Rating: P12 [CN: Erwähnung von Tod, Horrorelemente]
Nach dem Prompt „Malaien-Gleitflieger“ der Gruppe „Crikey!“
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Die Sonne senkte sich über die Dschungel nahe Casta. In der heraufziehenden Nacht verstummten die Vögel und Affen des Tages. Statt ihrer erklangen klagende Rufe über den Kronen der mächtigen Riesen.
"Was war das?", fragte Askeri atemlos. "Ist das Torobaris Ruf?"
"Nein, mein Kind. Das sind nur die Xitharos", erwiderte ihre Mutter. "Sieh nur, dort oben im Geäst!"
Dort saßen die Flederpferde mit ihren großen Schwingen und hielten sich mit den Klauen der beiden Füße an den Ästen eines riesigen Baumes fest. Ein ganzer Schwarm hockte dort oben. Ihr Gurren und Rufen schallte weithin, ehe sie mit den Schwingen schlugen und sich in den Himmel schwangen, kreisten, dort zwischen goldenem Horizont und violetten Wolken.
"Aber er kommt heute Nacht, nicht wahr?", fragte Askeri leise. "Torobari meine ich. Um Papa zu holen."
Ihre Mutter seufzte. Ihr müder Blick fand den Schrein und die Opferschale vor der Statue des schwarzen Todesgottes. Torobari, als geflügelter Panter dargestellt, blickte missmutig auf ein einzelnes Räucherstäbchen und nur drei kleine, unreife Bananen. Mehr hatten sie nicht entbehren können und genau wie ihre Tochter fürchtete Esanna, dass es dem Gott des Todes nicht genügen würden. Er würde von dieser Gabe beleidigt sein, mit der sie ihn baten, ihrem Mann Jakobis noch einmal zu verschonen. Noch diese Nacht würde er dem Fieber erliegen.
Doch diese Gewissheit durfte sie nicht aussprechen. "Es wird alles gut, mein Schatz. Lass uns hoffen und beten."
Askeri nickte, doch besonders überzeugt schien sie nicht zu sein.
Die Flederpferde mit ihren hallenden Rufen sammelten sich und flogen gen Süden. Bald waren sie aus dem Licht der Monde verschwunden. Esanna und Askeri knieten vor dem Schrein, während hin und wieder das Stöhnen ihres geliebten Mannes aus der Hütte drang, die erfüllt war von einem Geruch der Krankheit.
Die Nacht schritt voran, als ein Rascheln erklang.
"Das ist er, nicht wahr?", hauchte ihre Tochter. "Das sind Torobaris Schritte! Er geht um in unserm Wald!"
"Still!", hauchte Esanna, kaum fähig, ihre Stimme zum Klingen zu bringen. Sie spähte in die Nacht unter den Bäumen und erblickte einen gelbe glitzernden Blick, der böse unter dichten Blättern hervorsah. Eine Raubkatze!
Doch als das Tier sich bewegte, schimmerte sein Fell silbrig.
"Nur ein Parder!", erkannte das Mädchen. "Sieh mal, Mutter, es war nur ein Nebelparder!"
Esanna konnte nicht sprechen. Und aus der Hütte klang weiterhin das Wimmern ihres Mannes. Es erfüllte die Nacht des Yimethos', des letzten Tages der Trockenzeit, und der Tod schien an diesem Tag des schwarzen Gottes über allem zu liegen.
Schließlich dämmerte es. Müde hob Esanna den Blick zum Himmel. Sarasi begrüßte den neuen Tag mit einem Strahl der Hoffnung.
Wäre es möglich, dass Torobari sie verschonen würde?
Gerade, als sie zu hoffen anhob, flog ein Schatten in ihr Sichtfeld. Sie schrie auf, als sie den Flügel vor sich sah, der das Licht abschnitt.
"Torobaris Schwinge!", schrie sie in Furcht. Er war gekommen, um ihren Mann zu holen, in dieser letzten Stunde seiner Finsternis. Wehklagend warf sie sich auf die Erde, verschloss Augen und Ohren in Gegenwart ihres Gottes.
Wie sehr sie ihn beleidigt hatten, dass Torobari ihr erst die Hoffnung ließ, bevor er alles zunichte machte!
Erst spät realisierte Esanna, dass Askeri an ihrem Arm zog. Vorsichtig, furchtsam, hob sie den Kopf.
"Mutter! Jetzt sieh doch! Es ist nur ein Gleitflieger! Er hat sich verirrt und sucht Schutz bei unserer Hütte!"
Esanna blinzelte. Schwere Tropfen fielen rings um den überdachten Schrei zu Boden. An einem Pfahl, der das Dach trug, kauerte ein kleines, braunes Tier und sah mit schwarzen Knopfaugen zu ihr. Der Gleitflieger hatte die Arme eng an den Leib gepresst, das verbarg die Flughäute, die sie für die Schwinge des Panters gehalten hatte.
Der Regen kündete von neuem Leben. Und noch immer erklang der Atem ihres Mannes. Da wusste Esanna, dass Torobari ihr Opfer akzeptiert hatte und Sarasi ihnen Gnade erweisen würde.