Rating: P12 (CN: Trauma, Sklaverei)
Nach dem Prompt „Brauner Bananenfrosch [Tierisch witzige Eisgeschichten]“ der Gruppe „Crikey!“
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Antó erwachte noch vor dem Sonnenaufgang. Automatisch stand er auf, um seine Arbeit zu beginnen, und stutzte, weil ihm die Hütte aus Bambusstäben und Laub nicht vertraut war. Sie erschien so zerbrechlich.
Wo waren die Gitter? Die Schlösser?
Die anderen Sklaven schnarchten noch. Es waren die drei Gazellenzentauren, Amayas, Iklan und und Kenan. Auf leisen Pfoten schlich Antó zwischen ihnen hindurch und trat zögerlich in die noch kühle Luft.
Es war still, nur die Bäume rauschten leise. Die Luft war feucht, auf eine erfrischende Weise, die ihm half, wach zu werden. Angespannt lauschte Antó auf die knirschenden Schritte eines Wachmanns. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er sich in der Dunkelheit davonschleichen wollte. Viel zu oft hatte er erlebt, dass Sklaven hingerichtet wurden, die sich nur kurz hatten erleichtern wollen.
Doch kein Wachmann kam, dafür kehrte die Erinnerung langsam zu ihm zurück. Die Reise hierher. Pierre und Jean, die beiden Celyvari, die den Hof leiteten. Seine Ankunft hier und das Versprechen.
Wenn du irgendwo helfen willst, wirst du immer jemanden finden, der dich einweist, aber du musst natürlich nicht arbeiten.
Hatte er das geträumt? Es musste ein Traum sein. In diesem Leben gab es nichts ohne Arbeit. Sein Essen und den Schlafplatz musste man sich verdienen. Wenn die eigene Körperkraft dazu nicht mehr ausreichte, war man die Mühe nicht mehr wert.
Es gab nichts umsonst. So funktionierte die Welt nicht.
Er saß vor der Hütte, bis die Sonne aufging und sich seine drei neuen Freunde allmählich erhoben. Die einfache Hütte war im Grunde ein Stall, was die drei zu bevorzugen schienen. Antó hatte sich ihnen angeschlossen, denn die Auswahl eines Zimmers im Herrenhaus hatte ihm wie ein Spießrutenlauf erschienen, als könnte er dort unverzeihliche Fehler in einem Spiel machen, dessen Regeln er nicht kannte. Der Stall war eine neue Erfahrung, doch er hatte festgestellt, dass er sich im Stroh viel besser ausstrecken konnte als in einem Bett für Zweibeiner.
Vielleicht wussten die anderen drei Zentauren da mehr als er.
Als sich die Sonne erhob und die Vögel das Grau des Morgens begrüßten, streckte Antó sich. Es fühlte sich seltsam an, noch nicht zu arbeiten. Unruhe erfasste ihn, während sich gleichzeitig eine lähmende Schwere um ihn zu schließen schien, da er nicht wusste, was er tun sollte. Als die anderen drei Zentauren schließlich aufstanden, einige Stunden später, fühlte Antó sich wie eingefroren.
"Rentendepression", sagte Iklan nach einem Blick auf ihn.
"Was?"
"Das passiert ganz oft. Wenn du dein Leben lang gearbeitet hast und dann hier zum ersten Mal nichts tun musst, fällt man in eine Art Loch." Iklan stupste ihn an. "Komm, ich führe dich herum."
"Ich habe doch gestern schon alles ..."
"Das war nur der Hof!", fiel ihm der Zentaur ins Wort. "Hoch mit dir!"
Nachdem er früher auf jeden Befehl hin aufgesprungen war, fiel es ihm heute erstaunlich schwer, auf die Pfoten zu kommen. Iklan winkte den anderen beiden, die sich erst etwas kochen wollten, und legte Antó dann eine Hand auf den Rücken. Der Gazellenzentaur war größer als er. Allerdings lahmte er, was seinen Preis sicher gesenkt hatte. Antó hatte inzwischen begriffen, dass auf diesem Hof nur Schnäppchen lebten. Billige Sklaven.
Pierre und Jean hatten erklärt, dass sie diejenigen kauften, die sonst nichts mehr wert wären. Ob Sklaven oder Tiere spielte dabei keine Rolle.
Es gab tatsächlich noch weitläufige Ländereien um den verfallenen Hof herum. Offenbar hatten die Celyvari auch diese preiswert erstanden, weil der Boden nicht mehr besonders fruchtbar war.
"Daran arbeiten wir", erklärte Iklan mit einer Selbstverständlichkeit, als gehörte er mit zu den Herren. "Wir gehen weg von Monokulturen, hin zu einem gesunden Mix. Dann sollte sich der Boden erholen! Die Elfen, die vorher hier waren, haben uns aber ein schwieriges Erbe hinterlassen. Hier!" Er zog Antó zur Seite auf einen sumpfigen Pfad, der durch einen grünen Tunnel führte. Halb überwachsen mit verwildertem Rhododendron vom Wegesrand war der Trampelpfad für Karren unpassierbar geworden. Ein großes Problem, wie Iklan erklärte, als sich der umliegende Wald veränderte. "Das muss nämlich alles weg."
Die Bäume standen hier in regelmäßigen Reihen. Antó merkte sofort, dass die Pflanzen sich kaum selbst so ausgesät hatten. Das Chaos aus verschiedenen Grüntönen fehlte. Stattdessen gab es nur eine Sorte Pflanze. Bananenbäume. Die ewig gleichen, hohen Stämme, die gleichen Blätter als Dach über ihnen. Am Boden fand kaum etwas anderes Platz, obwohl mit den Jahren Gräser und Ranken den Boden erobert hatten.
Iklan zog ihn fort vom Weg, hinein in die Baumreihen. Eine surreale Halle, doch Antó kannte solche Orte. Immerhin boten die Stauden mehr Deckung als Baumwollfelder. Er dachte an die Mühe, die es kosten würde, den Boden aufzuharken. "Dafür würde man einen Pflug brauchen."
"Die Ranken müssen auch weg, ja. Aber die Stämme ebenfalls. Aus dem Bananenholz könnten wir neue Zäune und Weiden oder Häuser bauen", erklärte Iklan. "Hier müssen wieder wilde Bäume wachsen können, und dafür müssen neun von zehn Bäumen weg."
Das war wohl der angesprochene Mix. "Wie erntet ihr die Bananen dann?"
"Nun, wie immer. Die Bäume stehen nur weiter auseinander. Aber dann wachsen die Pflanzen besser als wenn es hier nur Bananen gibt. Die Verluste werden ... überschaubar. Hier könnten andere Pflanzen wachsen. Ach ... das erklärt dir am besten Pierre. Er hat das studiert."
Antó nickte abgelenkt. Ihm war das Trällern und Quaken aufgefallen, das von einer Ecke der Plantage kam, die Iklan ansteuerte. Hier war der Boden mit dunklem Wasser überflutet. Die Geräusche wurden lauter.
"Hier singen die Bananen", stellte Iklan grinsend fest.
"Was ist das?"
"Bananenfrösche." Iklan lehnte sich zu ihm herunter und deutete in das Geäst. "Da, auf dem Blatt sitzt einer. Und dort!"
Mehr und mehr bräunliche Frösche mit Streifen entdeckte Antó. Sie sahen wie Laub aus, wie verirrte Blätter, doch wenn man einmal wusste, wonach man schauen musste, fand man sie überall, von den Kronen über den Stamm bis zum Boden.
"Wow."
"Du sagst es!" Iklan grinste. "Jean sagt, es ist ein gutes Zeichen, dass sie wieder herkommen. Dass es irgendwann auf dem ganzen Hof so sein soll. Jede Ecke ein anderes Wunder. Das hier bleiben die singenden Plantagen, selbst wenn der Rest des Feldes zerlegt wird."
"Das ist schön", sagte Antó mit einem zaghaften Lächeln.
Sie gingen weiter und stießen schließlich auf einen anderen Weg, der vom Hof nach draußen führte. Diesmal folgen sie ihm weiter von der Farm weg und gingen in einer breiten Schneise, wo alles Unkraut beseitigt worden war. Am Ende der Straße fanden sie offene Wiesen, von Zäunen durchzogen, auf denen die verschiedensten Tiere grasten. Antó sah Ochsen, Esel und Ziegen, eine Schafherde, und wie immer sah er abgemagerte oder humpelnde Tiere, die Narben alter Verletzungen, die Spuren von Jahren der Misshandlung.
Unwillkürlich strich er über seinen Rücken, ertastete die Striemen von Peitschennarben. "Noch mehr arme Seelen, die von Mildtätigkeit leben."
Iklan sah ihn von der Seite an. "Nicht ganz. Diese Tiere leisten auch einen wertvollen Beitrag."
"Sie ziehen ja wohl weder Karren noch geben sie Milch!"
Iklan setzte mit einem Sprung ohne viel Anlauf über den Zaun. Antó folgte ihm zögerlich und deutlich ungeschickter. Seine Krallen hinterließen Kerben im Holz, als er darüberkletterte.
Iklan kauerte sich neben eine schlanke Pflanze mit kleinen, schirmartig nebeneinander aufgefächerten, weißen Blüten, deren Doppeldolde einige Fingerbreit über die umliegenden Gräser hinausragte, was sie aber sicher nicht mehr lange tun würde, da die Ziegen sich einer hungrigen Armee gleich dem Stängel mit den gefiederten Laubblättern näherten. "Siehst du das hier?"
"Hm."
"Eine Sommermöhre aus Lirhajn. Die gilt hier als invasive Art, denn wo sie wächst, können sich die castianischen Pflanzen nicht mehr durchsetzen. Die ehemaligen Besitzer haben Möhren hier angepflanzt, weil sie sie essen wollten, und dann haben sie sich ausgebreitet."
Suchend sah Antó sich um. Viele der weißen Staudenblüten konnte er nicht sehen.
Iklan lächelte. "Früher war das ganze Gebiet hier voller Möhren. Wir mussten hunderte Bäume fällen! Aber jetzt fressen diese Tiere die Möhren ab. Noch ein paar Jahre, und die Pflanzen werden verschwunden sein oder jedenfalls so reduziert, dass hier wieder castianische Bäume wurzeln können."
"Also müssen die Tiere arbeiten."
Iklan schüttelte den Kopf. "Für sie ist es ja keine Arbeit. Im Gegenteil, sie kriegen bestes, natürliches Futter, viel besser als Heu und Küchenabfälle!"
Antó strich sich über den Arm. Eine andere Arbeit als die, für die die Tiere gedacht waren. Nichts war umsonst - doch offenbar musste die Linie des Nutzens keine gerade Linie sein, aufsteigend vom Sklaven zum Herrn.
Offenbar konnten beide Seiten von einer Sache profitieren. Auf Kosten von Möhren vielleicht.
"Willst du noch mehr sehen?"
"Ich ... denke nicht." Langsam, ungewohnt formulierte er seine eigene Meinung. Zum ersten Mal wusste er, dass sie gehört werden würde. "Ich muss nachdenken."
Iklan nickte. "Die Phase haben die meisten früher oder später. Findest du den Weg zurück allein?"
Antó nickte und der andere Zentaur ließ ihn allein. Statt zum Hof wandte Antó seine Schritte jedoch zur alten Plantage. Hier, wo die Frösche ihr schrilles Lied anstimmten, hielt er an und dachte an die vielen Lieder, die die Sklaven während der harten Arbeit angestimmt hatten, um die Zeit zu überstehen.
Die Lieder hier waren anders als alles, was er je gehört hatte. Doch langsam begriff er, dass er die unbekannte Musik mochte.