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Nach dem Prompt „Origami-Tiere [Geschichten mit Papiertieren]“ der Gruppe „Crikey!“
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"Jetzt!", flüsterte Cydia. "Akira, jetzt!"
"Geduld, das braucht Zeit!" Mit einer Geste bedeutete er der ungeduldigen Zwergin, ihn nicht zu stören. Akira beugte sich über die Knie, eine bessere Arbeitsfläche stand ihm leider nicht zur Verfügung. Sie kauerten zu dritt in der kleinen Gasse. Cydia spähte um die Kante der Tür, Maximilian ragte hinter ihm hoch und Akira hockte in der Mitte, gegen den leichten Regen nach vorne gebeugt, und versuchte, sich auf die Bewegungen zu konzentrieren.
"Schneller!" Cydia rüttelte, ohne hinzusehen, an seiner Schulter. "Die Wachen kommen gleich zurück!"
"Jetzt hat das Papier einen Knick!" Vorwurfsvoll hielt Akira es ihr vor die Nase. "Ich muss neu anfangen."
"Beeil dich!", stieß die Zwergin gepresst hervor.
"Drängel' mich nicht."
"Jetzt mach schon!", mischte sich auch Maximilian ein.
Akira wusste jedoch, dass er diese Kunst nicht erzwingen durfte. In aller Ruhe zog er seine Umhängetasche nach vorne, öffnete sie und holte ein neues quadratisches Papier aus dem geschützten Fach. Er strich sich die langen, dunklen Strähnen aus dem Gesicht. Immerhin wollte er keine Nassfaltung machen!
Mit geübten Bewegungen, langsam und exakt, faltete er das Papier, strich jede Falz dreimal glatt. Schließlich hielt er einen kleinen Kranich in der Hand. "So, tretet beiseite."
"Nicht jetzt!", zischte Cydia.
"Was?"
"Die Wachen kommen wieder vorbei. Leise!"
Sie drückten sich an die Mauer. Akira schützte seine kleine Figur mit den Händen vor dem Niesel, bis Cydia ihm einen Wink gab.
"Jetzt! Jetzt!"
"Man muss das in Ruhe machen!", belehrte er die Kurzlebige. Akira hob die zusammengelegten Hände vor den Mund, in denen er den Kranich wie in einem Kokon hielt, und blies sanft auf die Figur, bis er die kleinen Papierflügel gegen seine Haut flattern spürte.
Lächelnd öffnete er die Hände und entließ den kleinen Vogel in den Wind. Er sandte ihn mit einem Flüstern und einem Gedanken über die Straße, wo die gefalteten Flügel kurz im Licht einer Laterne aufleuchteten. Dann glitt der Papierkranich lautlos über die Mauer.
Akira konzentrierte sich auf ihn und die reale Welt verschwamm vor ihm. Er spürte, dass er taumelte und dass Maximilian ihn auffing und stützte, doch seine Augen sahen die Straße nicht mehr.
Normalerweise würde er diesen Trick im Liegen versuchen, denn durch fremde Augen zu sehen setzte seinen Gleichgewichtssinn außer Gefecht. Doch dies war eine Ausnahme. Normalerweise hätte er die hohe Kunst der akijamischen Origamifaltung auch niemals für einen schnöden Einbruch verwendet. Seine Eltern würden garantiert sagen, dass Cydia und Maximilian einen schlechten Einfluss auf ihn hatten, und ihm den Umgang mit solchem Pöbel verbieten.
Es gab einen Grund, warum er niemals zurückgekehrt war.
"Die Vordertür hat zwei Wachen", murmelte er, als sein kleiner Bote weiterflog. "Aber sie stehen um die Ecke, diese Seite ist frei."
"Ha! Ich wusste es!", flüsterte Cydia. "Ist da ein Fenster? Sag schon!"
"Ja, aber es ist zu klein für uns." Akira furchte die Stirn und schickte den Papierkranich nach oben. "Da! Auf dem Dach ist eine Luke!"
"Wo führt sie hin? Was gibt es noch?"