Eine warme Brise strich durch meine Haare, als ich an den Häuserblocks entlanglief. Alles fühlte sich seltsam vertraut, aber auch irgendwie fremd an. Ich umklammerte den Griff meiner Tasche fester, während ich an den Passanten vorbeilief und bog schließlich in die Fußgängerzone ein.
Es war seltsam, nach dieser langen Zeit wieder in meine Heimatstadt zurückzukehren. Und gleichzeitig fühlte es sich auch irgendwie wie heimkommen an.
„Leah!“, riss mich eine aufgeregte Frauenstimme aus meinen Gedanken. Ich blieb stehen, drehte mich abrupt um und blickte in Marys Gesicht. Natürlich hatte ich ihre Stimme wiedererkannt, ich würde sie unter tausenden heraushören.
Ich grinste breit und lief auf meine alte Schulfreundin zu. Lachend lief sie mir entgegen und wir fielen uns in die Arme.
„Es ist so schön, dich zu sehen“, sagte ich, als wir uns schließlich wieder voneinander gelöst hatten und ich betrachtete sie genauer. Die Jahre hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, aber trotzdem wirkte sie noch so vertraut wie früher. Mittlerweile trug sie ihre langen blonden Haare schulterlang, aber ihre Augen strahlten noch genauso wie früher. Wir waren in der Highschool unzertrennlich gewesen, hatte uns aber die Jahre über aus den Augen verloren.
„Ich kann es nicht glauben, es ist eine Ewigkeit her“, entgegnete sie und strahlte, „Du siehst toll aus, Leah.“
„Ach quatsch, du siehst toll aus“, widersprach ich und erblickte erst jetzt den Kinderwagen, der neben ihr stand. Sprachlos deutete ich auf ihn und fragte mit einem Lächeln: „Oh Mary, ist das deins?“
Sie grinste noch breiter und griff nach meinem Arm, um mich zu ihrem Baby zu führen. Plötzlich bekam ich Gänsehaut und die Gefühle schienen mich zu überschwappen. Ich war so gerührt, zu sehen, dass sie bereits eine eigene Familie gegründet hatte und doch versetzte es mir einen kleinen Stich. Ich schluckte dieses Gefühl herunter, weil ich nicht so fühlen wollte und lächelte, als ich mich zu dem Kleinen hinunterbeugte.
„Er ist so süß. Und er siehst schon jetzt aus wie du“, flüsterte ich und berührte leicht seine winzigen Finger.
Sie lächelte schon wieder und betrachtete ihren Sohn.
„Ich freu mich so für dich“, sagte ich, als ich mich wieder aufgerichtet hatte und blickte zu meiner Freundin.
Ich bemerkte, wie ihr die Tränen in den Augen standen, während sie ihren linken Arm hob. Gerade als ich den Ring bemerkte, flüsterte sie: „Erinnerst du dich an Matt?“
Schon wieder lief mir eine Gänsehaut über die Arme, als ich seinen Namen hörte, dieses Mal jedoch vor Rührung.
„Der Matt?“, rief ich und konnte es fast nicht glauben, „ihr seid bis heute zusammen?“
Sie nickte nur noch und ich schloss meine ehemalige Freundin wieder in meine Arme. Sie und Matt waren schon während der Schulzeit ein Paar gewesen und ich konnte es kaum fassen, dass aus dieser Jugendliebe tatsächlich eine Familie entstanden war.
„Wow …“, machte ich nur und war sprachlos, „ich freu mich so für euch!“
„Danke, Leah“, entgegnete Mary und wollte gerade etwas sagen, als ihr Handy klingelte. Sie nahm es aus der Tasche und verzog das Gesicht, als sie eine Nachricht auf dem Display sah.
„Sorry, ich muss los“, sagte sie betrübt und blickte wieder auf.
„Hey, wir müssen uns unbedingt treffen, ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, was bei dir so los ist. Komm doch mal zum Abendessen vorbei“, schlug sie vor und ich lächelte.
„Gerne“, entgegnete ich und wir verabschiedeten uns voneinander.
Dann lief sie in den Weg weiter, von dem ich gekommen war und ich setzte mich ebenfalls wieder in Bewegung.
Noch immer spürte ich die Gänsehaut auf meinen Armen und schluckte den Funken Enttäuschung hinunter, der sich in mir angesammelt hatte.
Ich wollte mich für sie freuen, und tat es auch. Und doch war da dieses Gefühl, das mich nicht mehr losgelassen hatte. Dass ich niemals das erleben dürfen würde, was sie gerade erlebte und noch erleben würde.
Schon bald kam das Café in Sicht, in dem ich zu Schulzeiten jeden Tag gesessen hatte. Ich konnte es kaum erwarten, meinen Freundinnen, mit denen ich mich heute zum Brunch verabredete hatte, nach über 5 Jahren wieder entgegenzutreten.
Auch wenn mich die Rückkehr in meine Heimatstadt in den letzten Tagen mehr aufgewühlt hatte, als ich mir eingestehen wollte, tat es mir gut, so vieles aus meiner Vergangenheit wiederzusehen. Gerade als ich die Tür öffnen würde, blitzte eine Erinnerung vor meinem inneren Auge auf. Schnell schluckte ich sie hinunter und legte mir meine Haare zurecht, bevor ich die Tür mit einem Schwung öffnete.
Ich konnte das Café kaum wiedererkennen. Auch wenn ich gehört hatte, dass es den Besitzer gewechselt hatte, war es von Grund auf anders gestaltet. Irgendwie passte es zu meiner Rückkehr. Mir kam alles vertraut vor und gleichzeitig war nichts wie zuvor.
Ich streckte den Rücken durch, atmete einmal durch und ging dann an der Bar vorbei zu den Tischen, um meine Freundinnen zu suchen.