Rudi saß an seinem Schreibtisch und kämpfte gegen die Müdigkeit an. Es war erst 23 Uhr, doch sein Kopf war, in den vergangenen zehn Minuten mehr als einmal, der Tischplatte gefährlich nah gekommen. Er arbeitete nun schon seit acht Stunden am Stück, doch jetzt aufzugeben wäre fatal. Sein Ehrgeiz war es doch, der ihn von den anderen Unterschied. Seine größte Stärke, die ihn so einzigartig und unersetzbar machte. Versagen war nicht drin, das wusste er genau.
Seiner Firma treu, war er mittlerweile seit zwanzig Jahren. Er hatte sie mit stolz wachsen sehen, hatte mit ihr jede Krise durchlebt und sich lange keinen Fehler mehr geleistet. Von seinem Eifer gestützt schrieb sie nun schon seit mehreren Jahren keine roten Zahlen mehr.
Doch Medaillen hatten eine Kehrseite und kein Mensch konnte perfekt sein. Das wusste er. So hatte auch er seine Schwächen, denn das war menschlich. Bei ihm war es das Sozialverhalten. Den Kontakt zu anderen Menschen vermied er, wenn es sich einrichten ließ. Besonders den zu seinen Kollegen. Sie machten sich regelmäßig über ihn lustig und das wusste er auch. Letztes Jahr hatten sie ihn nicht mal zum Sommerfest der Firma eingeladen. Es hatte ihn zwar gekränkt, doch was sollte er machen? Er war eben ein einsamer Wolf und dieser heulte mit dem Mond und sich nicht bei seinem Chef aus...
Plötzlich wurde er von zwei auf ihn gerichteten Scheinwerfern geblendet. Er hielt sich die eine Hand vor die Augen und drückte mit der anderen Hand auf den Knopf, um die Schranke zu öffnen. Das Auto passierte und in seinem Häuschen wurde es wieder dunkel.