Akito biss seine Zähne fest zusammen, als er sah, wer den Raum betreten hatte. Früher oder später würde er sich mit Teo auseinandersetzen müssen. Jedoch hatte er gehofft, dass es eher später sein würde. Zunächst tat er so, als hätte er ihn gar nicht bemerkt. Als Teo jedoch Unverständliches vor sich hin brabbelte wurde er aufmerksam. Akito hatte ihn noch nie so fassungslos erlebt. Immer war Teo gefasst und organisiert gewesen. Er atmete einmal tief durch. Vielleicht, nur vielleicht hatte Teo ihn nicht verraten? War er ihm immer noch treu ergeben? Er wurde in seinen Gedanken schlagartig unterbrochen, als Teo in Tränen ausbrach. Er seufzte. Das Gespräch konnte definitiv nicht warten. Wahrscheinlich würde eine Verzögerung alles nur noch schlimmer machen.
Er warf einen Blick zu Pamil, der immer noch seelenfriedlich schlief. „Pamil?“ Akito wäre es lieber, wenn er nicht mit im Raum war. Schon mehrmals hatte er Pamil eine Seite an ihm sehen lassen, die er am liebsten im Kerker gelassen hätte. Und er konnte schließlich nicht einschätzen wie das Gespräch mit Teo verlaufen würde. Es dauerte ein Wenig, bis Pamil sich aufrichtete. Anscheinend war er tief und fest eingeschlafen gewesen.
„Könntest du uns bitte einen Augenblick allein lassen?“ Pamil schien damit nicht zufrieden zu sein, denn er regte sich eine ganze Zeit nicht. Akito sah sich verwundert um und mit einem Schlag nickte Pamil nur und verließ den Raum. Mit einem knappen „Ich warte dann vor der Tür“ ließ er Akito allerdings noch wissen, dass er in der Nähe blieb. Das war ihm nur recht. Sobald Pamil aus dem Raum war atmete er noch einmal durch. Mal sehen was Teo ihm für Rechtfertigungen auftischen würde. Mit einer knappen Geste deutete er auf einen Stuhl. „Bitte, setz dich.“
Er konnte sehen, wie unwohl Teo sich fühlte. Aber er konnte darüber nur lachen, ging es ihm selbst doch nicht anders. „Also was wolltest du mir sagen?“ Akito erschrak fast selbst vor seiner Stimme. Er wollte nicht so kalt und berechnend klingen, aber er konnte seine Gefühle nicht kontrollieren. Teo sah ihn noch einmal entsetzt an, atmete einmal sichtlich tief durch und fing dann leise an zu sprechen.
„Zunächst möchte ich mich entschuldigen.“ Teo blickte neugierig auf, aber Akito verzog keine Miene. Er hatte sich entschieden Teo zuzuhören. Und genau das würde er tun. Zuhören. Er verschränkte seine Arme und wartete darauf, dass Teo weiterredete. Akito konnte sehen, wie schwer es Teo viel. Seine Stimme zitterte immer noch als er fortfuhr.
„Es war wirklich nie meine Absicht dich zu verletzen! Das schwöre ich dir! Ich hätte dir liebend gerne die Wahrheit erzählt, aber ich konnte nicht. Bitte versteh doch! Hätte König Vedal davon erfahren, hätte er mich sofort abgezogen und ich hätte dich zurücklassen müssen.“
Akito sah ihn mit finsterer Miene an. Er hätte ihn also einfach so zurückgelassen? Wegen eines einzelnen Befehls? Akito weigerte es sich das zu glauben. Niemals hätte der Teo, den er kannte, ihn so hintergangen. „Ist das wirklich alles? Hast du mir nichts anderes zu sagen?“
Teo kämpfte wieder mit den Tränen. „Doch natürlich! Ich weiß, es muss schwer für dich sein mir zu glauben. Aber ich versichere dir, niemals, ich schwöre niemals würde ich dich absichtlich verletzen! Am Anfang kam ich in dieses Land, um zu spionieren, ja, das ist wahr. Aber als ich dich sah, als kleines Baby ganz verloren in diesem riesigen Haus, da wurde mir ganz anders! Ich hatte nie eine richtige Familie, aber durch dich wurde sie mir gewährt! Ich sah dich aufwachen und du wurdest mein ganzer Stolz. Niemals würde ich dich freiwillig verlassen! Deswegen musst du verstehen, ich konnte euch nicht die Wahrheit sagen. Ich konnte es nicht riskieren euch noch mehr in Gefahr bringen. Außerdem hatte ich Angst, unvorstellbare Angst, was passieren würde, wenn du die Wahrheit erfahren würdest. Ich hätte es nicht ertragen, wenn du mich fortgejagt hättest.“
Wieder fing er an zu weinen. Es tat Akito weh, diesen Mann so gequält zu sehen. Schließlich war er auch immer wie ein Vater für ihn gewesen. Er war immer für ihn da gewesen. Ob er sich als Kind beim Spielen das Knie aufgeschlagen hatte oder eine Erkältung gehabt hatte. Teo war stehts an seiner Seite gewesen und hatte auf ihn aufgepasst. Änderte es wirklich so viel, aus welchen Gründen er dort gewesen war? Er konnte nicht glauben, dass Teo ihm all die Jahre nur etwas vorgespielt hatte. Akito war sich ebenfalls sicher, dass auch diese Tränen nicht gespielt waren. Seine Gefühle waren aufrichtig. Er seufzte, unsicher, was er tun sollte, beobachtet er Teo, wie dieser seine Tränen mit seinem Ärmel trocknete.
Akito war sich nicht sicher, wie es weitergehen würde, aber er wünschte sich nichts sehnlicher, als das Teo wieder an seiner Seite stand und bei ihm blieb. Er wollte nie mehr alleine sein.
„Wirst du wieder an meiner Seite stehen?“ Eine einfache Frage und Akito hatte sich bemüht leise und sanft zu sprechen, doch Teo zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. „An deiner Seite?“ Akito nickte. „Ja, an meiner Seite. Wirst du mit mir zurückkehren und an meiner Seite stehen oder bleibst du hier bei König Vedal? Ihm treu ergeben.“
Teo sah ihn wie von allen guten Geistern verlassen an. Sein Blick verunsicherte Akito. War das wirklich eine so abstruse Frage gewesen? Letzen Endes war dies aber genau das, was Akito wissen wollte. Er nahm allen Mut zusammen. Er musste wissen, ob er sich auf Teo verlassen konnte. Würde er es bereuen ihm eine zweite Chance zu geben, sich zu beweisen? Er würde nur abwarten können. Aber er wollte es später nicht bereuen, ihm diese Möglichkeit verwehrt zu haben. Akito wurde mit jeder Sekunde ungeduldiger, als Teo nicht antwortete. „Ist die Frage wirklich so schwer zu beantworten? Ja oder nein?“
Teo zuckte erneut zusammen. Wie als wäre er aus einer Trance erwacht, stand er ruckartig auf und ging um den Tisch herum auf Akito zu. Als er genau neben ihm stand, nahm er Aktios Hand in seine und kniete vor ihm nieder.
„Ich schwöre bei meinem Leben, solange Ihr mir erlaubt an der Eurigen zu verweilen, werde ich Eure Seite nie wieder verlassen. Niemals wieder werde ich Euch etwas vorenthalten oder Euch belügen. Ich werde Euch alles über mich erzählen, was Ihr wissen möchtet. Das schwöre ich. Bei meinem Leben.
Ich weiß es steht mir nicht zu, aber bitte, könnt Ihr mir ein letztes Mal vergeben und mir gestatten an eurer Seite zu stehen?“
Akito musste nicht lange überlegen. Er wusste nicht, ob er Teo seine Lügen verzeihen konnte, aber er würde ihm eine zweite Chance geben. Immerhin hatte er ihn 18 Jahre lang großgezogen.
Er legte ihm seine andere Hand auf die Schulter und lächelte zum ersten Mal aus tiefsten Herzen. „Eine letzte Chance sei dir gewiss. Aber bitte Teo, verletze mich nie wieder.“
Akito konnte es kaum glauben, aber er fühlte sich viel besser. Wie sehr es ihn doch belastet hatte seinen ältesten Freund verloren geglaubt zu haben.