„Vertrauen ist wie ein Blatt Papier. Einmal zerknüllt wird es nie wieder perfekt sein.“
Vertrauen.
Immer wieder stieß man doch unwillkürlich auf diesen Begriff. Dieser Begriff, der so mächtig klang, aber auf irgendeine merkwürdige Art und Weise doch nur eine leere Worthülse war.
Vertrau mir, sagten sie zu ihr, oder, Du musst anfangen, anderen zu vertrauen.
Wie oft traten Menschen in ihr Leben, die zu leicht Vertrauen schenkten. Deren Grund, dass sie so oft stürzten oder vom Weg abkamen, ihr Vertrauen in andere Menschen war. Weil sie zu leicht vertrauten. Naiv waren. Und leichtfertig annahmen, dass sie den anderen Menschen doch kannten.
Sie war in dieser Hinsicht ganz anders. Wann kannte man schon wirklich einen Menschen? Durch und durch? Sie selbst hatte schmerzlich erfahren müssen, dass man früher oder später immer getäuscht werden würde. Von den Menschen, von denen man es am wenigsten erwartet hätte.
Vertrauen. Das war schon ein merkwürdiges Wort. Wie konnte man überhaupt anfangen, zu vertrauen, wenn man die andere Person doch nie wirklich und zu 100 Prozent kennen würde?
Nicht umsonst war sie die Person gewesen, die ihren Freundinnen dabei zusehen musste, wie sie wieder und wieder Vertrauen schenkten. Den falschen Personen. Die, die sie fallen ließen, wenn sie nicht mehr damit rechneten. Wieder und wieder.
Weil sie vertrauten.
Ihr würde dieser Fehler nicht passieren. Nicht noch einmal.
Sie musste wieder und wieder zusehen, wie andere den falschen Leuten vertrauten. Es tat ihr schon schmerzhaft weh, das zu beobachten, ohne ihre eigene Vergangenheit an die Oberfläche zu lassen.
Du musst nicht immer stark sein, sagten sie zu ihr, wenn sie mal wieder nicht vertrauen konnte, du kannst dich fallen lassen. Du wirst sehen, man muss jemandem vertrauen.
Sie hatten ja alle keine Ahnung. Sie dachten alle, ihr wäre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit wichtiger als alles andere. Stattdessen würde sie nichts lieber tun, als zu vertrauen. Aber sie konnte nicht. Sie hatte ihre Schutzmauer nur mittlerweile so hoch gebaut, dass sie nicht mehr darüber hinwegblicken konnte. Sie nicht mehr zum Einsturz bringen konnte.
Unwillkürlich fasst sie sich an ihren Oberarm. Wie jedes Mal wurde ihr Mund trocken. Wie jedes Mal hatte sie gehofft, dass sie weg waren. Aber natürlich waren sie da. Sie würden nie weggehen. Vorsichtig betrachtete sie sich selbst im Spiegel. Die Haut zierte an dieser Stelle mehrere helle Linien.
Von außen betrachtet hatte es fast etwas Schönes an sich. Es sah unperfekt aus und eigentlich mochte sie so etwas. Doch beim Anblick dieser Narben musste sie jedes Mal dem Drang widerstehen, sich zu übergeben. Sie wollte sie wegkratzen, hatte das schon viel zu oft getan. Aber sie würden wieder und wieder sichtbar werden. Nur der Schmerz würde jedes Mal größer werden.
Niemals würde sie vergessen, was er ihr angetan hat. Und diese Narben würden sie jedes Mal aufs Neue daran erinnern, wenn sie in den Spiegel sah.
Ihr die Möglichkeit nehmen, zu heilen. Und wieder anfangen können, zu vertrauen.
Manchmal wünschte sie sich fast, sie würde wie andere Menschen fallen und stürzen, weil sie vertraute. Einfach nur, um zu wissen, dass sie dazu imstande war. Zu vertrauen. Manchmal wagte sie sogar zu glauben, sie hätte es geschafft. Hatte ihre Dämonen der Vergangenheit besiegt und es endlich geschafft.
Aber dann gab es wieder diese Momente, bei denen sie wusste, sie würde es niemals wieder können. Er hatte ihr nicht viel nehmen können, aber das hatte er ihr gestohlen. Und zurück hatte er nur das gelassen.
Fehlendes Vetrauen.
Und es würde sie bis an ihr Lebensende verfolgen.