Wake up, you never looked so glum.
Tell me how will we know they can't hear us coming?
(Roger „Buzz“ Osborne in „A history of bad men“)
Wacht auf!
Das Ding im Himmel
Ich erinnere mich genau, es war einer dieser Sonntagnachmittage, so heiß, so träge. Weißt du noch, als wir nach Hause fuhren? Da stand auf einmal dieses Ding im Himmel – silbern, in der Sonne glitzernd – groß, riesig groß, erhaben, starr. Zuhause angekommen ging ich sofort ins Internet aber die Verbindung war unglaublich langsam, manchmal war sie ganz weg, ärgerlich. Ich stellte den Fernseher an und zappte durch die Sender. Auf einigen der Sender liefen „breaking news“, darin war die Rede von seltsamen Objekten am Himmel, ich sah Aufnahmen davon, die genauso aussahen wie das Objekt bei uns. Auf einmal, war der Bildschirm schwarz, stumm. Dann rauschen, verschwommene kurze Bilder, ich zappte mich durch die Sender – fast überall das gleiche, nur einige Dauerwerbesendungen und Dokus die störungsfrei liefen. Nach ein bis zwei Minuten schien das Ganze vorbei zu sein, ab und zu wackelte das Bild oder es gab eine kurze Tonstörung. Auf einem renommierten Sender sprach eine mir unbekannte Nachrichtensprecherin in einem seltsam emotionslosen Ton davon, dass wir uns nicht beunruhigen sollen, dass keinerlei Gefahr bestehe, dass die Regierung alles im Griff habe und dass wir uns verhalten sollen wie immer, dann lächelte sie unnatürlich freundlich. Mir wurde dabei ganz übel, mir kam sofort der Gedanke, dass sie wohl schon den Rundfunk kontrollierten. Wenn das noch ein Mensch war, wenn sie diese Fähigkeiten hatten – was würde uns noch blühen. Was hatten die Außerirdischen mit uns vor? War dies das Ende der Menschheit? Nichts würde jemals wieder sein wie es war. Ich versuchte noch über Stunden Informationen zu bekommen, telefonierte mit anderen Menschen – nichts. Das Programm im Fernsehen brachte keine Sondersendungen, keine „breaking news“, keine Interviews mit Experten oder Politikern. Auch im Internet war nichts an Meldungen zu finden. Zwischendurch gab es immer wieder kurze Ansprachen, bei denen unwirklich wirkende Sprecher uns versicherten, dass alles unter Kontrolle und in Ordnung sei, dass kein Grund zu irgendeiner Beunruhigung bestünde.
Ich warf eine Tablette ein um schlafen zu können und kippte soviel Schnaps hinterher, dass mir davon gerade nicht schlecht wurde. Nach einer dunklen, traumlosen Nacht weckte mich der Sonnenschein und das Zwitschern der Vögel, so als sei nichts gewesen. Ich ging sofort nach unten und wollte den Computer und der Fernseher anstellen, als mein Blick nach draußen fiel. Da stand eine riesige Tonne im Garten. Metall, silbergrau, gut drei Meter hoch und zwei Meter breit und keine Ahnung, was es war. Da war nichts an dieser Tonne, was einen Hinweis auf ihre Herkunft oder ihren Zweck gab, keine Schrift, keine Strukturen, die den Sinn verrieten. Ob sie es verloren hatten? Ob sie einfach vom Himmel gefallen war? Ob sie sie mit Absicht hierher gesetzt hatten? Wir untersuchten sie, berühten sie sogar, fotografierten sie. Nichts! Ich blickte wieder in den Himmel, es war ein strahlender Morgen und die Sonne wärmte uns – das Ding stand immer noch da. Etwas weiter weg nun, aber es war da. Ich blickte in Richtung der großen Stadt und entdeckte dort, ein zweites dieser Dinger. Sehr viel weiter weg zwar, aber es war da! Also doch eine große Invasion! Im Radio war es ruhig, nur die übliche gute Laune, deren tägliche Penetranz mir so gewohnt wie unerträglich erschien, nur die übliche kommerzialisierte Popmusik, die ich schon in normalen Zeiten kaum aushielt. Das Internet schien normal zu laufen, aber ich fand keinerlei Meldungen zu den Geschehnissen. Dann kam im Frühstücksfernsehen wieder eine Meldung und Bilder. Ein mir unbekannter Regierungssprecher gab eine Erklärung gab: Die Regierung stünde im Gespräch mit den Besuchern, es handle sich um eine freundliche Kontaktaufnahme, die Situation stünde vollständig unter Kontrolle. Es bestünde keinerlei Gefahr, wir sollten uns nicht beunruhigen lassen, wir sollten unserem normalen Tagesablauf nachgehen. Dies sagte er in einem völlig emotionslosen, unwirklich wirkendem Ton und lächelte auf eine unnatürlich wirkende Weise. Stand da ein Mensch? Wir berieten, was wir tun sollten. Ich beschloss, zur Arbeit zu fahren, der Kontakt zu anderen Menschen würde mir gut tun und vielleicht würde ich mehr erfahren. Wir versuchten die Polizei zu kontaktieren um das „Ding“ in unserem Garten zu melden, es ging dort aber niemand ans Telefon. So fuhr ich in die Schule, in der ich arbeitete und die direkt neben dem Landratsamt lag. Vielleicht gab es dort ja Neuigkeiten?
Als ich dort ankam herrschte eine etwas chaotische Situation, dennoch gingen alle ihrer Arbeit nach. Routine beruhigt. Der Direktor hielt über die Durchsage ein kurze Ansprache, dass wir Unterricht nach Plan halten sollten, dass wir Rücksicht auf den Gesprächsbedarf der Schüler nehmen sollten, dass es keine beunruhigenden Meldungen gäbe, dass wir selbstverständlich weiter auf dem Laufenden gehalten würden. Ich hatte die erste Stunde frei, merkte aber, dass ein guter Teil der Schüler wohl gar nicht zum Unterricht erschienen war. Im Lehrerzimmer standen und saßen einige Kollegen und diskutierten über die Situation. Ich war etwas orientierungslos ob der Gesamtsituation, ging mit einem angespitzten Bleistift in der Hand in die Kaffeeküche und drängte mich an einigen Kollegen vorbei. Dabei muss es passiert sein, ich weiß nicht mehr genau wie, dass ich meinen Kollegen Werner, mit dem spitzen Bleistift in den Po stach. Entsetzen stieg in mir hoch, was hatte ich getan, es war ein richtiges Loch zu sehen, der Bleistift muss wohl einige Zentimeter in ihn eingedrungen sein. Werner drehte sich um, sagte: „Hallo! Alles in Ordnung?“ und er lächelte mich an. Ich war komplett verwirrt und stammelte nur ein „Ja, ja klar, passt schon, Entschuldigung!“ heraus. Er musste doch wahnsinnige Schmerzen haben? War das überhaupt Werner? Hatten sie ihn ausgetauscht? Die Situation, die Person wirkten so unwirklich -warum hatte er mich nicht beim Namen genannt? Und, wenn sie Werner ausgetauscht hätten, so wie die Fernsehsprecher – wer war dann noch echt, wer Mensch, wer Alien? Ich konnte ja nicht alle Kollegen dem „Bleistifttest“ unterziehen.
Ich wollte alleine sein und etwas Ruhe haben und so ging ich in den Keller des Schulhauses. Ich begab mich in einen alten Abstellraum um nicht von Kollegen überrascht zu werden, bis ich mich wieder etwas gefasst hatte. Ich fühlte mich in diesem Raum immer sehr wohl, dort standen neben alten Stühlen und Bänken auch viele alte Wandkarten, Geräte aus der Physik, ausrangierte Mikroskope, Tierpräparate und Modelle sowie stapelweise alte Bücher. Ich setzte mich, schnaufte durch und blickte auf die Schätze um mich herum. Mir war noch nie aufgefallen, dass sich hinten an der Wand hinter den aufgestapelten Bänken noch eine Tür befand. Ich räumte den Zugang frei und war verwundert, dass sie nicht abgesperrt war. Ich öffnete sie und blickte dahinter. Ich sah in einen langen leeren und spärlich beleuchteten Gang.
...Fortsetzung folgt ....