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Nach dem Prompt „Rabbs Fransenzehen-Laubfrosch [Tierisches Weihnachtswunder]“ der Gruppe „Crikey!“
Zusätzliche Inspiration: "Oh, wie schön ist Panama", Janosch
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"Vaimada?", wiederholte S̄eụ̄x unsicher. Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
"Dort ist es viel besser als hier!", erklärte H̄mī ihm aufgeregt. Er war heute vom Hafen zurückgekommen, wo er den reichen Dhubyani Muscheln und Krabben verkaufte. Da hatte er die Gerüchte von Vaimada aufgeschnappt. "Die Krabben dort sind viel größer! Wir müssten nicht in einer ärmlichen Hütte leben, sondern könnten eine ganze Insel für uns haben. Es ist das Paradies!"
"Hm." S̄eụ̄x legte den Kopf schief. Er wusste, wenn sich sein Mann einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war H̄mī nur schwer davon abzubringen. Das war die Sturheit des Pandas, dem H̄mī angehörte. Er hatte die helle Zeichnung und die kleinen Bärenohren und die unermüdliche Energie dieser Tiere.
Während H̄mī n̂xy unablässig über die Wunder Vaimadas redete, ließ sich S̄eụ̄x n̂xy die Möglichkeit gründlich durch den Kopf gehen. Der Tigermensch mit hell-oranger Haut fragte sich ernst, ob wirklich etwas dagegen sprach. Sie lebten momentan auf einer kleinen Insel im mächtigen Fluss, wo die von den Schiffen aufgewirbelten Wellen gegen das Holz ihrer Hütte klatschten. Jeden Tag ging H̄mī zur Küste, sammelte Muscheln und Krabben, und S̄eụ̄x ging in den Wald, wo er Frösche fing und in kleine Käfige sperrte. Beides, die Krabben und Muscheln sowie die lebendigen Flugfrösche, verkauften sie im Hafen. Krabben und Muscheln wurden zu Speisen und die Flugfrösche zu kleinen Gefährten für die Kinder. Doch all ihre harte Arbeit reichte kaum zum Leben. Einmal war S̄eụ̄x eine Weile krank gewesen und hatte keine Frösche fangen können, und in der Zeit war es sehr hart und schwierig gewesen.
Was also hielt sie hier? Gerade, wo sie in Vaimada so viel mehr Krabben zu verkaufen hätten! Nur eine Sorge hatte S̄eụ̄x.
"Was soll ich denn dort tun? Ich kann doch nichts, außer Frösche zu fangen."
H̄mī aber lächelte breit. "Das ist es ja gerade: Es gibt auch Frösche auf Vaimada. Wunderschöne, braune Tiere, mit ihren großen Füßen können sie sogar ein Stück weit segeln. Die kannst du fangen."
Damit war es dann beschlossen. H̄mī und S̄eụ̄x brachen schon am nächsten Morgen auf. Sie nahmen nicht viel mit: Nur ihr Boot samt Paddeln, einen großen Korb mit reisgefüllten Weinblättern, und natürlich H̄mīs Netze, mit denen er in Vaimada die größten Krabben fangen wollte, während S̄eụ̄x seine kleinen Käfige und Gläser dabei hatte, ein jedes bereits ausgestattet mit Zweigen und Moos, damit sich die Frösche darin recht wohl fühlten.
So paddelten sie mit der Strömung, durch das dichte Gedränge der Stadt und hinaus auf den Ozean, wo sich die Wellen höher türmten als das kleine, buntbemalte Kanu.
Die beiden Tiermenschen folgten der Küstenlinie für viele Stunden, bis sie eine kleine Insel sahen.
"Sieh mal!", rief S̄eụ̄x. "Ob das schon Vaimada ist?"
"Wir sollten jemanden fragen", entschied H̄mī bedächtig. "Lass uns erst mal sehen."
Also fuhren sie die Insel an, verstauten ihr Kanu und darin all ihren Besitz und sahen sich dann um.
Es war eine wirklich hübsche Insel, bestanden mit blühenden Bäumen. Der Strand war weich und hell, und in der Mitte lag ein kleiner Wald, aus dem der Gesang der Baumfrösche hallte.
Schließlich trafen sie auf einen Fischer der Dapai-Alayaa, ein Papageienmensch mit bunten Federn auf den Armen.
"Verzeihung", sagte S̄eụ̄x höflich, "aber könntest du uns sagen, ob das hier Vaimada ist?"
"Vaimada?", wiederholte der Papageienmensch und legte den Kopf schief, um sie zu mustern. "Was ist denn Vaimada? Das habe ich noch nie gehört!"
"Oh." S̄eụ̄x bedankte sich und ging mit H̄mī wieder. In einiger Entfernung, fast bei ihrem Boot, steckten sie die Köpfe zusammen.
"Wenn er Vaimada nicht kennt, dann kann es auch nicht hier sein!", erklärte H̄mī. "Wir müssen noch weiter suchen."
S̄eụ̄x stimmte nickend zu, auch wenn er bereits ziemlich müde war. "Fahren wir weiter!"
Sie fuhren und fuhren auf dem Meer, umweht von salziger Gischt, bis es schließlich bereits dunkel wurde. Dann fuhren sie ans Ufer und verstauten erneut all ihr Hab und Gut. H̄mī und S̄eụ̄x sahen sich um auf der Suche nach einem Ort, wo sie die Nacht verbringen konnten. Dabei trafen sie auf einen kleinen Maskenaffen.
"Hallo!", rief H̄mī diesem zu. "Sag, kannst du uns den Weg nach Vaimada zeigen?"
Der Maskenaffe kratzte sich zuerst nachdenklich mit allen sechs Armen, dann deutete er tiefer in den Wald hinein.
"Wirklich?", fragte S̄eụ̄x nach.
Der Affe keckerte, deutete erneut zum Wald und hangelte sich dann davon.
H̄mī rief ihm einen Dank nach und lachte dann. "Und wir suchen die ganze Zeit auf dem Meer! Komm, Vaimada ist schon ganz nah!"
H̄mī und S̄eụ̄x schliefen die Nacht im Wald. Am nächsten Tag steckten sie all ihr Hab und Gut in das Kanu und hievten das Boot auf ihre Schultern. So trugen sie es durch den Wald - aber H̄mī hatte bald das Gefühl, dass S̄eụ̄x ihm die Hauptlast des Bootes überließ. S̄eụ̄x nämlich ging hinten und könnte das Kanu so kippen, dass H̄mī mehr zu tragen hatte und S̄eụ̄x es leichter hatte.
Nach einigen Stunden schließlich war S̄eụ̄x sicher, und so setzte er das Kanu ab. "Wenn du nicht ordentlich trägst, dann kannst du das Boot alleine tragen!", drohte er.
H̄mī nun war sich keiner Schuld bewusst, aber auch sehr zornig. Denn er glaubte, dass S̄eụ̄x das schwere Gepäck absichtlich in den hinteren Teil des Kanus gepackt hatte, um sich die Arbeit zu erleichtern. Also antwortete er: "Wenn hier einer nicht richtig trägt, dann du!"
H̄mī und S̄eụ̄x stritten sich wirklich bitterlich, doch schließlich siegte die Vernunft. Sie wussten, dass die Last getragen werden musste. Damit aber niemand glaubte, der andere würde ihn zu überlisten versuchen, beschlossen sie, dass sie das Kanu von nun an alleine tragen und sich damit abwechseln würden. S̄eụ̄x schulterte das Boot zuerst und H̄mī übernahm es, einen guten Pfad durch das Gebüsch zu suchen. Danach tauschten sie, wann immer einer von ihnen müde wurde, doch das geschah häufiger und häufiger. Schließlich sahen sie ein Dorf vor sich und waren erleichtert, denn das bedeutete eine Pause.
Es war ein Dorf der Menschen. H̄mī und S̄eụ̄x gingen dorthin und fragten, wer ihnen den Weg nach Vaimada weisen konnte. Da trat ein großer Mensch vor und erklärte, dass er ihnen helfen könne. Allein, sie müssten ihn dafür bezahlen.
"Wir können dir später Krabben geben!", schlug H̄mī vor.
"Und ganz wunderbare Flugfrösche für deine Familie", setzte S̄eụ̄x hinzu.
"Gerne", stimmte der Mensch zu. "Dennoch, das wird eine Weile dauern. Könnt ihr mir nicht jetzt etwas geben? Wenn ihr mir Krabben und Frösche bringt, erhaltet ihr es zurück. Es ist also nur ein Pfand."
H̄mī und S̄eụ̄x überlegten lange. Dann schließlich gaben sie dem Menschen die Hälfte ihrer verbliebenen Vorräte (was nicht sehr viel war) und die Hälfte der Krabbennetze und die Hälfte der Froschgläser. Daraufhin führte der Mensch sie in den Wald hinein, tiefer und tiefer. H̄mī und S̄eụ̄x folgten ihm, beschwingt, denn das Kanu auf ihren Schultern war nun viel leichter. Sie trugen es wieder gemeinsam, denn so spürte nun keiner von ihnen die Last.
Allerdings wurde ihnen die Reise lang. Als es dunkler wurde, fragte H̄mī den Menschen neugierig, wie nah denn Vaimada nun sei.
"Gleich morgen werden wir es erreichen", versprach der Mensch.
Sie ruhten diese Nacht erneut im Wald. Als H̄mī und S̄eụ̄x am nächsten Morgen erwachten, war ihr Führer jedoch weg. Und nicht nur er, auch der Rest ihrer Habe! Nur das Kanu war ihnen geblieben.
Sie waren darum sehr betrübt, aber trotzdem gingen sie weiter. Denn Vaimada war nah! Schon bald hörten sie rauschendes Wasser und kamen an einen großen Fluss. Sie folgten seiner Strömung, bis sie eine kleine Insel im Wasser sahen.
"Oh, wie wunderbar!", rief S̄eụ̄x entzückt. "Sieh nur, da steht sogar ein kleines Häuschen auf der Insel!"
"Und einen Anlegesteg gibt es auch!" H̄mī lächelte. "So einen schönen Ort können wir uns auch bauen."
Sie legten an und suchten nach den Besitzern der kleinen Hütte. Doch das Häuschen war leer. Den ganzen Tag warteten sie, aber schließlich mussten sie einsehen, dass dieses wunderbare Heim nicht bewohnt war. Dabei war es so eine schöne Hütte! Sie sah genauso aus wie ihr altes Häuschen, nur stand dieses neue natürlich auf Vaimada! Aber ansonsten war alles da, sogar eine Sitzbank wie H̄mī sie immer gehabt hatte. Und im Haus fanden sie noch einige Vorräte und sogar Krabbennetze und Froschgläser, wie jene, die sie bei ihrem Aufbruch in der Heimat zurückgelassen hatten.
Als der Abend kam und noch immer kein Besitzer aufgetaucht war, beschlossen sie, vorerst in dieses Haus einzuziehen. So eine gute, kleine Hütte konnte man ja nicht allein lassen!
Sie waren im Paradies angekommen. Bald fuhr H̄mī wieder hinaus, um Krabben zu fangen, und S̄eụ̄x suchte Frösche im nahen Wald. Eines Tages fand er einen großen, braunen Frosch mit nur kleinen Flughäuten, der viel Geld einbringen würde - und da wussten H̄mī und S̄eụ̄x, dass ihre neue Heimat wirklich perfekt war, und sie waren glücklicher als je zuvor.