Das erste Fest
"Also, eines der ersten Feste im Jahr, genau genommen, das erste Fest im Jahr, ist das *Erweckungsfest*, auch *Fest des Erwachens* oder *Jahresbeginnfest* genannt," erzählt er. "Es findet an der ersten Tag- und Nachtgleiche statt und markiert auch den Beginn eines neuen Jahres. An diesem Tag gehen die Alten und Ehrwürdigen, begleitet von Jungzwergen und Musikanten, über die Felder. Sie wollen unsere Göttin Sylwa aufwecken, die den Winter über geschlafen hat. Die Musikanten spielen leichte, beschwingte Melodien und die Jungzwerge singen dazu. Ich ging nur einmal mit, denn ein Ältester meinte, wenn die Göttin mich singen hört, läuft sie weg."
"Du hast doch so eine schöne Stimme, sing doch etwas," fordere ich ihn auf.
"Ihr dürft mich aber nicht auslachen," bittet er. Auf meine Versicherung hin, das nicht zu tun, nimmt er noch einen Schluck vom Kaffee, stellt sich gerade hin und beginnt zu singen.
Ich lad mein Mädel zum Tanze ein
und bald wird sie die Meine sein.
Wie ist ihr Haar doch lockig und schön,
ich mag mit ihr zum Tanze gehn..
Seine Stimme ist ein wenig ungeschliffen und rau, aber doch angenehm und er kann die lockere , leichte Melodie gut halten.Genau so sage ich es ihm auch.
"Meint Ihr das wirklich, Frau Dirgis? Euch gefällt, wie ich singe?" Er wird über und über rot, setzt sich wieder und nippt verlegen an seinem Kaffee.
"Aber ja doch und jetzt erzähl mir bitte weiter vom Fest," fordere ich ihn auf.
"Also wo waren wir? Beim Singen und Gang über die Felder," erinnert er sich selbst. "Die Altesten rezidieren Gebete und Bitten an die Göttin und Opfergaben in Form von Wein und Honig werden versprengt. Nachher kehren alle wieder ins Dorf zurück. Dort wurde mittlerweile ein hölzernes Podium aufgebaut. Die Frauen des Dorfes richten kleine Speisen, Brot, gebratene Würstchen und anderes, Bier wird ausgeschenkt, für die jüngeren Kräutertee mit Fruchtsaft. Dann beginnt der gesellige Teil des Festes. Ihr müsst wissen, Frau Dirgis, mit dem Erwachen der Göttin erwacht auch die Liebe wieder und damit sich neue Paare finden können, gibt es die *Vorstellungstänze*."
"Und wie kann ich mir diese vorstellen?" witzle ich. Stöff lacht und meint: "Davon erzähle ich euch ein andermal. Heute ist es schon spät." Er trinkt den letzten Schluck des kühler gewordenen Kaffees, stellt das Häferl auf den Tisch und bedankt sich noch einmal dafür. "Wie hat dir das ungewohnte Getränk geschmeckt?" will ich doch dann noch wissen.
"Es war, wie Ihr sagt, ungewohnt, aber doch schmackhaft. Beim nächsten Mal nehme ich gern wieder eines." Dann verabschiedet er sich mit einer zwergischen Abschiedsgeste, der rechten Faust auf dem Herzen. Ich erwiedere diese und begleite Stöff zur Tür. Beim Hinausgehen greift er nach seiner Laterne, die neben der Tür steht, zündet die Unschlittkerze darin an und verschwindet im Dunkel des Waldes. Ich bleibe noch ein wenig stehen, lausche seinen leiser werdenden Schritten und grüble darüber nach, was es wohl mit den *Vorstellungstänzen* auf sich hat. Dann betrete ich wieder mein Haus und begebe mich langsam zur Nachtruhe.