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Nach dem Prompt „Eichen-Leberreischling“ der Gruppe „Crikey!“
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"Und der da?"
Nifa beugte sich vor, um den Pilz zu begutachten, auf den der Holzfäller deutete. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. Sie hatte die Pilze des Waldes zwar fleißig gelernt, in den zwei Wochen, die sie nun bereits hier war, aber an diesen erinnerte sie sich nicht.
"Eichen-Leberreischling", erklärte Arne lächelnd. "Fällt es dir jetzt wieder ein?"
Nifa zermarterte sich den Kopf. "Nein, tut mir leid. Bist du sicher, dass wir den schon hatten?"
Der Holzfäller kratzte sich unter der Wollmütze. "Nich' wirklich."
Nifa lachte auf. "Na dann ... erleuchte mich!"
"Nun, er wächst an Eichen und Edelkastanien. Deshalb findet man ihn nur hier ..."
Der Wald war ihr inzwischen ans Herz gewachsen. Es war zwar kein wilder Wald, sondern bloß ein Nutzwald - dessen Bäume wurde regelmäßig gefällt und das Holz verarbeitet, sodass der Wald immer sehr jung blieb - doch sie mochte die Stille hier. Wenn nicht gerade ein Baum gefällt wurde, war es hier herrlich. Es gab feste Gebiete für verschiedene Holzsorten. Wenn die Holzfäller einen Auftrag für einen bestimmten Holztyp erhielten, zogen sie hinaus, wählend einen geeigneten Stamm aus und fällten ihn. Nifa mochte den Lärm nicht, aber sie verfolgte jeden Schritt der Verarbeitung - angefangen mit dem Heranziehen der Setzlinge drüben im Grünhaus, worauf die kräftigen ausgesetzt wurden, in jene Lücke, die andere Bäume hinterließen. Die Pflege des Waldes war ein wichtiger Teil der Arbeit hier.
Arne beendete seinen Vortrag über den Eichen-Leberreischling. Ein Parasit, der sich eigentlich an besonders alten Bäumen ansiedelte und ihr Holz zersetzte.
"Also brechen wir sie ab?", fragte Nifa. Es gab mehrere der flachen, roten Pilzscheiben an den Stämmen im Umkreis. Der Reischling breitete sich aus.
Arne schüttelte den Kopf. "Nur ein paar. Die machen wir uns heute in eine leckere Pilzpfanne."
"Oh?" Damit hatte sie nicht gerechnet. Neugierig sah sie zu, wie Arne den Pilz mit einem kleinen Messer vom Stamm löste und in einen der Beutel steckte. Sie hatten auch schon Kastanien und Schafgarbe gesammelt, da die Vorräte in der Hütte bei diesen zur Neige gingen.
"Der Reischling richtet nicht besonders viel Schaden an", erklärte Arne. "Das Schlimmste ist die Verfärbung. Das Holz unter der Rinde wird rot, verliert seinen Wert für die Industrie."
"Aber die Eichen überleben das?"
"So ein Pilz bräuchte lange, um den Baum zu zersetzen." Arne lachte. "Die paar hier können wir gut im Griff halten."
"Was machen wir denn dann mit dem Holz?"
"Hier, du lässt immer mindestens einen Pilz am Baum. Als Markierung, dass das Holz darunter beeinträchtigt ist."
"Die können wir also nicht mehr verkaufen? Sind das Inseln?" Es gab solche Stellen, wo die Bäume einfach wild wachsen durften und nie gefällt wurden. In diesen 'Inseln' konnten die Tiere überdauern, die sonst ihre Wohnbäume verlieren würden.
Arne schüttelte den Kopf. "Das rote Holz ist bei einigen Tischlern sogar recht beliebt. Das können wir teilweise teurer verkaufen." Er grinste. "Wir müssen nur auf den richtigen Kunden warten."
Nifa hob überrascht die Brauen. So fand also alles seine Verwendung. Sogar ein parasitischer Pilz.
Arne sah zum Himmel. "Es wird bald regnen. Wir sollten reingehen."
Also stapften sie zurück. Arne sprach wieder kein Wort. Er war schweigsam, wenn er nicht gerade über Bäume und Pflanzen sprach. Nifa genoss die Ruhe, die ihr half, ihre Gedanken zu ordnen.