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Nach dem Prompt „Kleinspecht/Hämmern“ der Gruppe „Crikey!“
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Auf einem grünen Hügel, umringt von Hainen voller Pappeln, Erlen und Weiden, erhob sich die Blockhütte im Licht der Mittagssonne.
Das also sollte ihr neues Zuhause sein. Das Sägewerk der Legno-Familie, der Segalegno, um genau zu sein, die kleinste der drei Legno-Familien von Celyvar. Da gab es die Schnitzer, deren Kunstfertigkeit auch über die Grenzen des Reiches hin bekannt war, und die Karrenbauer, die so ziemlich alle Händler belieferten. Und die Segalegno, die Bäume fällten und Holzscheite herstellten.
Nifa saß auf einem Karren, der mit aller Wahrscheinlichkeit von der zweigrößten Legno-Familie stammte, und sah dem Bau mit gemischten Gefühlen entgegen. Er lag malerisch zwischen halbverwilderten Wäldern und war ein hübsches Gebäude mit rotgestrichenem Dach, weißer Front und schwarzen Akzenten an den Fensterläden und tragenden Balken. Die Farbe war etwas abgeblättert, ließ das Gebäude jedoch nur noch wohnlicher erscheinen. Genauso gab es einen kleinen, überwucherten Vorgarten, mit Bänken unter Ranken wilden Efeus.
Doch es war eine höchst demütigende Degradierung, vom Hof der Esciapelli hierher versetzt zu werden. Vielleicht hätte sie sich mehr bemühen müssen: Kleider und Schmuck tragen, freundlich lächeln, auf den Bällen tanzen, statt die Einsamkeit der Gärten zu suchen. Vielleicht hätte ihr einer der Freier besser gefallen, wenn sie sich mit ihnen unterhalten hätte.
Jetzt war es zu spät. Ihre Eltern hatten beschlossen, dass ihr ein Jahr im Sägewerk guttun würde, um ihren Platz zu lernen. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie aus dem heiratsfähigen Alter wäre und die Hoffnung ihrer Eltern auf Enkel zunichtemachte.
Der Karren wand sich eine gewundene Straße hinauf, mehr ein staubiger Pfad, und hielt vor dem Haus. Nifa stieg ab und reichte dem Kutscher noch ein Goldstück, obwohl er bereits bezahlt war. Dafür trug er ihr die Taschen vor die Tür.
"Wird die werte Dame nicht empfangen?"
"Eigentlich wird sie", erwiderte Nifa unsicher. Niemand war zu sehen, weder in den Fenstern noch auf dem Hügel. Auch auf ihr Klopfen reagierte niemand. Sie holte Luft. "Hallo?"
Nichts rührte sich.
"Soll ich vielleicht ...?"
Sie sah den Kutscher an, der seinen Vorschlag nicht beendete. Er wusste auch nicht weiter.
"Sehen wir uns um", schlug sie vor. Die Taschen ließ sie stehen - hier draußen musste man sich sicherlich nicht vor Dieben fürchten - und wanderte mit dem jungen Eseltreiber über den Hügel. Sie merkte, dass sie sich trotz allem entspannte. Die Sonne schien warm und in der Luft lag ein Duft verschiedener Wildblumen und blühender Bäume. Es war ein herrlicher Tag. Wüsste sie nicht, dass ihr Aufenthalt hier eine Strafe sein sollte, wäre sie hier glücklich. Endlich fernab des Hoflebens, endlich frei in der Natur.
"Du wirst schon sehen, was dir deine Träumerei von Wäldern bringt, wenn du in einem wohnst!", hatte ihre Mutter kurz vor der Abfahrt gesagt.
Aus dem Wald erklang ein leiser Ruf. Wie ein "Chack!" klang es, leise, ein normaler Mensch hätte es sicherlich nicht bemerkt. Doch Nifa kannte den Laut. Der Kontaktruf eines Spechts. Sie suchte im Geäst und erblickte einen der scheuen Vögel. Er wirkte klein, mit einem kurzen Schnabel und nur wenig Rot am Kopf. Sie war sich trotzdem sicher, dass er sie in seinem Wald willkommen hieß.
Sie musste lächeln. Vielleicht hatte ihre Mutter sie auch falsch eingeschätzt ...