abgeschlossen. Mehrere Wehrpflichtige verstarben während des Manövers, weil sie auf den LKW oder in den Panzern nächtigten. Es war einfach zu kalt.