Stichwort: Das Herz des Schreiberlings (2021-02-16)
Der alte Mann, das kleine Mädchen, der Geschichtenerzähler, die Kriegerin, die Elfe, der Drachenjunge und Dornröschen standen vor dem letzten Weg. Es war ein Weg aus abgetretenen Pflastersteinen. Er sah aus, als wäre er schon hunderte Male begangen worden. Den alten Mann erinnerte der Weg an die Wege der Römer. Für das kleine Mädchen sah der Weg aus wie jener, der zu ihrem zu Hause führte. Der Geschichtenerzähler dachte daran, dass er so einen Weg schon hunderte Male beschrieben hatte. Und so war es auch. Dies war eben jener Weg über den er schon so oft erzählt hatte.
Der Weg führte durch lila blühende Heiden, die an einen warmen Sommertag erinnerten. Ganz leicht ließ ihr Duft die so ungleiche Truppe die Strapazen vergessen, die sie bis hier überstanden hatten. Aus der Heide ragten immer wieder kleine Birkenbäume hervor, die nie größer zu werden schienen und immer ihre Schöhnheit von dem fast reinem weiß der Rinde und dem satten grün der Blätter behielten.
Über die Heide konnten man eine kleine Hütte erkennen. Sie war ein wenig windschief, doch die alten Steine, die so sehr an ein englisches Cottage erinnerten, würden auch noch die nächsten hundert Jahre überstehen. Aus dem kleinen Schornstein kräuselte sich grauer Rauch und zeigte so, dass die Hütte bewohnt war.
So machte sich die Truppe auf den letzten Weg zum letzten Haus. Es war das kleine Mädchen, das schließlich anklopfte.
Keiner wagte zu atmen, als hinter der Tür Schritte zu hören waren. Langsame Schritte von jemandem, der alle Zeit der Welt hatte. Mit einem leisen Quietschen wurde die Tür geöffnet und ein alter Mann stand in der Tür. Er lächelte.
"Ich habe euch erwartete, kommt herein", sagte er mit dieser Stimme, die Weisheit und Ruhe beschrieb.
Langsam traten sie einzeln ein. In der Hütte prasselte ein Feuer im Kamin und tauchte den Raum in warmes Licht. Überall stapelten sich Pergamentrollen und Bücher. Es gab keine Ablagefläche, auf die man noch etwas hätte stellen können. Nur ein kleiner Platz war noch frei, auf ihm lag lediglich eine ausgerollte Pergamentrolle zusammen mit einer Feder und einem geöffneten Tintenglas.
Keiner wagte einen Ton zu sagen, so wussten sie doch alle, dass sie hier im Herzen des Schreiberlings waren, einem Ort, an dem noch nie sonst jemand gewesen war.
"Woher wusstet ihr, dass wir kommen würden?", fragte der Drachenjunge neugierig.
"Ich kenne jede Geschichte die geschrieben wird", erklärte er ihm und wieder verzog sich seine Lippen zu diesem wissenden Lächeln, das bis zu seinen Augen reichte.
Das kleine Mädchen sah aus dem Fenster auf die karge Landschaft hinter der letzten Hütte.
"Und was befindet sich dort?"
"Das, junge Dame, ist noch nicht geschrieben worden. Diese Geschichte wird gerade erst erlebt."